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Die bürgerlichen Medien konzentrieren sich allein auf die natürlichen Ursachen von
Katastrophen wie den Tsunamis im Indischen Ozean. Wie sieht der umfassendere Kontext aus?
Der Indische Ozean ist das Epizentrum der Umweltzerstörung, die in naher Zukunft durch die
globale Erwärmung verursacht wird. Dieser Teil der Welt hat regelmäßig Tote infolge von
Taifunen und Überflutungen sowie den daraus folgenden Krankheiten zu beklagen dies wird in
Zukunft noch zunehmen.
Insbesondere Bangladesh und die Inselgruppen,
die von dem Tsunami betroffen waren die Malediven und die Andamanen sind Gesellschaften, die
in den kommenden 1015 Jahren am meisten von der globalen Erwärmung gefährdet sein werden.
Zwar ist ein gigantisches Seebeben im
Indischen Ozean ein relativ seltenes Ereignis. Dennoch ist der Indische Ozean, insbesondere der Golf von
Bengalen, einer der Hauptschauplätze der globalen Erwärmung und der damit verbundenen zunehmenden
Häufigkeit von Naturkatastrophen. Und diese sind eben das Ergebnis einer Klassenpolitik.
Ich bin sicher, viele Politiker werden nun
sagen, dass es keinen Sinn macht, ein Katastrophenwarnsystem zu errichten, weil ein solches Ereignis derart
selten ist. Es ist schockierend, dass geophysikalische Warnsysteme und zivile
Küstenverteidigungssysteme, die die Folgen hätten abfedern können, fast ausschließlich
auf wohlhabende Gesellschaften beschränkt sind. Die größte Last von Katastrophe, Tod und
ökonomischer Zerstörung tragen somit die armen Gesellschaften, besonders diejenigen, die am
Indischen Ozean liegen und deren Subsistenzwirtschaft auf dem Fischfang beruht. Welches minimale
Frühwarnsystem bräuchten die Menschen? In manchen Fällen hätte ein Telefonanruf schon
genügt, sofern es ein lokales Netzwerk gibt.
Welche politischen und ökonomischen Faktoren kommen bei »Naturkatastrophen« ins
Spiel?
Todesfälle durch einen Tsunami kommen einer natürlichen Katastrophe am nächsten.
Typischer für Katastrophen wie Erdbeben ist, dass Menschen durch die schlechte Qualität ihrer
Wohnungen und Häuser umkommen sie werden durch ihre Armut getötet.
Ein Erdbeben oder Taifun oder eine
Flutkatastrophe können Auswirkungen auf viele Generationen haben. Wir haben das in den letzten
zwanzig, dreißig Jahren am Beispiel Nikaragua, Honduras und Guatemala gesehen. Die Menschen dort
leiden immer noch unter den Auswirkungen des Erdbebens von Managua oder den Orkanen in Mittelamerika 1998.
Der bedeutendste einzelne gesellschaftliche
Prozess auf der Erde ist derzeit die Urbanisierung. 95% des künftigen Bevölkerungswachstums wird
sich in einer Zunahme der Bevölkerung in den Städten der Dritten Welt niederschlagen. Und
zunehmend wird ein großer Teil davon unter den gefährlichsten Bedingungen hausen auf
häufig überfluteten, tief liegenden Küstenebenen, an unsicheren Abhängen. Vor etwa
dreißig Jahren konnte es in einigen Städten der Dritten Welt noch anständiges, gut
entwässertes Flachland geben, das für den Bau von Slumvierteln geeignet war. Doch die meisten
Slumviertel werden heute in seismisch oder geologisch gefährdeten Gebieten errichtet, wodurch die Zahl
der Menschen, die Katastrophen ausgesetzt sind, exponentiell steigt.
Bangladesh hat im Indischen Ozean eine nahezu
einzigartige Lage, weil es so tief liegt. Es sieht einer sehr dunklen Zukunft entgegen, weil Taifune
häufiger und intensiver werden. Erst vor zwanzig Jahren sind in Bangladesh 400000 Menschen ertrunken.
Dies wird sich von nun an buchstäblich
alle paar Jahre wiederholen. Bangladesh ist ein Land, dass zunehmend von Überflutungen betroffen sein
wird mit der Folge, dass in jedem Jahrzehnt Entwurzelung, Krankheit und Tod mindestens in dem
Ausmaß wie zum Jahresende 2004 zu erwarten sind.
Bei den Hilfsbemühungen spielen sicher auch politische Faktoren eine Rolle.
In einigen reichen Gesellschaften können Katastrophen manchmal positive wirtschaftliche
Auswirkungen haben. In Kalifornien gibt es eine Art seismischen Keynesianismus; die
Katastrophenhilfsprogramme in Florida stellen im Grunde von der Regierung kalkulierte Subventionsprogramme
dar.
Katastrophen werden auch häufig als eine
Form der Stadterneuerung genutzt, dies könnte auch jetzt der Fall sein, besonders in Thailand und
Malaysia, wo Touristenzentren oder auch Städte ständig traditionelle Fischerdörfer oder
Küstendörfer zurückdrängen. Es käme nicht überraschend, wenn einige dieser
Dörfer nicht mehr wiederaufgebaut würden, sondern stattdessen größere touristische
Einrichtungen oder militärische Einrichtungen an ihre Stelle träten.
Wir können sicher sein, dass in Aceh
an der Nordspitze der indonesischen Insel Sumatra, wo ein Befreiungskrieg stattfindet die
Hilfsmaßnahmen von der indonesischen Armee verwaltet werden, und man kann sich vorstellen, wie das
abläuft. Das gleiche gilt für Sri Lanka, wo die Ostküste 30 Jahre lang Schauplatz eines
Bürgerkriegs war.
Dann gibt es noch die alltägliche
Politik, die bestimmt, wem die US-Regierung Geld gibt. Am Ende wird man nicht überrascht sein, wenn
sehr häufig fast nichts zu den Betroffenen gelangt.
Welches sind die langfristigen Folgen der Katastrophe?
Der wirtschaftliche Schaden wird riesig sein. Seine Behebung wird eine lange Zeit in Anspruch
nehmen, und möglicherweise wird der Schaden niemals vollständig berechnet werden vor allem
nicht in den wirklich armen, auf dem Fischfang beruhenden Gesellschaften, wo Tausende und Abertausende ihre
Existenz verloren haben. Aber das ist nur ein Teil ihrer weit umfassenderen Probleme auf der ganzen Welt,
denn die auf Fischerei beruhenden Subsistenzwirtschaften sterben aus oder sie werden durch den Wettbewerb
mit Trawlerflotten der EU oder Japans, durch den Raubbau an der Meeresbiomasse u.a. in noch tiefere Armut
gezwungen. Das ist der größere Zusammenhang.
Die chronische Bedrohung in all diesen
Regionen geht von Sturmschäden aus es ist wichtig das zu begreifen. Und die verschlimmern sich
durch die globale Erwärmung und das Versäumnis, ein wirkliches Netzwerk ziviler Verteidigung
für arme Gemeinschaften aufzubauen, oder Geld in Deiche und geschützte Fischereihäfen
u.ä. zu investieren.
In erster Linie brauchen wir ein globales
ziviles Verteidigungssystem gegen Naturkatastrophen und Klimaereignisse, das grundsätzlich von den
reichen Ländern bezahlt werden sollte. Wichtiger noch ist zweitens, dass die reichen Gesellschaften,
die für den Klimawandel verantwortlich sind, für die Kosten der Verteidigung und Rettung der
Gesellschaften aufkommen, die direkt in den Einzugsgebieten von Katastrophen liegen.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
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