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Zum 125-jährigen Firmenjubiläum verkaufte der industrielle
Mischkonzern Linde im Oktober seine Kältesparte an die US-Firma Carrier Corporation, eine
Tochtergesellschaft von United Technologies (u.a. Otis/Aufzüge, Pratt& Whitney und Hamilton
Sundstrand/Flugzeugindustrie, Sikorsky/ Hubschrauber).
Knapp 6 Monate nach der Übernahme sind
1300 Arbeitsplätze an den Standorten Kostheim bei Wiesbaden und Köln gefährdet. Während
Linde-Chef Reitzle im vergangenen Herbst noch beruhigend meinte, durch den Verkauf die dauerhafte Existenz
der Kältetechnik zu sichern, sieht die Zukunft für die Beschäftigten heute düsterer als
erwartet aus.
Die Produktion von Kühlmöbeln
für den Handel soll komplett nach Tschechien verlagert werden, die in Köln hergestellten
Kühlsysteme sollen in Zukunft in der Nähe von Marseille gebaut werden. Als sich im Oktober
herausstellte, dass die Grundstücke, Büros und Produktionsstätten nicht zum Verkauf
gehörten, sondern lediglich angemietet wurden, gab es erste vage Befürchtungen.
Diese wurden dadurch verstärkt, dass im
Winter Abordnungen aus den USA eintrafen, die die Betriebe von oben bis unten durchleuchteten. Das
Ergebnis: Tiefrote Zahlen seit 2002, unwirtschaftliche Produktion und zu hohe Lohnkosten.
Den dabei angewandten Zahlentricks wurde von
Seiten der Betriebsräten und der IG Metall widersprochen: Die für die gesamte Kältetechnik
zuständigen Abteilungen wie Entwicklung, Marketing und Vertrieb wurden lediglich Kostheim und
Köln zugerechnet, tschechische Arbeitszeiten wurden zum Kostenvergleich herangezogen, wo der
Kölner Betrieb mit dem in Marseille verglichen werden sollte. Ziel ist es, die Belegschaft der
Kältetechnik der Neuorientierung von Linde und Carrier zu opfern.
Nach der Boomphase seit 1989, in der die Linde
KT auf dem ostdeutschen und osteuropäischen Markt expandierte, ist das Interesse des Konzerns mangels
den Aktienkurs vorantreibenden Wachstumserwartungen an dieser Sparte erloschen. Reitzles Hauptorientierung
ist die Sparte Gase, die bei einer 25%igen Rendite und einem Gewinnanteil von 80% die Zukunft des Konzerns
ausmachen soll.
Auf diese Orientierung deutet die
Ankündigung der letzten Wochen hin, entlang der Autobahnen flächendeckend Wasserstofftankstellen
aufzubauen und die Spekulation, Linde könne sich mit dem britischen Gasanbieter BOC zu einem
Marktführer zusammenschließen.
Carrier, der auf dem US-amerikanischen Markt
eine dominante Stellung innehat, ist in Europa hauptsächlich mit Klimatechnik präsent, braucht
den Namen Linde KT lediglich, um hier in den Kältebereich vorzustoßen.
Kurz nach Karneval war dann Schluss mit
lustig. Carrier macht ernst. Mitte Februar wurden die Beschäftigten auf halbstündigen
Belegschaftsversammlungen von den Carrier-Planungen informiert. Am 7.März gab es in Köln-
Sürth eine von der IG Metall und dem Betriebsrat organisierte Demonstration und Kundgebung, an denen
ca. 800 Menschen auch aus anderen Kölner Betrieben und dem Ort teilnahmen.
Da es nichts mit Kölsch zu feiern gab,
blieb der CDU-OB der Veranstaltung fern. Die SPD-Bürgermeisterin Scho- Antwerpes klagte den
Industriestandort Köln ein, nachdem von der Partei jahrelang der Medienstandort als
Arbeitsplatzmaschine gefeiert und gefördert wurde und diese vorübergehende Luftblase mit dem
Wegzug von VIVA nach Berlin zu platzen beginnt.
Auch die wortradikale Rede der
sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Lale Akgün endete damit, beim Wirtschaftsminister Clement
um einen Termin zu ersuchen. Anhaltenden Applaus gab es für den Betriebsratsvorsitzenden Hans-Gert
Bude und Witich Rossmann von der IG Metall, die in ihren Beiträgen ankündigten, gegen
Entlassungen und Betriebsschließungen Widerstand leisten zu wollen:«Wir werden nicht wie die
Lämmer zur Schlachtbank laufen.«
Udo Bonn
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