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Izquierda Unida (Vereinigte Linke) hat vom 10. bis 12.Dezember 2004 in Madrid
ihre VIII.Versammlung durchgeführt. IU ist nach Wählerstimmen die drittstärkste Kraft im
spanischen Staat und hat drei Abgeordnete im Zentralparlament.
Die außerordentliche Versammlung hat versucht, eine Antwort auf die schwere Krise zu geben,
die IU in den letzten Jahren durchmacht. Diese hat sich durch die schlechten Wahlergebnisse bei den
Parlamentswahlen am 14.März 2004 und bei den nachfolgenden Europawahlen noch verschärft. Obwohl
das Dokument der Mehrheit zu 60,6% angenommen wurde, ist ein Ende der Führungskrise nicht erkennbar.
Sie manifestiert sich vor allem in der offenen Auseinandersetzung zwischen dem Generalkoordinator von IU,
Gaspar Llamazares, und der Führung der KP, die die stärkste politische Kraft in IU ist.
Die Krise von IU hat zahlreiche Gründe,
die meisten liegen in der Agonie und dem Zerfall der KP in verschiedene Fraktionen.
Aber man muss unterscheiden zwischen der Krise
der politischen Orientierung und der Verzerrung der internen Willensbildung wegen dem Aufbau von IU als
Koalition von Fraktionen ohne nennenswerten eigenen organisatorischen Apparat.
IU entstand auf Vorschlag der KP Mitte der
80er Jahre nach der Massenkampagne gegen Spaniens Beitritt zur NATO als Koalition von politischen
Organisationen und Parteien. Während die kleineren politischen Organisationen nach und nach
verschwunden sind, ist die KP in verschiedene Fraktionen zerfallen: einige von ihnen konzentrieren sich in
verschiedenen Regionalleitungen, eine andere im zentralen Parteiapparat. Hinzu kommen etwa ein Dutzend
Strömungen und Fraktionen, die ihren Ursprung in der extremen Linken haben und in der KP arbeiten.
Die Folge ist, dass die fraktionelle Arbeit,
die das öffentliche Auftreten und die Mitgliederwerbung für die jeweils eigene Strömung
bevorzugt, in den letzten Jahren den Aufbau von IU als gemeinsame autonome Organisation blockiert hat. Die
Basisversammlungen von IU sind alles andere als interventionsfähige Gruppen, eher ein Art Parlament,
in dem zu jedem Tagesordnungspunkt erst die sieben oder acht anwesenden Strömungen gehört werden,
bevor die Mitglieder zu Wort kommen.
Eine demokratische Kontrolle der
Führungen der verschiedenen Strömungen durch ihre jeweilige Basis gibt es nicht, meist geschieht
die Willensbildung in IU so, dass sich nur die Apparate der verschiedenen Strömungen untereinander
verständigen. Das Fehlen einer gesamtstaatlichen Leitung hat eine starke Autonomisierung der
Parlamentariergruppe begünstigt, sie bildet die wirkliche Führung von IU und sieht sich im
Gegensatz zur Führung der KP und zu ihren regionalen Organisationen.
In den vergangenen drei Jahren hat es im
spanischen Staat den größten Zyklus sozialer Mobilisierungen gegen die konservative Regierung
seit dem Ende der Franco-Ära gegeben. Hunderttausende von Menschen haben an Aktionstagen und
Demonstrationen gegen die spanische EU-Präsidentschaft, gegen den Nationalen Wasserplan, die
Rentenreform, die Reform des Arbeitsmarkts und den Irakkrieg teilgenommen.
Dieser Schmelztiegel hat dazu geführt,
dass nach den islamistischen Anschlägen vom 11.März, die die Regierung der Volkspartei (PP)
versuchte, der ETA in die Schuhe zu schieben, die Wählerstimmung endgültig zugunsten der Linken
gekippt ist, nachdem sich eine solche Verschiebung schon vorher in den Kommunalwahlen und in der Bildung
der baskischen und der katalanischen Regionalregierungen angekündigt hatte.
Durch ihre baskische Organisation Ezker Batua
(EB-B) und durch ihre Allianz mit ICV in Katalonien ist IU an beiden Regionalregierungen beteiligt. Beide
hatten sich unter der Regierung Aznar zu Bastionen ihrer Gegenspieler entwickelt und eine neue
Kräftekonstellation geschaffen. In den Wahlen vom 14.März betrieb IU ihr Ziel weiter, die PP auch
aus der Zentralregierung zu drängen.
Hauptnutznießerin der neuen politischen
Situation wurde jedoch die PSOE, zusammen mit einigen sozialdemokratischen nationalistischen Organisationen
wie Ezquerra Republicana in Katalonien (ERC). IU schaffte es nicht, ihr Engagement in den sozialen
Bewegungen in Wählerstimmen umzusetzen, obwohl sie manchmal darin eine entscheidende Rolle gespielt
hatte.
Die Krise von IU hat viel mit der strategischen Orientierungskrise der gesamten alternativen Linke in
Europa gemeinsam. Sie hat aber auch Besonderheiten, die mit dem neuen politischen Zyklus
zusammenhängen, der in Spanien durch die Niederlage der PP eröffnet wurde.
Die PSOE hat in Madrid eine
Minderheitenregierung gebildet, die auf die parlamentarische Unterstützung von IU und ERC angewiesen
ist. Sie ist etwas überraschend an die Regierung gekommen, trotz einer zuvor wenig effizienten
Oppositionsarbeit und obwohl sie sich keine eigene soziale Basis hat aufbauen können.
Im Gegensatz dazu kann die Volkspartei,
gestützt auf ihre achtjährige Regierungsarbeit und auf die Unterstützung der Unternehmer und
der Kirche auf eine starke soziale Basis zählen, die von einem reaktionären spanischen
Nationalismus im Gegensatz zum katalanischen, baskischen oder galizischen Nationalismus zusammen gehalten
wird.
In den ersten neun Monaten ihrer Amtszeit war
das wichtigste Ziel der PSOE, die Bindung linker, gegen die PP eingestellter Wähler an ihre Partei zu
stabilisieren, indem sie den sozialen Bewegungen starke politische Zugeständnisse machte und deren
Führungspersonen kooptierte, zugleich neoliberale Maßnahmen mit größeren negativen
Konsequenzen vermied.
Das hat den politischen Spielraum für IU
stark eingeengt, zumal sie derzeit nicht mit außerparlamentarischen sozialen Mobilisierungen rechnen
kann, sieht man von Teilkämpfen gegen die Schließung staatlicher Werften und gegen die
Verlagerung von Fabriken nach Osteuropa ab. Andererseits ist ihre parlamentarische Unterstützung
für das Überleben der PSOE-Regierung zentral, zumal die konservative Rechte einen starken
gesellschaftlichen und parlamentarischen Gegenangriff führt.
Was soll man in dieser Lage tun? Die
strategische Debatte, wie eine unabhängige, alternative politische Kraft aufgebaut werden kann, ohne
dass man in Sektierertum und Propagandismus verfällt, und wie eine solche Kraft helfen kann, die
sozialen Bewegungen wieder zu stärken, stand im Mittelpunkt der außerordentlichen Versammlung von
IU.
Das politische Projekt der Mehrheit besteht darin, den Bewusstseinsprozess der Wählerschaft, die in
der vorangegangenen Phase stark mobilisiert war, zu begleiten mit dem Ziel, die parlamentarische Mehrheit
und die Minderheitsregierung der PSOE nach links zu drücken und dabei ausgehend von sozialen
Mobilisierungen das Kräfteverhältnis für die Linke insgesamt zu erhalten und zu verbessern.
Die Aufgabe von IU wäre es nach diesem
Ansatz, die sozialen Bewegungen zu ermutigen, sie zu strukturieren, ihre Wirksamkeit und ihr
Selbstvertrauen gegenüber der Rechten, aber auch gegenüber allen rechten Maßnahmen der PSOE-
Regierung zu stärken. Das ist eine Strategie der Akkumulation von Kräften ausgehend von
Bewegungen, um mehr sozialen und institutionellen Druck auszuüben und das Kräfteverhältnis
schließlich zum Vorteil zu ändern.
Es geht darum, eine schwache PSOE-Regierung
auf gesellschaftlicher und institutioneller Ebene mit politischen Alternativen zu konfrontieren, damit sie
diese umsetzt. Die plurale linke Mehrheit in der Gesellschaft, in den Institutionen und im Parlament soll
dadurch gestärkt werden. Es ist kein Zufall, dass die Mehrheit der IU endlich die Ablehnung des
neoliberalen EU-Verfassungsvertrags als einen ihrer programmatischen Eckpunkte angenommen hat.
Das politische Projekt der Minderheit, die 27%
der Stimmen auf sich vereinigen konnte, geht nicht von der objektiven Situation, von einer Analyse der
Kräfteverhältnisse oder dem tatsächlichen Klassenbewusstsein aus. Es geht von zwei
subjektiven Befürchtungen aus: dass IU sich der PSOE unterordnet, und dass eine gedachte
antikapitalistische Bewegung hier und heute in der alternativen Linken keinen politischen Ausdruck findet.
Diese beiden Befürchtungen sind das
Ergebnis einer ideologischen Analyse, die Sozialliberalismus und Antikapitalismus programmatisch
gegeneinander stellt, die aber nicht anknüpft an die reale Entwicklung des Klassenbewusstseins und
keine praktische Verbindung zwischen dem Zustand der Bewegung und ihren antikapitalistischen Zielen
herstellt. Obwohl sie die sozialen Bewegungen idealisiert, begibt sie sich nicht mitten in sie hinein, um
reale taktische und politische Probleme aufzuwerfen und den Bewegungen oder der politischen Linken zu
helfen, Antworten zu geben, die materielle Auswirkungen auf das Kräfteverhältnis haben.
Bis jetzt hat die Minderheit in den Debatten
der letzten Monate noch nicht erklärt, wie sie mit den logischen Folgen ihres Propagandismus umgehen
will: Soll die strategische Allianz mit der ICV aufgekündigt werden, soll die EB-B aus der baskischen
Regierung austreten, soll die katalanische Dreiparteienregierung aufgelöst oder ohne vorherige
Verhandlungen gegen den Haushalt 2004 gestimmt werden? All diese Maßnahmen würden die PSOE-
Regierung sieben Monate nach ihrer Wahl der Rechten ausliefern. Diese sog. Alternativen zur angeblichen
Unterwerfung unter die PSOE würde nicht nur die Krise der IU vertiefen, sondern sie auch in direkte
Konfrontation zur sozialen Linken bringen.
Die Unterschiede in der Orientierung wurden
auf der Versammlung durch harte Fraktionskämpfe untersetzt. Sie kamen schließlich in drei
konkurrierenden Kandidaturen zum Ausdruck, alle drei von KP-Mitgliedern: der derzeitige
Generalkooordinator, Gaspar Llamazares; der Kandidat der KP-Jugend, Enrique de Santiago, unterstützt
von Teilen der KP in Andalusien; und Sebastián Martin Recio, unterstützt vom anderen Teil der
andalusischen KP und von der extremen Linken. Die drei Kandidaten erhielten jeweils 49,5%, 38,1% und 12,4%
der Stimmen.
Bei der Wahl des neuen Generalkoordinators auf der ersten Sitzung des Föderalen Politischen Rats
auf der nur die Hälfte derer anwesend ist, die direkt von der Versammlung gewählt wurden
hätten die Unterstützer der beiden kritischen Kandidaturen theoretisch ihre Stimmen
bündeln können. Sie hätten dann eine Mehrheit von 56 Stimmen gegen die 54 auf sich
vereinigt, die Llamazares hinter sich hatte.
Um diesen Situation zuvorzukommen, hatte die
Mehrheit einen Antrag auf Änderung des Statuts vorgelegt, um zu ermöglichen, dass die
Koordinatoren der regionalen Organisationen schon in der ersten Sitzung des Föderalen Rats
abstimmungsberechtigt wären, nicht erst in der zweiten Sitzung, die den gewählten
Generalkoordinator nur noch ratifiziert, der damit als vom gesamten Rat gewählt gilt. Die Abstimmung
über die Statutenänderung fand aber nicht statt, weil keiner der beiden Kandidaten der Minderheit
sich zur Wahl stellte, wissend, dass mindestens vier Mitglieder der dritten Liste von Sebastián Martin
Recio sich enthalten hätten. Damit war das von der KP angezettelte Projekt des Sturms auf die
Führung von IU an seinen inneren Widersprüchen und an den Konflikten in der andalusischen
Föderation von IU gescheitert.
Enrique de Santiago erklärte dennoch, er
werde seine Kandidatur auf der folgenden Plenarsitzung des Föderalen Politischen Rats am 22.Januar
präsentieren. Damit versucht er die Legitimität der neuen Mehrheit maximal zu untergraben. Der
Fraktionalismus und die Krise der KP blockieren den Prozess des gemeinsamen Aufbaus von IU.
Die Aussichten sind also nicht gut. IU kann
wegen der internen Fraktionskämpfe gegenüber der PSOE nicht selbstbewusst auftreten und sie nicht
herausfordern. Nur ein Wiedererstarken der sozialen Bewegungen kann ihr helfen, diese Agonie zu
überwinden.
Diese wird noch verstärkt durch das
Aufflammen der Debatte um die Reform der Autonomiestatute der Nationalitäten im spanischen Staat,
insbesondere im Baskenland und in Katalonien. Der Vorschlag der baskischen Regierung für ein
Referendum über die Schaffung eines baskischen Staats, der mit dem spanischen Staat frei assoziiert
wäre und der von der Mehrheit des baskischen Parlaments unterstützt wird, hat die Linke sofort in
einen zentralistischen und einen nationalistischen Flügel gespalten. Ein solches Referendum ist von
der Verfassung nicht vorgesehen.
Vor allem IU ist gespalten. Auf der einen
Seite haben sich die baskische und die katalanische Föderation von IU (EB-B und EUiA) mit anderen
Teilen der Mehrheit und einem Teil der dritten Strömung verbünden von der CUT organisierte
Tagelöhner aus Andalusien und Espacio Alternativo , um das Recht auf Selbstbestimmung zu
verteidigen. Doch die Mitglieder der KP in allen drei Strömungen beharren auf ihrer
zentralistischen Sichtweise, die den Völkern ohne Staat wesentliche Selbstbestimmungsrechte
vorenthält.
Gustavo Buster
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