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Wenn diese SoZ erscheint, dann wird die Wahl in NRW gelaufen sein. Im Moment sieht es so aus, als
würde die SPD die Wahl verlieren, die WASG aber nur eine bescheidene Anzahl von Stimmen einfahren.
Wäre das Projekt der Wahlalternative damit nicht gescheitert?
Für mich bleibt bis zum Tag der Wahl offen, wie das Ergebnis aussieht. Viele Wählerinnen
und Wähler sind noch unentschieden. Das Flugblatt der WASG mit der weitesten Verbreitung wird der
Wahlzettel sein. Niemand kann vorhersehen, wie viele Menschen ihr Kreuzchen bei der Wahlalternative
für Arbeit und soziale Gerechtigkeit machen werden. Darüber hinaus ist aber die WASG heute mit
bundesweit 5500 und in NRW mit 1200 Mitgliedern ein konsolidierter politischer Ansatz mit einer engagierten
Mitgliedschaft, die sich nicht davon entmutigen lassen wird, wenn der erste Versuch des Antretens bei
Wahlen nicht so berauschend ausfallen sollte.
In der Öffentlichkeit findet die WASG kaum statt, und wenn man in der Presse etwas findet,
dann geht es um interne Querelen, um die Frage der Doppelmitgliedschaften oder die Ausgrenzung von Gruppen
der sozialistischen Linken.
Leider werden die Steilvorlagen der politischen Gegner, der neoliberalen Blockflöten, kaum
genutzt. Allzuviel Energie wird verschwendet, um Initiativen von unten abzublocken oder um gegen sog.
»Linkssektierer« Stimmung zu machen. Basisdemokratische und linke Kräfte in der WASG waren
es, die seinerzeit gegen die Zauderer in den Vorständen durchgesetzt haben, dass überhaupt
bereits in NRW zur Wahl angetreten wird. Auf dem Parteitag in Dortmund wurde wiederum ängstlich darauf
verzichtet, richtig in die Medien und in die öffentliche Diskussion zu kommen. Meiner Meinung nach hat
die WASG mit einer Führungsschwäche zu kämpfen. Wir brauchen besseres öffentliches
Auftreten und einen integrativen Führungsstil und ein lebendiges Parteileben. Zahlreiche inhaltliche
Vorschläge und Forderungen werden in der WASG breit getragen. Das Vorhandensein verschiedener
strategischer Ansätze sollte toleriert werden. Die WASG muss sich von den verkrusteten und
autoritären Strukturen der etablierten Parteien abheben. Wir müssen lernen, die Menschen für
Alternativen zur neoliberalen Katastrophenpolitik zu begeistern.
Du vertrittst antikapitalistische Positionen, während sich das vorläufige offizielle
Programm die WASG auf keynesianische Rezepte und einen systemimmanenten Ansatz festlegt. Die PDS hingegen,
die ja ebenfalls in NRW antritt, beruft sich auf das Ziel eines demokratischen Sozialismus. Müsstest
du nicht eher dafür eintreten, PDS zu wählen?
Ich war ja selbst PDS-Mitglied und habe gemerkt, dass die PDS zumindest im Westen nie
»angekommen« ist. Ihre Teilnahme an Regierungen des Sozialabbaus in Mecklenburg-Vorpommern und in
Berlin bedeutet natürlich darüber hinaus einen gewaltigen Glaubwürdigkeitsverlust. Was die
WASG betrifft, so bin ich eben dagegen, dass sie sich rasch auf ein bestimmtes strategisches Konzept
antikapitalistisch, keynesianisch, reformistisch, revolutionär festlegt. Denn niemand kann auf
eine historische Erfolgsstory seines Konzepts verweisen. Wir brauchen deshalb eine mittel- bis langfristig
angelegte Debatte, die geschichtliche, aber auch neuere gemeinsame Erfahrungen im Kampf um unsere
Forderungen auswertet. Eine Debatte ohne Ausgrenzungen, wohlgemerkt.
Wie Sabine Lösing vom Bundesvorstand der
WASG kürzlich in einem Zeitungsinterview gesagt hat, können im gegenwärtigen Kapitalismus
auch »bescheidene« Forderungen systemsprengend wirken. Ich würde hinzufügen: zumindest
dann, wenn viele Millionen Menschen für solche Forderungen wie etwa die radikale
Arbeitszeitverkürzung oder eine massive Umverteilung von oben nach unten auf die Straße gehen.
Wie soll es nach der NRW-Wahl weiter gehen? Müssten sich WASG und PDS nicht doch
zusammentun, damit eine Partei links von der SPD bei den kommenden Bundestagswahlen überhaupt die
Chance hat, die 5%-Hürde zu nehmen?
Ich bin für ein breites linkes Bündnis. Allerdings darf das nicht Sache einer kleinen
»Elite« von Promis und Halbpromis sein, wo die Basis dann in der Presse erfährt, was Sache
ist. Das muss vielmehr in der ganzen Mitgliedschaft breit diskutiert werden. Diejenigen, die bestimmte
Varianten vorschlagen, müssen sich in den Regional- und Kreisverbänden der Diskussion der
Mitglieder stellen. Meiner Meinung nach sollte die WASG der PDS ein Zusammengehen zu den Bundestagswahlen
unter zwei Bedingungen vorschlagen: Erstens muss die PDS die Übernahme politischer Mitverantwortung
für eine sozialdemokratisch geführte Sozialräuberregierung zumindest für die
Bundesebene verbindlich ausschließen. Zweitens dürfen WASG und PDS die Sache nicht als Top-Down-
Projekt durchziehen. Vielmehr muss der demokratische Willensbildungsprozess in der Mitgliedschaft im
Vordergrund stehen.
Klaus Ernst, Gründungsmitglied und bekanntestes Vorstandsmitglied der WASG, hat wiederholt
gefordert, die WASG müsse »Sozialstaatspartei« sein und Gruppen mit revolutionären
Ansichten hätten darin nichts verloren.
Auch ich habe das Gefühl, dass Klaus Ernst in solchen Fragen zu sehr intern polarisiert,
weshalb er ja auch in Dortmund mit nur noch sehr schwachem Ergebnis wiedergewählt worden ist. Sein
Hauptargument ist, dass antikapitalistische Positionen derzeit in Deutschland nicht mehrheitsfähig
sind. Daraus ergibt sich dann vorsichtige Zurückhaltung, während der SPD-Vorsitzende Franz
Müntefering uns mit seiner rein verbalen »Kapitalismuskritik« (es war in Wirklichkeit nur
Kritik am Verhalten bestimmter Kapitalisten) die Schau stiehlt und eine öffentliche Debatte
auslöst. Anstatt intern zu polarisieren, sollten wir besser die öffentliche Debatte polarisieren
und mit unserer Kritik am kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem nicht hinterm Berg halten.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
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