| SoZSozialistische Zeitung |
Mit einem Erfolg endete die Tarifrunde in der nordwestdeutschen
Stahlindustrie. Mit zwei Warnstreiks erkämpfte die IG Metall eine Einmalzahlung von 500 Euro für
die Monate Mai bis August und 3,5% ab September für weitere 12 Monate. Auch die Auszubildenden,
für die die IG Metall zunächst keine Forderung aufgestellt hatte, erhalten 100 Euro
Einmalzahlung. Auf dem Hintergrund einer sehr hohen Auslastung, enormer Gewinne, vor allem im
Exportgeschäft, und milliardenschwerer Investitionsvorhaben in der Branche fürchtete die
Kapitalseite ganz offensichtlich den Streik. Die IG Metall hatte bereits das Scheitern der Verhandlungen
erklärt und ab dem 19.5. die Urabstimmung angesetzt. Doch noch zum Ende der 18.Woche kam es auf
Initiative des AGV Stahl zu neuen Gesprächen.
Bedeutende Kräfte des Tarifbereichs, zu
dem NRW, Niedersachsen und Bremen gehören, wollten sich dieses Mal nicht mehr mit den schlechten
Ergebnissen der Vergangenheit abspeisen lassen. Nach dem provokatorischen Angebot von 1,9% über 19
Monate und einer Einmalzahlung erstreckten sich die beiden Warnstreikwellen zum Teil über zwei ganze
Schichten und verursachten erhebliche Produktionsausfälle.
Branchenführer ThyssenKrupp Stahl (TKS)
mit seinen Hauptwerken in Duisburg konnte im Geschäftsjahr 2003/04 allein im Stahlbereich einen Gewinn
von 911 Millionen Euro verbuchen. Das Ergebnis im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahrs
(OktoberDezember) wurde sogar von 114 auf 351 Millionen Euro verdreifacht. Aber auch die
Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM), Mittal-Langprodukte (früher ISPAT), Mannesmann-Vallourec,
Salzgitter Stahl, die Großmann-Gruppe und die Bremer Hütte (Arcelor-Konzern) stehen gut bis sehr
gut da, trotz hoher Rohstoffpreise.
Ein Ende des weltweiten Stahlbooms ist nicht
absehbar. Er wird besonders gespeist durch die atemberaubende Konjunktur in China. Die Weltproduktion liegt
inzwischen bei über 1 Milliarde Tonnen. Um die hohen Preise zu halten, wird die Produktion bei den
europäischen Stahlerzeugern bereits künstlich verknappt. Ohne große Umstände wurden
unlängst weitere Preiserhöhungen durch die Erzlieferanten von über 70% geschluckt. Die
Investitionen sind beträchtlich: So baut TKS in Duisburg einen neuen Hochofen, ein neues Stahlwerk bei
Rio in Brasilien und die HKM wollen ihre Kokereikapazitäten verdoppeln.
Die IG Metall hatte durch ihre schwache
Tarifpolitik in den letzten Jahren stark an Ansehen eingebüßt. Ihre zögerliche Haltung im
Kampf gegen den Sozialabbau (Agenda 2010) und die einseitig kapitalfreundliche Schröder-Regierung
taten ein Übriges. Trotz Rekordauslastung hielten Personalabbau, »Flexibilisierung« und
Lohndrückerei (u.a. durch Arbeitszeitänderungen und billigen Leiharbeitnehmereinsatz) an. Dies,
obwohl die Lohnkosten z.B. bei TKS nur noch 11% betragen. Die jahrelange Lohnzurückhaltung hat
für die Belegschaften letztlich nichts gebracht, aber sehr viel für die Großaktionäre
und Vorstände. Letztere wissen auf jeden Fall, was sie sich wert sind. Sie hatten sich ihre
Bezüge schon vor der Tarifrunde zweistellig erhöht, bei TKS um die 30%, Konzernchef Schulz sogar
um über 70%. Der Tarifabschluss wird in den Belegschaften als Erfolg betrachtet, obwohl er, relativ
betrachtet, bescheiden bleibt gegenüber der Gewinnsituation. Die IG Metall kann bereits eine ganze
Reihe Neu- und Wiedereintritte verzeichnen. Dies dürfte auch die Stellung des neuen Bezirksleiters
Detlef Wetzel stärken. Auf der Kapitalseite v.a. bei Gesamtmetall fürchtet man die
beispielgebende Wirkung auf andere Branchen.
Hermann Dierkes
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