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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2005, Seite 21

Zur Vorstellung des Terrors

Die RAF-Ausstellung, Kunst-Werke Berlin, Auguststr.69, Di—So 12—19 Uhr

Die derzeit in Berlin zu besichtigende RAF-Ausstellung »Zur Vorstellung des Terrors«, zusammengestellt von Klaus Biesenbach, Ellen Blumenstein und Felix Ensslin, hat im Vorfeld zu heftigen Auseinandersetzungen und zahlreichen Versuchen von konservativer Seite geführt, die Ausstellung zu verhindern. Angeblich würden hier Opfer und Täter auf eine Stufe gestellt und die RAF legitimiert. Dem Projekt wurden die öffentlichen Fördermitteln entzogen. Es musste deshalb um ein Jahr verschoben werden und sich durch eine Auktion finanzieren.
Betrachtet man die Ausstellung, versteht man die Attacken. Denn die Ausstellung zerfällt in zwei Teile. Zum einen muss man ein paar Treppen hinunter steigen, er liegt damit etwas abseits: er betrifft die Dokumentation. Drei lange Wände sind mit Zeitungsseiten von Bild, FAZ, Süddeutsche Zeitung, Stern, Bunte, Spiegel u.a. tapeziert, begleitet von damaligen Fernsehberichten, darunter auch Aktuelle Kamera und Schwarzer Kanal.
Diese Wände lassen auf beklemmende Weise das damalige Klima noch einmal lebendig werden und machen auch im Abstand von 30 Jahren noch deutlich, auf welchem Nährboden die RAF gedeihen konnte: das autoritäre Spießertum der Wirtschaftswunderjahre, die Tabuisierung der Auseinandersetzung mit der Nazizeit in allen gesellschaftlichen Bereichen, die Erfahrung repressiver Strukturen in Familie, Hochschule, Fürsorge, Psychiatrie, Strafrecht — alles Bereiche, die später Gegenstand der sozialliberalen Reformen wurden.
Im Keller erfährt man: Die RAF ist nicht denkbar ohne ihren Widerpart Hanns-Martin Schleyer, Nazi und SS-Mitglied, der hier für den Umgang der BRD mit der Nazi-Vergangenheit schlechthin steht. Diese Dokumentation, obgleich sie ausschließlich aus bürgerlichen Quellen schöpft, ist eine geballte Anklage auch gegen die herrschenden Verhältnisse in der BRD. Sie rückt die RAF in ihren Kontext.
Leider kann man das über den Rest der Ausstellung nur bedingt sagen. In den oberen Etagen kommen Künstler zu Wort, von denen nur noch wenige diesen Zusammenhang herstellen. Stattdessen werden Details aus dem Leben der RAF beleuchtet: die Ausstattung einer konspirativen Wohnung, die Viertel, in denen sie gelegen waren, die Bemerkungen der Nachbarn, die Musik, die in den Jahren »in« war, die Todesnacht in den Zellen in Stammheim, u.ä.m. Nett, aber banal. Wenige Ausstellungsstücke fallen hier aus dem Rahmen wie die von Katharina Sieverding, Gerhard Richter, Hans Feldmann oder Lutz Dammbeck.
Auch die Darstellung der Opfer — ausgiebig Schleyer in verschiedenen Videos — konzentriert sich auf den Moment der Entführung und »vergisst« den Rest ihrer Biografie. Je höher man in den Stockwerken kommt, desto unpolitischer wird es. Am Schluss, in luftiger Höhe, triumphiert das »abstrakte Denken«, die Darstellung der »Gewalt an sich«: ein Film über Flugzeugentführungen von Mogadischu bis zum 11.9. Die RAF als Vorläuferin von Al Qaeda, der Krieg gegen den Terror als allgegenwärtige Konstante der jüngsten Geschichte.
Über die RAF und die von ihr ausgeübte Gewalt erklärt dieser Teil der Ausstellung wenig. Er sagt mehr über die Entpolitisierung der Auseinandersetzung mit ihr. Ein wenig entschuldigen sich die Kuratoren für dieses Herangehen: »In der Regel wurde die Geschichte der RAF über Massenmedien erfahren. Die Ausstellung richtet ihren Blick auf diese Erfahrungen«, schreiben sie in der Einleitung zum Ausstellungskatalog.
Doch weder das Medium Presse noch das Medium Kunst und ihre Art der Darstellung werden kritisch reflektiert. Stattdessen arbeitet sich manches an der medialen Selbstdarstellung der RAF ab, und kommt dabei über das »Spiel mit den Medien« nicht hinaus. Die Entfernung des Zeichens von seiner Bedeutung will ein Markenzeichen der Ausstellung sein.
Größter Stein des Anstoßes war für die bürgerliche Öffentlichkeit der Raum Die Toten. Er zeigt 92 Fotografien von Menschen, die zwischen 1967 und 1993 »im Zusammenhang mit dem bundesdeutschen Terrorismus« ihr Leben gelassen haben. Es ist einer der wenigen Orte, die zu einer qualifizierten kritischen Auseinandersetzung mit der RAF-Strategie einladen.

Angela Klein

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