SoZSozialistische Zeitung |
Als im April 2004 die Folterbilder aus dem irakischen US-
Militärgefängnis Abu Ghraib um die ganze Welt gingen, beherrschten zwei Fragen die Diskussion:
Wer hat dies befohlen und warum? US-Präsident Bush kam ordentlich in Bedrängnis,
Großbritanniens Premier Blair stürzte sogar fast über diese Enthüllungen. Seitdem ist
viel Zeit »ins Land gegangen«. Bush und Blair wurden nicht gestürzt, sondern beide in
demokratischen Wahlen wiedergewählt. Und die verantwortlichen US-Offiziere wurden von einer eilends
einberufenen Untersuchungskommission der US-Armee (!) von jeder Mitschuld entlastet. Die Großen wurden
laufen gelassen und in ihren Ämtern bestätigt, den Kleinen der Prozess gemacht.
Die meisten der unmittelbar Tatbeteiligten,
fast vollständig niedrige Dienstgrade und Gefreite, sind mittlerweile zu Haftstrafen zwischen sechs
Monaten und sechs Jahren verurteilt. Der unmittelbare Anführer dieser Menschenrechtsverbrecherbande,
Charles Graner, wurde degradiert und unehrenhaft aus der Armee entlassen. Er verlor alle seine finanziellen
Ansprüche und muss für zehn Jahre ins Gefängnis.
Größeres Aufsehen erregte der
Prozess gegen die junge US-Soldatin Lynndie England, die als knabenhafte Domina mit der Hundeleine zum
Sinnbild des Folterskandals geworden war. Ihr Prozess erlaubte einen tiefen Einblick in die Mechanismen und
Abgründe des Skandals. Die junge England offenbarte sich dabei als »schlichte« Person, als
Mädchen, das, wie die FR schrieb, »alles mit sich machen ließ. Und das dann alles mit
anderen machte.« Von ihrem Vorgesetzten Graner schwanger und später allein gelassen, wurde sie
zum willigen Vollstrecker und ließ sich nicht nur beim Erniedrigen und Foltern fotografieren, sondern
gleich auch beim Sex mit Graner. Als die nun junge Mutter ihre zu erwartende Haftstrafe soweit wie
möglich senken wollte, ging sie ab von ihren bisherigen Erklärungen, dass sie »nur«
Befehle befolgt habe, und gestand ihre Schuld ein.
Doch was an der Oberfläche wie das
unrühmliche Ende eines Skandals daherkommt, ist einmal mehr und anders betrachtet eine (traurige)
Offenbarung.
Es ist die Geschichte einer Armee, in der die
Grundrechte und die Menschenwürde mit Füßen getreten werden, der »Bürger in
Uniform« sich aber weder wehrt noch beschwert. Es ist die Geschichte jener für das Militär
typischen Erziehung zu Gehorsam, Unterordnung und Gewaltbereitschaft, die keiner formalen Folterbefehle
bedarf, da sie auf den »mündigen«, d.h. flexiblen, effizienten, allzeit bereiten und zu
jedem vermeintlich notwendigen Mittel greifenden Einzelkämpfer setzt, der nicht nur das Leitbild des
Militärs, sondern auch das des neoliberalen Menschenbilds ist. Wo der Lebensstil zum
Überlebensstil wird, wird die Kultur zum Trainingslager für soldatische Verhaltensformen. Auch
wenn jeder einzelne Mensch für sein Tun verantwortlich ist, er ist es bekanntlich nur bedingt
erst Recht, wenn er Soldat ist. Die Verantwortung auf die Gefreiten abzuwälzen, spricht deswegen jeder
Vernunft Hohn.
Doch warum diese Bilder? Die Prozesse haben
auch dies deutlich offenbart. Die Aussagen der Angeklagten und ihrer Zeugen haben deutlich gemacht, dass es
darum ging, die irakischen Gefangenen zu »kontrollieren«, sie für die Verhöre mit
diesen Sinnbildern US-amerikanischer Dominanz »weich zu klopfen« O-Ton! Und Lynndie
England? »Sie haben sie ausgesucht, weil sie die kleinste, jüngste, vom Dienstgrad her niedrigste
Frau war, und weil das die Erniedrigung für die irakischen Männer vergrößert hat«,
erklärte ihre Verteidigerin.
Wie kann man eine solche Demonstration der
Macht noch überbieten? Indem man der Welt zeigt, dass man die kleinen Täter hängen und die
wirklich Verantwortlichen laufen und sich wiederwählen lässt. Das ist die Fortsetzung der Folter
mit anderen Mitteln.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04