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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2005, Seite 8

Dresden gedenkt

Schutz für Nazis

Die bürgerliche Presse sonnt sich nach dem schwierigen Tag in Dresden im Gefühl, gegenüber den Nazis die »Macht der Bilder« behauptet zu haben. Um die Welt ging vor allem das Bild von mehreren zehntausend Menschen, die sich am 13.Februar um 10 Uhr nachts, der Uhrzeit zu der die Bombardierung der Stadt vor 60 Jahren begann, auf dem Theaterplatz vor der Semperoper mit Kerzen versammelten.

Der Konsens der politischen Eliten zum 60.Jahrestag lautet: Wir feiern mit den Alliierten den Sieg über Nazi-Deutschland, weil wir mit diesem Deutschland nichts (mehr) zu tun haben. Alle im Bundestag vertretenen Parteien betonen, über das Gedenken an die Opfer der Bombennacht dürfe nicht vergessen werden, dass der Krieg von Deutschland ausgegangen sei, bevor er in Deutschland ankam. Das Trauern um die Toten von Dresden schließe das Trauern um die Toten von Auschwitz ein.
Das war auch der Tenor des Protestmarschs »GehDenken« am Sonntag nachmittag, zu dem Gewerkschaften, Parteien, Stadtverwaltung und Kirchen aufgerufen hatten und dem 8000—10.000 Menschen gefolgt sein sollen. Beim Gedenken am Abend im Kerzenschein waren Transparente ausdrücklich nicht zugelassen, über die Trauer kam man da nicht hinaus.
Ein Ansatz, Naziaufmärsche zu verhindern, ist das nicht. Wie gewohnt hat die Stadt auch an diesem Tag das Demonstrationsrecht für Nazis verteidigt. Ihre Demo konnte ungestört verlaufen, etwa 5000 Nazis wurden von 4000 Polizisten geschützt. Eine kleine, ausschließlich auf friedlichen Protest orientierte Gruppe von Antifaschisten wollte das nicht hinnehmen und hatte bei der Polizei angemeldet, in einem gewissen Abstand hinter der Nazi-Demo her laufen zu wollen — mit eigenen Transparenten und Flugblättern.
Diese Gruppe stützte sich auf die Erfahrungen aus den Montagsdemonstrationen. Da war dem Aktionsbündnis gegen Sozialraub und den Euromärschen, die die Montagsdemos angemeldet hatten, verwehrt worden, Nazis, die sich jeden Montag an das Ende der Demonstrationen anhängten, an der Teilnahme zu hindern. Die Stadtverwaltung drohte damit, die Demonstrationen vollständig zu untersagen, wenn den Nazis ihr »Demonstrationsrecht« verweigert würde.
Diese Argumentation, meinten die Antifas, müsste auch umgekehrt gelten, wenn sie denn Bestand haben sollte. Da hatten sie sich geirrt. Die Polizei verhielt sich ihrem Ansinnen gegenüber zunächst reserviert und setzte durch, dass sie ihre Transparentstöcke entfernten. Später kam der Polizeichef und verkündete, die Veranstalter (also die Nazis) hätten was dagegen, dass Linke hinter ihnen laufen. Darauf folgte für die Antifas, die sich die ganze Zeit ausschließlich friedlich verhalten hatten, ein Platzverweis, der sich fast auf die gesamte Innenstadt erstreckte, und zwar für den Zeitraum von 11 bis 24 Uhr, sodass die Antifas auch abends an der Gedenkveranstaltung nicht mehr teilnehmen konnten.
In der nachgelieferten schriftlichen Begründung behauptete die Polizei: »Durch Ihr Handeln störten Sie in erheblichem Maße die Durchführung der von der Landeshauptstadt Dresden genehmigten Veranstaltungen sowie das in diesem Zusammenhang Tätigwerden der beauftragten Sicherheits- und Ordnungskräfte … Ein besonders hohes Maß an Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit für die Gedenkveranstaltungen ergibt sich daraus, dass deren Charakter des stillen Gedenkens bereits durch verbale Auseinandersetzungen empfindlich gestört würde. Die von Ihnen ausgehende Störung ist der Würde des hohen Gedenktags abträglich und wird von der Bevölkerung Dresdens als eine unverträgliche Beeinträchtigung des an diesem Tag besonders intensiven und schmerzlichen Gedenkens an die Zerstörung ihrer Stadt empfunden werden. Der Stellenwert des hohen Gedenktags gebietet einen umfassenden Schutz der von der Landeshauptstadt Dresden genehmigten Aufzüge und Gedenkveranstaltungen.«
Die Nazis konnten auf ihrer Kundgebung ungestört amerikanische Bomberpiloten mit SS-Aufsehern in Konzentrationslagern vergleichen. Der NPD- Abgeordnete Holger Apfel hielt fast genau dieselbe Rede, die am 21.Januar 2004 für den Eklat im sächsischen Landtag gesorgt hatte. Das war für die Landeshauptstadt »schutzwürdig«.

Angela Klein

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