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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2005, Seite

Bündnis im Bund — Eigenständigkeit im Land

Ein Bündnis mit der PDS fällt der WASG in Berlin schwer

Der konstituierende Parteitag des Berliner Landesverbands der WASG hat die Herausforderung der vorgezogenen Bundestagswahl angenommen: Die Chance für einen antineoliberalen Block der Gegner und Verlierer des neoliberalen Gesellschaftsumbaus eine parlamentarische Repräsentanz zu bekommen, soll genutzt werden, allerdings in der Art, dass die WASG dabei einen eigenständigen Wahlkampf führt.
»Der Landesverband Berlin akzeptiert die Zusammenarbeit mit der PDS auf Bundesebene zur Bundestagswahl 2005. Nach den öffentlichen Diskussionen und den nichtöffentlichen Verhandlungen besteht keine andere realistische Möglichkeit mehr, eine Opposition gegen die herrschende neoliberale Politik im Bundestag deutlich zu machen. Erwartungen und Hoffnungen von Wählerinnen und Bürgern sind an dieses Projekt geknüpft«, heißt es in dem Antrag zur Bundestagswahl, der mit 60 zu 45 Stimmen bei 17 Enthaltungen angenommen wurde.
Gleichzeitig wiesen Rednerinnen und Redner auf dem Parteitag auf die Risiken hin, die die Dynamik der politische Diskussion über ein Zusammengehen mit der PDS birgt.
Einerseits sind die Hoffnungen auf einen antineoliberalen Block groß, der die Chance hat, mit 8% der Stimmen und mehr in den Bundestag einzuziehen — eventuell sogar dritte Kraft zu werden; diese Chance muss genutzt werden. Andererseits sehen viele die Gefahr, dass die WASG dabei ihre Identität und Glaubwürdigkeit verliert.
In Verantwortung für die Linke in Deutschland ist die WASG in fast allen relevanten Fragen der PDS entgegengekommen. Wenn ihre Kandidatinnen und Kandidaten unter welchem Namen auch immer auf offenen Listen der PDS antreten, erinnert dies an das 2003 von Michael Brie entwickelte Konzept einer »PDS Plus«. Weil allein PDS-Strukturen über die Aufstellung der Kandidaten entscheiden können, tritt im Kern kein neues Linksbündnis mit zwei gleichberechtigten Komponenten an.
In dem Antrag heißt es deshalb weiter: »Sollen die Chancen, die mit der Neugründung der WASG verbunden sind, nicht verspielt werden, kann über einen organisatorischen Anschluss an die PDS erst in der Diskussion nach der Bundestagswahl und nach der Entwicklung arbeitsfähiger und handlungsfähiger demokratischer Strukturen in der WASG entschieden werden.«
Die WASG wird daher aufgefordert, zu den Bundestagswahlen einen eigenständigen Wahlkampf zu führen: u.a. mit den Themen Arbeitszeitverlängerung in Bund und Land; Erhalt der Flächentarife auf allen Ebenen; Kampf gegen die Hartz I—IV sowie Widerstand gegen die Umsetzung der Agenda 2010 auf Bundes- und Landesebene; keine Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen.
Für Berlin stellt das Zusammengehen von WASG und PDS ein besonderes Problem für das politische Profil und die Eigenständigkeit der WASG dar. Der »rot-rote« Berliner Senat steht für eine besonders rabiate Politik der Sozialkürzungen, des Tarifbruchs (Austritt aus dem kommunalen Arbeitgeberverband) und der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und öffentlichen Eigentums. Obwohl jeder sechste Berliner unter der Armutsgrenze lebt, kürzt der Senat weiter bei Sozialhilfebeziehenden und Behinderten. Lang gewachsene soziale Projekte werden zerschlagen, die städtische Infrastruktur wird zunehmend zerstört, Stellen werden abgebaut und teilweise durch 1-Euro-Jobs »ersetzt«, Löhne werden gekürzt, Arbeitszeiten verlängert. Pragmatische PDS-Genossen im Berliner Senat »sanieren« Seite an Seite mit Sozialdemokraten wie Wowereit und Sarrazin die Berliner Finanzen: der Haushalt 2005/06 sieht eine weitere Kürzungsorgie vor und vernachlässigt völlig die Einnahmeseite. Auch der Bundesvorstand der WASG erkennt in der Regierungsbeteiligung der PDS in der Bundeshauptstadt ein gewaltiges Konfliktpotenzial.
Der Parteitag beschloss deshalb ein unterschiedliches Vorgehen in Bund und Land: »Die WASG Berlin tritt im Oktober 2006 eigenständig zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen an mit dem Ziel, eine starke Opposition gegen die neoliberale Politik des SPD/PDS-Senats zu bilden.«
Dieser Beschluss wurde ergänzt durch die Verabschiedung einer landespolitischen Erklärung, die u.a. die Rücknahme der Kürzungen im Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich, den Stopp der Privatisierungsvorhaben bei den landeseigenen Betrieben, die Rücknahme der Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft, die Rücknahme von Arbeitszeitverlängerungen und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst sowie die Rückkehr Berlins in den kommunalen Arbeitgeberverband fordert.
In den Diskussionen auf dem Parteitag wurde vor allem betont, dass der Hauptgegner die neoliberalen Blockparteien SPD-CDU-Grüne und FDP seien. In den Gesprächen und Diskussionen mit der PDS sei es für die Identität und Glaubwürdigkeit der WASG aber von zentraler Bedeutung, dass die WASG neoliberale Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene gleichermaßen bekämpft.

Roland Klautke

Roland Klautke ist Mitglied der WASG in Berlin.



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