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Peter Marx, der starke Mann der NPD (stellvertretender Parteivorsitzender,
zweifacher Landesvorsitzender und Fraktionsgeschäftsführer) hat starke Worte parat. Drei
Direktmandate in ausgewählten Hochburgen seien das Ziel seiner Partei bei den vorgezogenen Neuwahlen.
Die NPD wolle sich als grundsätzliche Alternative zu allen Bundestagsparteien präsentieren.
»Die nationale Opposition wird sich in den kommenden Monaten als glaubwürdige Alternative zum
herrschenden Parteienkartell präsentieren und deutlich machen, dass die Marktfundamentalisten von CDU
und FDP noch stärker als Rotgrün für eine systematische Aushöhlung des Sozialstaats
stehen«, so Marx bei einer Sitzung des NPD-Parteipräsidiums in Berlin.
Nun zweifelt wohl kaum jemand daran, dass die
NPD in Hochburgen wie der Sächsischen Schweiz oder dem Wahlkreis Riesa überdurchschnittliche
Ergebnisse erzielen wird, doch wohl auch Marx selbst dürfte nicht an den Gewinn von Direktmandaten
glauben. Die vorgezogenen Neuwahlen haben den Fahrplan für die proklamierte »Volksfront von
rechts« durcheinander gebracht. Hatten manche Analytiker für 2006 einen Überraschungserfolg
des Bündnisses rechtsaußen nicht ausgeschlossen, so herrscht jetzt unisono Einigkeit, dass die
NPD mit ihren Partnern im September scheitern wird. Selbst ein notorischer Optimist wie Peter Marx
tröstet sich mit der Hoffnung, dass es ein Scheitern auf hohem Niveau sein werde. Auf rund drei
Prozent beziffert er gegenwärtig das Potenzial des großspurig als »Deutsche
Volksbewegung« betitelten Sammlungsversuchs. Auch das dürfte noch ziemlich hoch gegriffen sein.
Doch manchmal hilft eben das Pfeifen im Walde.
Auch unabhängig davon, dass der
Verzweiflungsschlag Gerhard Schröders die Zeitpläne der extremen Rechten zerschlagen hat, zeigt
sich, dass die ersehnte »Volksfront von rechts« schwerer herzustellen ist als erwartet. Der
Erfolgsschwung der Monate direkt nach der Landtagswahl in Sachsen im September 2004 ist eingebüßt
worden. Dafür sind die Resultate bei den Urnengängen in Schleswig-Holstein und in NRW nicht
verantwortlich. Nicht einmal die NPD selbst hatte wohl den Einzug in die beiden Landtage erwartet. Eine
Mitgliedszahl von rund 550, vorwiegend sehr jungen Personen wie in NRW reicht eben nicht aus, um in einem
Flächenland einen auch nur annähernd flächendeckenden Wahlkampf führen zu können.
Dass man knapp besser abgeschnitten hat als
die ungeliebte Konkurrenz der REPs, für die NRW immerhin einen der letzten verbliebenen regionalen
Schwerpunkte darstellt, ist für die NPD ein nur schwacher Trost. Zumindest auf mittlere Sicht
unerheblich ist auch der Umstand, dass die NPD in jenen Wahlkreisen, die sie als Schwerpunkt erkoren hatte,
z.B. Bochum, deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen konnte. Am schwersten aber wiegt
für die NPD der Umstand, dass sie in NRW trotz eines für ihre Verhältnisse enormen Kraft-
und Finanzaufwands unter der für die Wahlkampfkostenerstattung notwendigen Hürde geblieben ist.
Die strukturellen Schwächen der »Volksfront von rechts« wurden im Wahlkampf
unübersehbar. Übertritte in nennenswerter Zahl von Dissidenten der REPs waren hier nicht erfolgt.
Der Landesverband dieser Partei am rechten Rand, deren wesentliche Aktivität in der Beteuerung
besteht, sie sei dort gar nicht angesiedelt, befindet sich unangefochten in der Hand der stellvertretenden
Parteivorsitzenden Ursula Winkelsett, die in Nibelungentreue ihrem ebenso glück- wie strategielosen
Parteivorsitzenden Rolf Schlierer bei dessen Kurs einer strikten Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit mit
der NPD und deren Verbündeten folgt.
Die DVU ist in NRW wie im Rest des
Landes eine Phantompartei ohne reale Basis. Somit hatte es geringe Auswirkungen, dass die NPD den
Dortmunder DVU-Ratsherrn Axel Thieme auf ihrer Landesliste platzierte. Die kleine Deutsche Partei wiederum
kann gerade gegenwärtig kein verlässlicher Partner sein. Erstens existiert sie in NRW nur durch
Einzelpersonen, zweitens und wichtiger steht die vorwiegend aus abgespaltenen ehemaligen
Funktionären der REPs bestehende Partei gegenwärtig vor einer Zerreißprobe. Inzwischen
scheinen sich zwar die »Volksfront«-Befürworter innerparteilich durchgesetzt zu haben, als
der bisherige Parteivorsitzende Heiner Kappel, ein ehemaliger FDP-Landtagsabgeordneter, weggeputscht wurde,
doch war die Kleinformation bis zu ihrem Parteitag Ende Mai über Monate handlungsunfähig.
Für die NPD ist dies auf Bundesebene trotz der geringen Mitgliederzahl der Deutschen Partei von etwa
600 Personen ein herber Verlust, da es sich bei den Aktiven vorwiegend um langjährig erfahrene
Funktionäre der extremen Rechten handelt. In diesem Fall wäre die Kooperation ein probates Mittel
gegen die Wachstumskrise der NPD, derem Zugewinn an Mitgliedern kein Äquivalent als Zugewinn an
Köpfen gegenübersteht.
Als größte Hürde erwies sich in NRW gerade die Zusammenarbeit mit den Freien
Nationalisten, auf die die NPD besondere Hoffnung gesetzt hatte. Die Brüchigkeit dieser Beziehung
dürfte auch auf Bundesebene ihre Auswirkungen haben. Zwar war der NPD mit dem Beitritt der bekannten
drei Freien Nationalisten Thomas »Steiner« Wulff, Thorsten Heise und Ralph Tegethoff ein
richtungsweisender Coup gelungen, doch blieb die erwartete Sogwirkung in deren Lager aus. Die NPD-Parole
»Eine Bewegung werden« verhallte weitgehend ungehört. Nur einzelne Kameradschaftsführer
wie der Münchener Neonazi Norman Bordin und bekannte Aktivisten wie Michael Regner, der Sänger
der Band »Landser«, folgten ihm. Das mochte zwar Vorbehalte im Lager der Kameradschaften
aufweichen, überwinden konnte es sie nicht.
Auch in NRW hatte die NPD ein Zeichen des
guten Willens geboten. Einige führende Personen aus dem Spektrum der Freien Nationalisten waren auf
vorderen Plätzen der NPD-Landesliste untergebracht worden. Im Gegenzug erhoffte man sich
Unterstützung beim Sammeln von Unterschriften, dem Hängen von Plakaten und anderen Hilfsarbeiten.
Bereits die Weigerung von bekannten Neonazis, wie dem langjährigen Dortmunder
Kameradschaftsführer Siegfried »SS-Siggi« Borchardt, seinen Namen ebenfalls für das
Projekt »Volksfront von rechts« herzugeben, hätte misstrauisch machen müssen. Der
eigentliche Ärger jedoch begann damit erst.
Die Intelligenz der Kameradschaftsszene
reichte immerhin zu der Erkenntnis, dass selbst ein knappes Überwinden der 5%-Klausel nicht dazu
führen würde, dass jemand aus diesem Spektrum im Landtag vertreten wäre. Auf die bloße
Rolle einer willigen Hilfstruppe wollte man sich jedoch nicht reduzieren lassen. Wenn wir schon arbeiten
müssen, gab aus dem fernen Hamburg die unbestrittene Galionsfigur der Freien Nationalisten, Christian
Worch, die Losung aus, dann soll die NPD auch für unsere Dienste zahlen. Schließlich erhält
sie selbst zumindest Geld über die Wahlkampfkostenerstattung. Warum also sollen wir über unsere
Arbeit die NPD reich machen?
Nicht nur Worch hatte damit das Fell des
Bären verteilt, noch bevor dieser erlegt worden war. Das Resultat der NPD reichte noch nicht einmal
dazu. Als erheblich schwerwiegender erwiesen sich die unterschiedlichen taktischen Ausrichtungen und
inhaltlichen Differenzen beider Strömungen, die ihren Höhepunkt anlässlich einer
Demonstration des Freien Spektrums in Wuppertal fanden. Mochte es noch erwartet kommen, dass sich auch die
beiden Ratsherrn der REPs in der Stadt von diesem Aufmarsch öffentlich distanzierten, so brachte eine
Presseerklärung des zuständigen Kreisverbands der NPD die mühsam übertünchten
Streitigkeiten zum offenen Ausbruch. Die NPD sah sich letztendlich zu einem Bauernopfer genötigt.
Daran glauben musste der Schwelmer Stadtrat Thorsten Crämer, gegen den der Landesvorstand der NPD nach
Intervention der Freien Nationalisten ein Ausschlussverfahren einleitete.
Die Spannungen sind damit keineswegs
überwunden. Die Kameradschaften wissen nur zu genau, dass sie allen Beteuerungen zum Trotz von der NPD
nicht als gleichberechtigte Partner akzeptiert werden. Je länger weitere Erfolgsmeldungen bei der NPD
auf sich warten lassen, desto komplizierter wird sich auch das fragile Bündnis mit den offenen
Neonazis gestalten, da nur die Aussicht auf Erfolg diese vorübergehend ruhig stellt.
Auch von den raren Intellektuellen der extremen Rechten gibt es inzwischen Gegenwind. Sie sehen in dem
»Volksfront«-Kurs der NPD eine zunehmende »Verbürgerlichung« der Partei, die sich
bereits unmittelbar nach dem Wahlerfolg in Sachsen abgezeichnet habe. Mit einem Kapitalisten und
Multimillionär wie dem DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey, so kurz gefasst die Kritik, könne eben
keine revolutionäre Politik gemacht werden.
Mit Gerhard Frey haben die lagerinternen
Kritiker tatsächlich das schwächste Glied in der Kette der Bündnispartner gefunden. Frey,
die personifizierte Blaupause der alten Rechten, ist das ideale Hassobjekt für jene
nationalrevolutionäre Strömung der extremen Rechten, die auf einen völkischen
Antikapitalismus als Hauptpropagandalinie der Bewegung setzt. Frey gilt ihnen als Garant der herrschenden
Verhältnisse, an denen er lediglich einige kosmetische Korrekturen in nationalistischer Richtung
vornehmen wolle. Ebenso verhasst ist Frey bei den Neonazis der Freien Kameradschaften, denn er fordert
immer wieder, so in seiner Gastrede beim Bundesparteitag der NPD in Leinefelde, eine Distanzierung der NPD
von Neonazis.
Die Sollbruchstellen im rechten Bündnis
werden an solchen Differenzen unübersehbar. Und nicht zuletzt gibt es auch in der NPD selbst
erhebliche Widerstände gegen den DVU-Vorsitzenden. Wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen,
so fand sich die Mehrheit der Partei nur mit Zähneknirschen mit der Partnerschaft ab. Zu deutlich ist
den älteren Parteimitgliedern in Erinnerung, dass an der letzten Zusammenarbeit mit der DVU die NPD
Ende der 80er Jahre fast zerbrochen wäre. Frey hatte damals die Schwäche der NPD gnadenlos
ausgenutzt und sie in die schwerste Krise seit ihrer Gründung gestürzt. Man bleibt also
misstrauisch. Es sind vor allem die Millionen Freys, die dieses Misstrauen vorübergehend in den
Hintergrund treten lassen.
Zu dieser Politik des schamhaften Verschweigens sind Teile der NPD und ihres Randbereichs nicht bereit.
Jürgen Schwab, bis zu seinem Parteiaustritt vor einem Jahr Leiter des NPD-Arbeitskreises »Volk
und Staat«, hat sich zu ihrem Wortführer aufgeschwungen. Hinter sich weiß er z.B. den
Nationaldemokratischen Hochschulbund oder die einstmals als eine Art Denkfabrik der NPD geplante
Kaderschule »Deutsche Akademie« (DA). Heute geht diese Einrichtung in fast unverhüllte
Distanz zur Partei.
In einer Einladung zu einem Strategietreffen,
das gemeinsam mit nationalrevolutionären Kleingruppen wie denen um die Zeitschrift Fahnenträger
oder die Internetplattform Die Kommenden durchgeführt werden soll, heißt es: »Da nach der
sächsischen Landtagswahl im September 2004 und dem darauf folgenden NPD-Bundesparteitag die
nationalrevolutionären Kräfte in der Partei zunehmend in die Defensive geraten sind, ist derzeit
eine Mitarbeit an der Programmarbeit der NPD sowie in Verlag und Redaktion Deutsche Stimme nicht mehr
möglich. Weil jedoch die DA ihre Existenz als nationalrevolutionäre Initiative für
politische Theorie und Strategie nicht von einer Zusammenarbeit mit dem NPD-Parteivorstand abhängig
macht, ist es nun an der Zeit, dem von der ›rechten Volksfront‹ ausgegrenzten Spektrum von
Nationalrevolutionären und revolutionären Nationalen Sozialisten ein eigenes
organisationsübergreifendes Forum zu bieten. Hierbei denken wir nicht an die Gründung einer neuen
Partei, auch richtet sich unser Anliegen nicht etwa gegen ›die NPD‹ (wie dies der
stellvertretende Parteivorsitzende Peter Marx immer wieder behauptet), sondern wir wenden uns gegen den
neuen Kurs der NPD, der immer mehr dem BRD-Parlamentarismus und somit dem kapitalistischen System insgesamt
verpflichtet scheint.«
Trotz dieser Beteuerung kann das die NPD-
Führung eigentlich nur als Kampfansage begreifen. Die Reaktion folgte prompt und wurde ebenso prompt
von Schwab öffentlich gemacht: »Die nationalrevolutionäre Kritik am neuen Kurs der NPD-
Führung zeigt nun endlich Wirkung. Aber nicht so, wie von den Kritikern beabsichtigt. Nach den Worten
des JN-Funktionärs Florian Cordes soll der JN-Bundesvorstand einen Beschluss gefasst haben, keine
Beiträge mehr von mir zu veröffentlichen (Zeitschriften, Weltnetzseiten). Es ist davon
auszugehen, dass unter diese Zensurbestimmungen auch Vorträge und Seminare fallen. Schreibverbot hat
schon vor längerer Zeit die DS-Redaktion über mich verhängt.« Der stellvertretende
Bundesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten Florian Cordes, inzwischen als Hauptamtlicher beim Verlag
Deutsche Stimme, habe gegenüber einem JN-Kreisverband geäußert: »Jürgen Schwab ist
ein Feind der Bewegung!«
Der Parteivorstand ruderte umgehend
zurück und dementierte den Vorgang. Das Dementi wird die Differenzen nicht mindern. Die
»Volksfront von rechts« bleibt unter diesen Bedingungen eine Chimäre. Die Zeiteinbuße
durch Gerhard Schröders Vorpreschen könnte für die NPD entscheidend sein. Ein weiteres Jahr
hätte eventuell ausreichen können, um innerhalb der extremen Rechten eine tragfähige
Arbeitsgrundlage zu schaffen. Das scheint inzwischen nahezu ausgeschlossen. Ein erfolgreiches Bündnis
kann einen deutlichen Schub nach vorn zur Folge haben. Ein gescheitertes Bündnis jedoch das
steht fest wirft alle Anstrengungen auf unabsehbare Zeit zurück.
Jean Cremet
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