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Wenn in Uruguay jemand fotografiert wird, dann sagt er nicht
»Cheese« sondern »Whisky«. Auch in diesem Film werden eine Reihe von Fotos gemacht, so
kommt der Film zu seinem Titel. Man könnte auch meinen, da sich die Leute in einem Film befinden und
gewissermaßen ständig fotografiert werden, sagen sie unhörbar die ganze Zeit
»Whisky«, um zumindest ein Lächeln vorzutäuschen. Denn wir haben es bei den
Protagonisten mit drei sehr einsamen Menschen zu tun. Wer jetzt allerdings eine tieftraurige Tragödie
erwartet, irrt sich. Der Film ist auf seine sehr stille Art durchaus auch komisch.
Die Hauptfiguren sind der Strumpffabrikant
Jacobo Köller, sein Bruder Herman und seine Vorarbeiterin Marta Acuna. »Strumpffabrikant«
hört sich allerdings in diesem Zusammenhang sehr bombastisch an. Denn Jacobos Fabrik ist eine
heruntergekommene Klitsche mit uralten Maschinen, in der außer Marta noch zwei weitere Arbeiterinnen
beschäftigt sind. Der Tagesablauf von Jacobo ist jeden Tag gleich: Er kommt zur Fabrik, wo Marta
bereits auf ihn wartet. Dann schließt er das Tor auf, sie gehen in die Fabrik, er stellt die Maschinen
an, Marta zieht sich um, Jacobo geht in sein Büro, in dem die Rolllade nicht funktioniert und das als
einzige technische Errungenschaft eine alte mechanische Schreibmaschine besitzt. Wenig später kommen
die beiden Arbeiterinnen. Abends dann kontrolliert Marta deren Taschen und verabschiedet sie jedes Mal
gleich mit: »Bis morgen, wenn Gott will.« Marta ist meistens völlig stoisch, Jacobo in der
Regel mürrisch. Geredet wird kaum. Dieser geradezu zelebrierte Stoizismus verbunden mit
ausgesprochener Wortkargheit wirkt in seiner Überzeichnung durchaus komisch. Er erinnert an die Filme
des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki, der im Abspann auch ausdrücklich erwähnt wird. Das
Temperament der Beteiligten scheint also eher »finnisch« als »typisch
südamerikanisch« zu sein. Aber vielleicht ist Uruguay ja das »Finnland
Südamerikas«.
Zum Jahrestag des Todes von Jacobos Mutter
taucht sein Bruder Herman auf. Er hat Montevideo verlassen, um nach Brasilien zu gehen, wo er, auch als
Strumpffabrikant, reich geworden ist. Zur Beerdigung der Mutter, die Jacobo bis zum letzten Tag gepflegt
hat, war Herman nicht da. Jetzt kommt er zur Grabsteinsetzung, die nach jüdischem Ritual ein Jahr nach
der Beerdigung erfolgt. Jacobo fühlt sich gezwungen, seinem Bruder, der verheiratet ist und zwei
Kinder hat, eine heile Welt vorzuspielen. So soll Marta für die Dauer der Anwesenheit des Bruders
Jacobos Ehefrau spielen, wozu sie sich ohne weiteres bereit erklärt. Herman bleibt aber länger
als erwartet und sie fahren zusammen in einen ehemals mondänen Badeort am Meer. Dort kommen sich Marta
und Herman näher, nicht aber die beiden Brüder. Das überraschende Ende des Films soll nicht
verraten werden. Nur soviel: Marta kehrt nicht in die Strumpffabrik zurück.
Es gibt eine Produktionsanekdote über den
Film, die zeigt, unter welchen Bedingungen in Uruguay Filme gemacht werden und die vielleicht den
speziellen Humor des Films ein bisschen erklärt: Der Regieassistent erklärt den anderen, dass das
Auto, das die Filmfigur Jacobo fährt ein absoluter Schrotthaufen soeben verkauft wurde.
Als die anderen verwundert fragen, wer so etwas denn kauft, bekommen sie die Antwort: »Ein
Schrotthändler«.
Der Film zeigt auch einiges über die
soziale Realität Uruguays, die nicht gerade rosig ist. Im Gegensatz zum großen Nachbarn
Argentinien gibt es in Uruguay bisher aber keinen Volksaufstand. Es gab nur mehrere Volksabstimmungen, in
denen gegen Privatisierungen gestimmt wurde und Ende 2004 wurde eine neue Mitte-Links-Regierung
gewählt, der auch einige ehemalige Angehörige der Stadtguerilla Tupamaros angehören. In
Uruguay scheint weniger die große Geste und mehr pragmatisches Handeln angesagt zu sein. Man
lässt sich nicht unterkriegen, auch wenn die Umstände noch so widrig sind. Dieser Stimmung
verleiht auch der Film Ausdruck. Man kann ihn auch als stillen Protest gegen diese Widrigkeiten sehen.
Entstanden ist so ein unspektakulärer
aber absolut sehenswerter Film, für den man kein Uruguay-Experte sein muss.
Andreas Bodden
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