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Die westlichen Kreuzritter, die USA und Großbritannien, leisten weniger
Hilfe an die Tsunamiopfer, als ein Stealthbomber oder eine Woche der blutigen Besetzung des Irak kosten.
Mit den Kosten für George Bushs baldige Amtseinführungsparty könnte ein großer Teil der
Küste von Sri Lanka wieder aufgebaut werden.
Bush und Blair erhöhten ihre ersten
kleinen »Hilfen« erst, als klar wurde, dass die Menschen in der ganzen Welt spontan Millionen
geben und ein Public-Relations-Problem drohte. Der aktuelle »großzügige« Beitrag der
Regierung Blair beträgt ein Sechzehntel der 800 Millionen Pfund, die sie für die Bombardierung
des Irak vor der Invasion ausgab, und kaum ein Zwanzigstel des Geschenks von einer Milliarde Pfund an das
indonesische Militär zum Zwecke des Erwerbs von Hawk-Kampfbombern bekannt als »weiches
Darlehen«.
Am 24.November, einen Monat, bevor der Tsunami
zuschlug, unterstützte die Regierung Blair eine Waffenmesse in Jakarta, die laut Jakarta Post
»dem dringenden Bedürfnis der indonesischen Streitkräfte diente, ihre
Verteidigungskapazitäten zu überprüfen«. Das für den Völkermord in Osttimor
verantwortliche indonesische Militär hat in Aceh über 20000 Zivilisten und
»Aufständische« getötet. Zu den Ausstellern auf der Waffenmesse gehörte auch Rolls
Royce, Lieferant der Motoren für die Hawk-Bomber, die zusammen mit den von Großbritannien
gelieferten Panzern und Maschinengewehren in Aceh Menschen bis zu dem Tag, an dem der Tsunami die Provinz
verwüstete, terrorisierten und töteten.
Die australische Regierung, die sich
gegenwärtig ihrer in Wirklichkeit bescheidenen Reaktion auf die Katastrophe rühmt, das ihre
asiatischen Nachbarn heimgesucht hat, hat heimlich indonesische Spezialkräfte ausgebildet, deren in
Aceh begangene Grausamkeiten gut dokumentiert sind. Damit steht sie in der Tradition der 40 Jahre dauernden
Unterstützung Australiens für die Unterdrückung in Indonesien, vor allem der
Unterstützung für den Diktator Suharto, als seine Truppen ein Drittel der Bevölkerung
Osttimors abschlachteten.
Die Regierung von John Howard
berüchtigt wegen der Inhaftierung asylsuchender Kinder verletzt gegenwärtig
internationales Seerecht, indem sie Osttimor die ihm gebührenden Gewinnanteile aus Öl- und
Gasförderung in Höhe von 8 Milliarden Dollar vorenthält. Ohne diese Einnahme kann Osttimor,
das ärmste Land der Welt, keine Schulen, Krankenhäuser und Straßen bauen oder seiner zu 90%
erwerbslosen Jugend Arbeit geben.
Verstellung, Narzissmus und die heuchlerische
Propaganda der Beherrscher der Welt und ihrer Kumpane laufen auf vollen Touren. Es wimmelt von Superlativen
über ihre humanitären Absichten, während die Spaltung der Menschheit in würdige und
unwürdige Opfer die Nachrichten dominiert. Die Opfer einer großen Naturkatastrophe sind
würdige Opfer (für wie lange ist allerdings ungewiss), während die Opfer der von Menschen
verursachten imperialen Katastrophen unwürdig sind und sehr oft keinerlei Erwähnung finden.
Irgendwie bringen es die Reporter nicht über sich, über das, was in Aceh mit Unterstützung
»unserer Regierung« vorgegangen ist, zu berichten. Dieser einseitig ausgerichtete Moralspiegel
erlaubt uns, eine Spur von Zerstörung und Gemetzeln zu ignorieren, die auch ein Tsunami ist.
Nehmen wir Afghanistan, wo sauberes Wasser
unbekannt und der Tod im Kindbett an der Tagesordnung ist. Auf einer Konferenz der Labour Party 2001
kündigte Blair seinen berühmten Kreuzzug zur »Neuordnung der Welt« mit dem Versprechen
an: »Dem afghanischen Volk versprechen wir: Wir werden es nicht im Stich lassen … Wir werden mit
euch daran arbeiten, einen Weg aus der Armut zu finden, die euer elendes Dasein prägt.«
Die Regierung Blair hatte gerade an der
Eroberung Afghanistans teilgenommen, bei der 20000 Zivilisten starben. In all den großen
humanitären Krisen zu unseren Lebzeiten hat kein Land mehr gelitten und keinem wurde weniger geholfen.
Gerade mal 3% der gesamten internationalen in Afghanistan ausgegebenen Hilfe war Hilfe für den
Wiederaufbau, 84% wurden für die von den USA geführte militärische »Koalition«
aufgewandt und der Rest bestand aus Brosamen für Soforthilfe.
Was oft als Einkommen aus dem Wiederaufbau
präsentiert wird, ist eine private Investition wie die 35 Millionen Dollar, die ein geplantes
Fünf-Sterne-Hotel finanzieren, das hauptsächlich für Ausländer vorgesehen ist. Ein
Berater des Landwirtschaftsministers in Kabul sagte mir, die Regierung habe weniger als 20% der Afghanistan
versprochenen Hilfe erhalten. »Wir haben nicht mal genug Geld, um Löhne zu zahlen, schon gar
nicht für die Planung des Wiederaufbaus.«
Der, natürlich unausgesprochene, Grund
ist, dass die Afghanen die unwürdigsten aller Opfer sind. Als amerikanische Kampfhubschrauber
wiederholt ein entlegenes Bauerndorf beschossen und dabei 93 Zivilisten töteten, ließ sich ein
Pentagon-Beamter zu der Bemerkung hinreißen: »Die Leute sind tot, weil wir dies so wollten.«
Dieser andere Tsunami wurde mir bewusst, als
ich 1979 aus Kambodscha berichtete. Nach einem Jahrzehnt amerikanischen Bombardements und den
Gräuelakten des Pol-Pot-Regimes lag Kambodscha in Trümmern so wie heute Aceh. Die Menschen
erlitten ein kollektives Trauma, das wenige erklären konnten. Doch neun Monate nach dem Zusammenbruch
des Regimes der Roten Khmer kam immer noch keine effektive Hilfe von westlichen Regierungen. Stattdessen
wurde ein vom Westen und von China unterstütztes UN-Embargo über Kambodscha errichtet, wodurch
faktisch jede Hilfe verweigert wurde.
Das Problem der Kambodschaner war, dass ihre
Befreier, die Vietnamesen, auf der falschen Seite im Kalten Krieg standen und jüngst die Amerikaner
aus ihrem Land vertrieben hatten. Das machte sie zu unwürdigen Opfern und entbehrlich.
Eine ähnliche, weitgehend totgeschwiegene
Belagerung wurde dem Irak in den 90er Jahren auferlegt und während der angloamerikanischen
»Befreiung« verstärkt. Im September 2004 berichtete UNICEF, dass sich die
Unterernährung irakischer Kinder während der Besatzung verdoppelt hat. Die
Säuglingssterblichkeit liegt etwa so hoch wie in Burundi, höher als in Haiti und Uganda. Es gibt
eine lähmende Armut und einen chronischen Mangel an Arzneimitteln. Fälle von Krebs steigen rasch
an, besonders Brustkrebs. Radioaktive Verseuchung ist weit verbreitet. Mehr als 700 Schulen sind von Bomben
zerstört. Von den Milliarden, die angeblich für den Wiederaufbau des Irak bereitgestellt worden
sind, sind gerade mal 29 Millionen Dollar ausgegeben worden, das meiste für Söldner zum Schutz
von Ausländern. Wenig davon ist im Westen eine Meldung wert.
Dieser andere Tsunami ist ein weltweites
Phänomen; er verursacht jeden Tag 24000 Tote infolge von Armut, Verschuldung und Spaltung, die das
Produkt eines Neoliberalismus genannten Superkults sind. Die Vereinten Nationen erkannten dies 1991 an, als
sie in Paris eine Konferenz der reichsten Staaten einberiefen, die das Ziel haben sollte, ein
»Aktionsprogramm« zur Rettung der ärmsten Länder der Welt durchzusetzen. Zehn Jahre
später ist faktisch keine der von den westlichen Regierungen eingegangenen Verpflichtungen eingehalten
worden.
Keine Regierung hat die UNO-Vorgabe
eingehalten und erbärmliche 0,7% ihres Nationaleinkommens für Hilfe bereitgestellt.
Großbritannien gibt gerade mal 0,34% aus und macht seine »Abteilung für internationale
Entwicklung« zu einem schlechten Witz. Die USA geben 0,15%, die niedrigste Quote irgendeines
Industrielands.
Was die Bevölkerung im Westen sich nicht
vorstellen kann: Millionen von Menschen wissen, dass ihr Leben für entbehrlich erklärt worden
ist. Wenn Tarife, Nahrungsmittel- und Brennstoffsubventionen unter dem Diktat des IWF abgeschafft werden,
wissen die Kleinbauern und die Landlosen, dass sie einer Katastrophe entgegengehen, weshalb Fälle von
Selbstmord unter den Bauern grassieren.
Nur die Reichen, sagt die
Welthandelsorganisation, dürfen ihre heimische Industrie und Landwirtschaft schützen; nur sie
haben das Recht, Fleisch-, Getreide- und Zuckerexporte zu subventionieren und sie in arme Länder zu
künstlich niedrigen Preisen zu verschleudern, wodurch sie den dortigen Lebensunterhalt und viele Leben
zerstören.
Das einst von der Weltbank als
»Musterschüler der globalen Ökonomie« beschriebene Indonesien ist ein typisches
Beispiel. Viele der bei der Flutkatastrophe Umgekommenen waren bereits durch die Politik des IWF ihrer
Besitztümer beraubt. Indonesien ist mit 110 Milliarden Dollar verschuldet.
Das World Resources Institute sagt, dieser von
Menschen gemachte Tsunami hat jedes Jahr den Tod von 1318 Millionen Kindern zur Folge hat; oder den
von 12 Millionen Kinder unter 5 Jahren laut einem Bericht der UNO. »Wenn in den Kriegen des
20.Jahrhunderts 100 Millionen Menschen getötet wurden«, so der australische
Sozialwissenschaftler Michael McKinley, »warum werden diese in der Wahrnehmung gegenüber den
jährlich infolge von Strukturanpassungsprogrammen sterbenden Kindern privilegiert?«
Dass das verursachende System die
»Demokratie« zu ihrem Kampfruf macht, ist ein Hohn, dessen sich zunehmend mehr Menschen auf der
Welt bewusst werden. Dieses wachsende Bewusstsein ist mehr als nur eine Hoffnung. Seitdem die Kreuzfahrer
in Washington und London die Sympathien, die die Welt für die Opfer des 11.September 2001 empfand,
vergeudeten, um ihren Feldzug anzutreiben, hat sich in der Öffentlichkeit eine kritische Einsicht
entwickelt, die Leute wie Bush und Blair als Lügner betrachtet und ihre strafwürdigen Handlungen
als Verbrechen.
Die stark fließende Hilfe für die
Tsunami-Opfer, die gegenwärtig von gewöhnlichen Menschen im Westen aufgebracht wird, ist Zeichen
für ein spektakuläres Wiederauftauchen von Gemeinschaftssinn, Moral und Internationalismus
Haltungen, die die Regierungen und die bürgerlichen Medien verweigern. Hört man den
Touristen zu, die aus den betroffenen Ländern zurückkehren und voller Dankbarkeit von der
großzügigen Hilfe berichten, die ihnen die Ärmsten der Armen zuteil werden ließen, so
hört man daraus die Antithese zur »Politik«, die sich nur um die Habgierigen sorgt.
»Die spektakulärste
Äußerung öffentlicher Moral, die die Welt je gesehen hat« so beschrieb die
Schriftstellerin Arundhati Roy die Empörung über den Krieg, die vor fast zwei Jahren um die Welt
ging. Eine französische Studie schätzt jetzt, dass 35 Millionen Menschen an diesem Februartag
demonstriert haben niemals habe es etwas derartiges gegeben, und das war bloß der Anfang.
Das ist nicht bloße Rhetorik; die
menschliche Erneuerung ist kein oberflächliches Phänomen, sondern die Fortsetzung eines Kampfes,
der zuweilen eingefroren scheinen mag, aber eine Saat unter dem Schnee ist. Nehmen wir Lateinamerika, das
lange im Westen als unsichtbar und entbehrlich betrachtet wurde.
»Die Lateinamerikaner wurden dazu
geschult, ohnmächtig zu sein«, schrieb kürzlich Eduardo Galeano. »Eine Pädagogik,
von der Kolonialzeit geerbt, gelehrt von gewalttätigen Soldaten, furchtsamen Lehrern und schwachen
Fatalisten, hat in unseren Seelen den Glauben verankert, dass die Realität unfassbar ist und dass wir
nur schweigend den Kummer, den jeder Tag bringt, schlucken können.« Galeano feierte die
Wiedergeburt wirklicher Demokratie in seinem Heimatland Uruguay, wo die Menschen »gegen die
Angst« gestimmt haben, gegen die Privatisierung und die sie begleitenden Anstößigkeiten.
In Venezuela haben die Kommunal- und
Parlamentswahlen im Oktober den neunten demokratischen Sieg für die einzige Regierung der Welt
gebracht, die ihre Ölreichtümer mit den Ärmsten teilt. In Chile wird der letzte von den
westlichen Regierungen, vor allem von der Regierung Thatcher, unterstützte Militärdiktator von
wiederbelebten demokratischen Kräften juristisch verfolgt.
Diese Kräfte sind Teil einer Bewegung
gegen Ungleichheit, Armut und Krieg, die in den letzten sechs Jahren aufgetaucht ist und vielfältiger,
wagemutiger, internationalistischer und toleranter bezüglich der ihr innewohnenden Differenzen ist als
alles, was es zu meinen Lebzeiten bisher gegeben hat. Diese Bewegung ist unbelastet vom westlichen
Liberalismus, der glaubt, eine höhere Form des Lebens zu repräsentieren, von dem die
Einsichtigsten aber wissen, dass er nur Kolonialismus unter einem anderen Namen ist. Die Einsichtigsten
wissen auch, dass ebenso wie die Eroberung des Irak, auch ein ganzes System von Herrschaft und Verarmung
vereitelt werden kann.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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