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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2005, Seite 9

Eine neue Zeitung?

Für eine Linke, die diesen Namen verdient

Arno Klönne hat mit seinem Plädoyer für Kommunikation und Zusammenarbeit der Linken eine Debatte wieder in Gang gebracht, die dringend erforderlich ist. Angesichts eines Kapitalismus, der, befreit vom Druck des Realsozialismus und starker Gegenkräfte, wieder voll nach den Regeln funktioniert, die Karl Marx einst in den Grundzügen analysiert hat, drängen die Verhältnisse selbst in Richtung einer »Zieldebatte«. »Dass er [der Kapitalismus] nicht abgeschafft wird«, liegt, wie es in der FAZ vom 31.Januar zu Recht in einer Rezension zur marxschen Analyse hieß, schließlich daran, »dass er keine organisierten Gegner hat, die der Rede wert wären«. Diese grundlegende Schwäche der Linken, die im Kern eine politische Schwäche der abhängig Beschäftigten ist, muss ein wichtiger Ausgangspunkt sein. Ein Schönreden verstellt den Blick auf die Größe der politischen Aufgaben. Es hätte auch verhängnisvolle politisch-strategische Konsequenzen. Es wird keinen anderen Weg geben, als diesen Zustand der Schwäche zu verändern — Schritt um Schritt.
Bemühungen, die Linke in einem Prozess der Selbstfindung und des praktisch-politischen Kampfes wieder zu einer Kraft zu machen, die diesen Namen tatsächlich verdient, treffen im Vorfeld der Bundestagswahlen auf hoffnungsvolle Entwicklungen. Sie sehen sich aber auch mit vielfältigen Irritationen konfrontiert.
Es gibt die Chance, dass sich gegen das Einreißen des sozialstaatlichen Gebäudes, gegen den Demokratieverfall und die Kriegführungspolitik eine ernsthafte parteipolitische Kraft formiert. Zumindest nach den bisherigen Erklärungen ist sich die sich abzeichnende Linksallianz in einer wichtigen Grundfrage einig: Grundlage linker Politik können nur die Interessen der abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen sein.
Zugleich wollen aber viele wieder zur Linken gehören. SPD-Politiker geißeln den Raubtierkapitalismus und warnen die Verfechter einer linken Wahlpartei vor der »Spaltung der Linken«. Die Grünen wollen in den Wahlkampf als »moderne Linkspartei« ziehen. Die Initiatoren der neuen Linkspartei wiederum vermeiden peinlichst jede Kritik an der Teilhabe der PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bei derem »Wegräumen von Sozialstaatlichkeit«.
Ich bin mit Arno Klönne sehr einverstanden, dass es nicht um das Mitmachen bei diesem Etikettenschwindel geht, sondern vornehmlich um einen Brückenschlag zwischen der bekanntermaßen zersplitterten » alten Linken” und den neuen sozialen Bewegungen.
Aber damit ist das Problem des politischen und konzeptionellen Profils einer neuen kommunikativen und handlungsfähigen Linken noch nicht geklärt. Die Opposition gegen Sozialabbau und Kriegführungspolitik wäre da ganz wichtig. Aber reicht das aus?
Natürlich kann es nur um ein offenes Projekt und nicht um eine geschlossene Veranstaltung gehen. Ein Zusammenfinden des tatsächlich linken Potenzials wird aber mittel- und längerfristig nur dann Erfolg haben, wenn man eine taugliche Handlungsorientierung von links erstreitet. Ausgangs- und Bezugspunkt dafür aber wird nur die Gesellschaftstheorie und -analyse von Karl Marx als in den Grundzügen nach wie vor aktuelle politische Wissenschaft von den Möglichkeiten einer progressiven Weltveränderung sein können. Man muss das Fahrrad nicht zum zweiten Mal erfinden wollen.
Dabei geht es vor allem darum, die ökonomischen, sozialen und politischen Strukturen unserer Gesellschaft in einer Welt des entfesselten Kapitalismus zu analysieren, deren Widersprüche zu erhellen, um von da aus eine realistische linke Politik zu entwickeln. Dass man die Erkenntnisse der wichtigsten Schüler von Marx zu beachten hat, ist selbstverständlich. Es ist Zeit, die Welt erst einmal wieder richtig zu interpretieren, wenn man sie denn verändern will.
Ganz offensichtlich leben wir in einer Zeit, da entlang des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit soziale Polarisierung deutlich zunimmt. Ob und inwieweit sich damit nicht nur hin und wieder spontaner, sondern auch dauerhafter, also organisierter Widerstand — ein für das Kapital »ernsthafter Gegner« — entwickelt, wird nicht zuletzt von einer vernetzten und aktionsfähigen Linken« abhängen. Das aber verlangt gerade auch: in den Bewegungen, in den linken Medien und überhaupt Klartext zu reden. Aktuell ist eine zweite Aufklärung. Wenn andere über die Fehler der Politik und der Politiker reden, müssen wir über den Kapitalismus als einer ganzheitlichen Profitgesellschaft, über dessen Gesetze und seine Funktionsweise sprechen.
Politik ist in der antagonistischen Klassengesellschaft eine kontroverse Angelegenheit. Sie ist vor allem keine autonome Sphäre. Man kann nicht einfach mit etwas gesellschaftlichem Druck das von vielen mittlerweile erkannten »Primat der Wirtschaft« durch das Primat der Politik ersetzen. Sicherlich gibt es keine »Allmacht des Kapitals«, und das alles hängt mit dem derzeitigen politischen Kräfteverhältnis zusammen, aber noch mehr mit der Struktur der kapitalistischen Gesellschaft. Ohne eine wirklich einflussreichen Gegenmacht »protokollieren« Gesetzgebung und Staat nun einmal »das Wollen der gesellschaftlichen Verhältnisse« (Marx).
Einer der großen und erfolgreichen Linken der Vergangenheit hatte sicherlich Recht, als er schrieb, dass die Menschen in der Politik »immer die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug« waren und sind, »solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klassen zu finden« (Lenin).
Eine erneuerte Linke bedarf der Kommunikation und sie braucht auch eine linke Zeitung. Aber gibt es nicht gerade in beiden Richtungen recht hoffnungsvolle Ansätze? Besteht nicht das Hauptproblem vor allem darin, diese deutlich zu erweitern und zu verstetigen? Da gibt es die EAL, die Europäische Antikapitalistische Linke. Seit eineinhalb Jahren läuft ein »marxistischer Dialog« zwischen verschiedenen Richtungen der »alten Linken« in Gestalt der Leverkusener Gespräche, bei denen auch Vertreter der Bewegungen dabei waren. Die SoZ war jeweils Mitveranstalter. Acht Jahre ist es her, dass eine große Marxismus-Konferenz stattfand, aber es wird sicherlich viel Zuspruch finden, wenn demnächst eine zweite folgt. Und besteht nicht bereits eine linke Zeitung, die »bewegungsorientiert« und auf einem hohen Niveau um den »Brückenschlag« bemüht ist? Sollte nicht die Hauptkraft darauf konzentriert werden, das Profil, den Einfluss und die Verbreitung der jungen Welt, aber auch der SoZ, von Ossietzky usw. zu stärken?

Ekkehard Lieberam

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