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Die EU-Verfassung ist nicht vom Tisch. Immer noch hoffen die Ratsherren, sie
durch Tricksereien so durch die Abstimmungsmaschine zu bekommen, dass sie danach sagen können: Die
Völker Europas haben sich eine Verfassung gegeben. Der Ratifizierungsprozess wurde bis 2007
verlängert. Die Länder, die ihr geplantes Referendum ausgesetzt haben, werden sich womöglich
jetzt damit begnügen, die Parlamente abstimmen zu lassen (mit Ausnahme von Luxemburg, wo es
womöglich mit einem knappen Ja ausgeht). In Großbritannien ist nicht einmal das sicher. Die
Referenden in Frankreich und in den Niederlanden könnten auf diesem Wege allerdings nicht mehr
ungeschehen gemacht werden, sie müssten wiederholt werden. Die Ratsherren scheinen darauf zu
spekulieren, dass Staatspräsident Chirac 2007 von einem glaubwürdigeren Nachfolger abgelöst
wird, der die Abstimmung wiederholen läßt. Ob das funktioniert, ist auch nicht sicher. Die Woge
des Nein kann sehr wohl bis zur nächsten Präsidentschaftswahl tragen und einen Vertreter des Nein
in den Amtssessel heben.
Was auch immer die Regierungen der
Mitgliedstaaten entscheiden von zentraler Bedeutung ist, dass der Delegitimierungsprozess der EU-
Institutionen, der in Frankreich und in den Niederlanden begonnen hat, sich in anderen EU-Ländern
fortsetzt. Die aufgetretene Diskrepanz: »90% der Abgeordneten vertreten 45% der Bevölkerung«
(in Frankreich) oder »95% der Abgeordneten vertreten 37% der Bevölkerung« (in den
Niederlanden) muss auch in anderen Ländern sichtbar gemacht werden. Meinungsumfragen nach den
Abstimmungen ergaben einen Stimmungswechsel auch in der BRD. Wenn hier alle Haushalte den Verfassungstext
zugeschickt bekämen und es würde eine massive Aufklärungskampagne gemacht jeweils mit
Vertretern beider Positionen würde sich auch hier eine satte Mehrheit dagegen ergeben.
Das Haupthindernis ist das Demokratiedefizit
hierzulande. Die TV-Sendung »Monitor« hat bei einer Befragung der Bundestagsabgeordneten
festgestellt, dass kaum einer von ihnen weiss, was in der EU-Verfassung steht. Aber das Votum des
Bundestags soll legitim sein! Franzosen und Niederländer hingegen werden beschimpft, sie hätten
angeblich die komplizierte Materie nicht verstanden, obwohl sie den Text gelesen und studiert haben!
Die Forderung nach Volksentscheid über
eine so zentrale Frage muss im Zentrum unserer Aufmerksamkeit bleiben, solange es den Ratifizierungsprozess
gibt. Wenn auf dem Sozialforum in Erfurt über die weiteren Perspektiven gesprochen wird, gehört
die Forderung nach Volksentscheiden europaweit unbedingt dazu. Wir sollten uns an den Franzosen ein
Beispiel nehmen und die unterschiedlichen Ansätze für Kampagnen gegen die Verfassung
zusammenbinden zu einer gemeinsamen Initiative, die ein Referendum fordert und mit dem Entwurf für
eine Alternative in die öffentliche Debatte geht. Das neue linke Wahlbündnis muss diese
Forderungen aktiv unterstützen. Jede Verstärkung, die Franzosen und Niederländer erfahren,
macht es den Ratsherren schwerer, uns auszutricksen.
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