SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2005, Seite 4

Geburtenrückgang

Sorgen um den Nachwuchs

von GISELA NOTZ

Eine »bevölkerungsorientierte Familienpolitik« forderte Bundesministerin Renate Schmidt am 8.11.2004 bei einer Konferenz in Berlin. Denn, so sagte sie, »Deutschland braucht stabile Familien«. Junge Menschen würden auf die »klassische Kernfamilie« vertrauen und sich Kinder wünschen, »im Durchschnitt 2,4, im letzten Jahr aber nur 1,29«. Als Problem sah sie vor allem den »Trend zur Kinderlosigkeit besser Gebildeter«. Die langfristige Innovationsfähigkeit und das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland seien aber nur durch »viele stabile Familien mit mehr Kindern« zu erreichen. Ein Blick über die Grenzen zeige, dass dort, wo es mehr Kinderbetreuungsangebote gibt und wo eine Balance von Familie und Beruf erleichtert wird, auch die Geburtenrate höher ist. Sie folgerte daraus, dass Deutschland erstens einen Ausbau der Kinderbetreuung brauche, zweitens eine bessere monetäre Förderung und drittens eine familienfreundliche Unternehmenspolitik. Es blieb nicht bei der verbalen Aufgeschlossenheit. Im Januar 2005 trat der neue Kinderzuschlag und das Tagesbetreuungsausbaugesetz in Kraft.
Am 12.Januar 2005 berichteten die Tageszeitungen, dass eine bundesweite Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, in deren Rahmen 40000 Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 49 Jahren befragt worden waren, ergeben hätte, dass der »dramatische Rückgang der Geburten« (FAZ) darauf zurückzuführen sei, dass ihnen »der geeignete Lebenspartner« fehlt und genauso viele (44%) mit ihrem Leben ohne Kinder ganz zufrieden sind. 40% der Kinderlosen verzichteten, »weil man heute nicht mehr wissen kann, ob man seinen Arbeitsplatz behält und sich Kinder leisten kann«.
Auch Untersuchungen des Instituts für Demoskopie Allensbach kommen zu ähnlichen Schlüssen. Alarmierend erscheint, dass für 42% der Mütter Kinder »klare Karrierehemmnisse« seien. Väter sahen dieses Problem seltener. Sind Mütter karrieregeil? Die FAZ folgert unter der Überschrift »Familiensozialismus«, dass Familien statt Betreuungsmöglichkeiten viel lieber mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen würden, also selber entscheiden könnten, »ob beide Elternteile arbeiten oder nur einer, ob Frau oder Mann, ob Teilzeit oder Vollzeit«, und dazu bräuchten sie ein Familiengeld oder Familiensplitting wie in Frankreich.
Die Untersuchungen zeigen aber, dass die Sorge um den Job und die Sorge um die berufliche Zukunft mit an erster Stelle der »Verzichtsgründe« steht. Das betrifft auch die jungen Frauen, die ihre Berufszertifikate nicht zugunsten eines »Familiengelds« für die »klassische Kernfamilie« an den Wickeltisch hängen wollen. Vielleicht sollte sich das politische Interesse weniger auf die Geburtenstatistik richten, sondern danach fragen, welche Rahmenbedingungen, detaillierte Informationen und verarbeitbares Wissen über verschiedene Lebensweisen Frauen und Männer brauchen, um selbst bestimmen zu können, ob und wann sie Familie — oder auch besser geeignete Zusammenlebensformen — und (eigene) Kinder haben wollen und unter welchen Bedingungen.X2

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