SoZSozialistische Zeitung |
Mit der Vorbereitungskonferenz Anfang Januar in Erfurt ist der
Sozialforumsprozess in Deutschland in die Phase der Anmeldungen getreten.
Allmählich nimmt das 1.Sozialforum in Deutschland Gestalt an. Die Planungen gehen von 5000
Teilnehmenden aus, aber die Tagungskapazitäten (Räume und Übernachtungen) ermöglichen
bis zu 11000 Beteiligte. Nun hängt alles davon ab, in den kommenden Wochen das Interesse an der
Beteiligung, an der Veröffentlichung von Diskussionsangeboten und am Aufspüren von
Diskussionspartnern zu wecken. Denn das Sozialforum will nicht nur ein Markt der Möglichkeiten sein
es will vor allem dazu dienen, die Zersplitterung der sozialen Bewegungen und der Linken zu
überwinden und aus dem Nebeneinander ein Miteinander zu machen.
Die Örtlichkeit eignet sich bestens dazu.
Die mittelgroße ostdeutsche Landeshauptstadt mit der wunderschönen Altstadt bietet nicht nur
Schulen, die Sparkasse, die Landesversicherungsanstalt, die Zitadelle, die Messe und die
Thüringenhalle an sie bietet auch eine Vielzahl größerer und kleinerer
öffentlicher Plätze, die sich bestens für kleinere Darbietungen und die direkte Ansprache
der Bevölkerung eignen. Historische Plätze können neu besetzt werden: so der sog.
Kaisersaal, benannt nach einem Dreikaisertreffen während der kurzen Zeit der napoleonischen
Herrschaft, für das Sozialforum aber eher als Ort des SPD-Parteitags von Erfurt 1891 und der
Verabschiedung des Erfurter Programms von Bedeutung.
Für Übernachtungen stehen neben
zahlreichen Pensionen und Hotels (Erfurt ist eine große Touristenattraktion) ein großer
Zeltplatz, Turnhallen und Privatunterkünfte zur Verfügung. Sollte es dennoch zu eng werden, kann
man auch ins nahegelegene Weimar ausweichen, der Zug braucht keine 20 min. dorthin.
Erfurt wird am Wochenende vom 21. bis 24.Juli
vom Sozialforum besetzt sein es finden keine anderen Veranstaltungen parallel dazu statt. So ist es
mit der Stadtverwaltung vereinbart, die sich darauf eingestellt hat, das Sozialforum logistisch zu
unterstützen. Der Oberbürgermeister ist von der CDU, er verspricht sich aber einen Imagegewinn
für Erfurt und sicher auch einen Bonus bei den im Herbst anstehenden OB-Wahlen.
Die Struktur des Sozialforums ähnelt konzentrischen Kreisen. Der Kern gliedert sich entspricht der
Tradition des europäischen oder Weltsozialforums in vier Themenbereiche, die versuchen, das
Diskussionsangebot zu bündeln. Die Themenbereiche lauten:
1. Arbeitswelt und Menschenwürde.
2. Globalisierung und die Rolle Deutschlands
in der Welt.
3. Menschenrechte und politische Teilhabe.
3. Eine lebenswerte Welt anders leben.
Diese Formulierung ermöglicht, dass aus
ganz unterschiedlichen Milieus und Sachbereichen heraus ähnliche Fragestellungen formuliert werden.
Die Diskussion an gemeinsamen Themen aus unterschiedlicher Perspektive soll dadurch verstärkt werden.
Zu den vier Themenbereichen können
Arbeitsgruppen und Seminare angeboten werden. Getreu internationalem Vorbild werden Arbeitsgruppen dabei
als (meist) kleinere Veranstaltungen definiert (um die 25 Personen), die auch von einzelnen Gruppen
angeboten werden können; Seminare als etwas größere Veranstaltungen (zwischen 80 und 200
Personen), die auf jeden Fall von mehreren Gruppen gemeinsam angeboten werden sollen. Offen ist noch die
Frage, ob das SF selbst wie in Porto Alegre oder auf dem ESF größere Konferenzen anbietet.
Die Veranstaltungen zu den vier
Themenbereichen folgen einem Zeitschema von jeweils 2 Stunden in vier über den Tag verteilten
Blöcken (von 9 bis 20 Uhr). Am Ende wird es darum gehen, die Diskussionen in den vier Bereichen
zusammenzuführen, um Teilergebnisse zu erzielen. Wenn dies gelänge, wäre dies gegenüber
dem bisherigen Sozialforumsprozess ein Fortschritt.
Eine Veranstaltung des Sozialforums steht
allerdings schon fest: die Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag nachmittag, auf der sich das
Sozialforum eingebettet in das WSF und ESF darstellt. Dazu sollen Redner aus Brasilien oder
Indien, Griechenland oder Italien geladen werden. Die Anzahl der Redebeiträge wird dennoch stark
begrenzt sein, dafür gibt es viel Kultur, die Veranstaltung soll den Charakter eines Open-Air-
Festivals erhalten.
Groß ist der Wunsch, am Samstag
nachmittag eine Demonstration durchzuführen mit anschließend großem Kulturprogramm. Die
genauen Umstände müssen allerdings noch geklärt werden.
Neben dem Kern der vier Themenbereiche gibt es einen Kranz von selbst verwalteten Räumen, die
eigene Abläufe haben. Angemeldet wurden bisher ein FrauenRaum und ein Sozialforum von unten.
Es wird nicht nur Seminarveranstaltungen geben
auch viel Kultur und aktionsbezogene Darbietungen, die über die Stadt verstreut sind.
Christliche Baisgemeinden bieten Gebete und Meditation an. Es wird einen Raum geben, in dem sich die in
Deutschland bestehenden lokalen und regionalen Sozialforen koordinieren können. Ein wird einen Raum
für den Dialog der sozialen Bewegungen mit den Parteien geben. Und auch das Essen soll nicht allein
unter dem Gesichtspunkt der Versorgung, sondern in seiner Bedeutung als Kulturträger und als
gesundheitlicher und ökologischer Faktor thematisiert werden. Im Laufe der Zeit werden noch weitere
Vorschläge hinzu kommen.
Die Vorbereitungskonferenz in Erfurt hat
bekräftigt, dass sie auf der Basis der Charta von Porto Alegre arbeitet. Das betrifft auch den in ihr
enthaltenen Satz: »Weder Repräsentanten von Parteien noch militärische Organisationen
können am Forum teilnehmen.« Zwar gab es in Erfurt Versuche von Vertretern linker Parteien,
diesen Grundsatz aufzuweichen. Doch er stieß auf massiven Widerstand. Es bleibt also bei der Praxis,
dass Parteien keine Veranstaltungen durchführen können nur Jugendorganisationen,
Stiftungen und Medien.
Es hat sich herumgesprochen, dass das
Sozialforum keine Beschlüsse faßt. Der Drang, die Niederlage im Widerstand gegen die Hartz-
Gesetze aufzuarbeiten, Strategien und Organisationsformen zu diskutieren und die soziale Bewegung gegen den
Neoliberalismus ein Stück vorwärts zu bringen, ist jedoch groß. Deshalb wurde in Erfurt
beschlossen, dass es auf jeden Fall eine Versammlung der sozialen Bewegungen geben soll. Ob diese mehr
leisten kann als nach bisherigem Muster einen Aktionskalender zusammenzutragen, wird sich zeigen.
Jedenfalls wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich Gedanken über einen möglichen Ablauf
dieser Versammlung machen soll. In Erfurt war das Interesse groß, eine Überwindung der
Zersplitterung und eine Verstetigung der Widerstandsarbeit zu erreichen.
So baut sich das 1.Sozialforum in Deutschland
allmählich auf. Als Forum gegen den Neoliberalismus will es alle gesellschaftlichen Gruppen umfassen,
die vom Großkapital angegriffen werden also »sozial« im umfassenden, nicht im
eingeschränkten Wortsinn sein. Letzten Endes geht es darum, nach dem Scheitern des sog. real
existierenden Sozialismus und dem Überlaufen der Sozialdemokratie ins Lager des Liberalismus ein
neues, gesellschaftsveränderndes Subjekt zu schaffen. Dies ist ein langfristiges Projekt, in dem die
Akteure ihre Partner kennen lernen und durch regelmäßigen Austausch eine stetige Kooperation
entwickeln müssen.
Schließlich stellt sich das Sozialforum
in Deutschland von vornherein in den Kontext des WSF und des ESF. Das Ausland signalisiert hohes Interesse
für Erfurt, und wir wollen unsere Freundinnen und Freunde aus den Nachbarländern und von weiter
her einladen, mit uns zusammen zu diskutieren. Denn eine der Grundüberzeugungen, auf denen das
Sozialforum beruht, ist, dass wir unsere gesellschaftlichen Probleme nicht mehr im nationalstaatlichen
Rahmen lösen können.
Hauptinstrument der Kommunikation wird in den
nächsten Monaten das Internet sein. Alle Angebote für Veranstaltungen und Räume sollen auf
die Webseite gestellt werden. Dort wird auch veröffentlicht, wie das Anmeldeverfahren funktioniert und
wie sich das Sozialforum finanzieren will. Als Werbemittel steht ein Flyer mit Logo und Aufruf im Netz
abrufbar bereit. Weitere Werbemittel folgen.
Angela Klein
www.sozialforum2005.de
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