SoZSozialistische Zeitung |
Lateinamerika ist musikalisch angesagt und Crossover sowieso. Davon
künden erfolgreiche Sampler wie Kaminas Russendisco II der den Ska zur tanztreibenden Musik in der
»Russendisco« macht. Daher ist es kein Wunder, dass Radiostationen und Labels, die auf diesem
Feld zu Hause sind, Zusammenstellungen veröffentlichen.
Beim Label Putumayo haben die erfolgreichen
Produktionen Afro Latino und Congo to Cuba mit Afro Latin Party eine Ergänzung bekommen. Im typischen
Putumayo-Design mit umfangreichem Booklet in Spanisch, Englisch und Französisch gibt es unter anderem
kroatische Salsa, kubanischen Ska und Mambo aus Portland, USA ein Lauf durch die verschiedenen
lateinamerikanischen Tänze und ihre afrikanischen Wurzeln. Drei Lieder steuert die Gruppe Africando
mit unterschiedlichen Gästen bei.
Als Ibrahim 1992 Africando gründete war
er einer derjenigen, die den Weg bereiteten für eine musikalische Fusion, die kulturelle
Hybridisierungen aus möglichen und unmöglichen Mischungen afrikanischer und lateinamerikanischer
Musikstile hervorbrachte, die heute wahrgenommen werden, als hätte es sie schon seit Menschengedenken
gegeben.
Von Dakar nach Havanna wird hier ein
spannungsgeladenes musikalisches Drunter und Drüber geboten, das unverschnörkelt aus einem Guss
daherkommt. Kein experimentelles Album, sondern eine Werkschau, die die klassische musikalische Verbindung
zwischen den beiden Kontinenten in jedem Stück neu erschafft.
Zusammengewürfelter ist da Latin Garden,
eine Zusammenstellung der Funkhaus-Europa-Moderatorin Gülbahar Kültür. Nach Made in Turkey
und Harems secret die dritte Zusammenstellung der genialen DJane. Auf zwei CDs tummeln sich 42
Lieder. Selten nur kommt das Gefühl auf, das Stück schon einmal gehört zu haben.
Latinomusik, nicht nur aus Lateinamerika, sondern Ausflüge der Latinorhythmen nach Belgien,
Deutschland, England, Griechenland, Indien, Japan, Russland und in die Türkei finden wir auf der
Doppel-CD. Überschneidung zur Putumayo-CD gibt es lediglich bei einer Band. Ska Cubano, diese Mischung
aus kubanischen, jamaikanischen und britischen Musikern, verliert zu Recht mehr und mehr ihren
Geheimtipstatus.
Auch wenn auf dieser Zusammenstellung
Popgrößen wie Nusrat Fateh und Angélique Kidjo zu finden sind und das ein oder andere Lied
auf Kaufhausbackground zu entschwinden droht, ist hier eine Zusammenstellung gelungen, die kaum die Gefahr
anderer Sampler in sich birgt, dass bereits ein Teil der Lieder auf einer anderen CD im heimischen Regal
wiederzufinden ist.
Echtes Manko bei dieser CD ist das
aufklappbare Cover, das nicht mehr als die Titel und die Künstler und Künstlerinnen preisgibt.
Bei einer solchen exotischen Zusammenstellung kann sich Lolas world sehr wohl bei Putumayo mit seinem
31-seitigen Booklet eine Scheibe abschneiden. Dennoch für die Liebhaber lateinamerikanischer Tanzmusik
sind die beiden Alben unverzichtbar.
Dennoch möchte ich auf einen Sampler
hinweisen, der seit fünf Jahren immer mal wieder in meinem CD-Player landet. Unter dem knappen Titel
Fuerza veröffentlichte Virgin im August 2000 einen Sampler, auf dem das Label seine globalen
Globalisierungsgegner versammelte. Von Nordafrika über Lateinamerika geht es nach Spanien und
Frankreich. Zugegeben, die Produktion ist nicht mit dem gleichen Feingefühl abgestimmt wie der Latin
Garden und nicht von der homogenen Art wie Afro Latin Party, aber sie gibt einfach mehr die Stimmung
wieder, die zur heutigen Beliebtheit des Mestizo-Rock und der Fusion progressiver europäischer
Rockmusik mit Latinobewegungsrhythmen geführt hat. Auch wenn Virgin 1992 vom Multi EMI geschluckt
wurde, ist es besonders Virgin France, die von Mano Negra bis Asian Dub Foundation viele wichtige Bands in
die Plattenläden brachte und auch Musiker wie Stephan Eicher unter Vertrag hat, der in Deutschland
sicherlich bei keinem Major-Label unterkäme.
Die CD strotzt nur so von Vitalität und
wenn auch das »Hasta Siempre« als Reggae von King Mafundi nicht so überzeugen kann.
Dafür gibt es auch auf dieser CD Schätze wie King Changos »Venezuelan in NY«, eine
Coverversion von Stings »Englishman in New York«, die Pseudoprobleme eines englischen Teetrinkers
in New York in die handfesten Probleme eines illegalen Latinos in der gleichen Stadt transformiert.
Drei Produktionen, die unterschiedliche
Facetten der musikalischen Brückenschläge zwischen den Erdteilen mit dem Focus auf Lateinamerika
erklingen lassen und die jede für sich eine Bereicherung darstellt, aber den gesamten Reichtum, der
durch diese Brücken erschlossen wird, erst zusammen erschließen.
Thomas Schroedter
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04