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»NEW YORK. Überraschend schnell hat sich die US-Metropole vom Grauen des 11. September
2001 erholt. Für Geschäftsleute, Künstler und Touristen ist sie mehr denn je die Hauptstadt
der Welt«. So bewirbt der Stern in seiner letzten Ausgabe den Bericht über die
Ostküstenmetropole und illustriert das Blatt mit einem Foto des Chrysler-Gebäudes, dessen
Architektur nicht umsonst die bauliche Vorlage für Batmans Gotham City in Comics und Filmen abgibt.
Anders als bei allen anderen US-amerikanischen
Großstädten wird in New York erfolgreich am Mythos der ständigen Erneuerung und Hoffnung
gearbeitet, nicht zuletzt von Krimiautoren.
Jerome Charyn ist es seit knapp 30 Jahren
gelungen, die Chronik dieser Stadt zu schreiben. Und ihm ist es gelungen, hart an der gesellschaftlichen
Realität bleibend, einen eigenen merkwürdig warmherzigen Mythos zu erzeugen, der an
die Ritter der Tafelrunde und ihre Suche nach dem Gral oder die erfüllte Liebe erinnert.
Auch in dem neuen, bei Rotbuch erschienenen
Band El Bronx haben alle Gestalten Dreck am Stecken, lediglich im Grad der Verkommenheit unterscheiden sie
sich voneinander. Selbst die Kinder sind in die Beziehungsgeflechte aus Drogen, Immobiliengeschäften,
psychischen Defekten und Machtambitionen verstrickt, und dies nicht nur als Opfer.
Wie immer ist Isaac Sidel die Hauptfigur, der
große Bursche, El Caballo, der Ex-Polizeichef von New York und jetzige Bürgermeister der Stadt,
der Friedensstifter, der immer noch seine korrupten Cowboys gegen die Drogenbanden der Stadt losschickt.
Das Leben in der Bronx ist erstarrt, im ganzen Land streiken die Baseballmannschaften , das Yankeestadion
ist leer und die kleinen Geschäftsleute leben von den mickrigen Ersparnissen. Sidel versucht sich als
Vermittler in dem landesweiten Konflikt und scheitert, denn andere mächtige Gestalten aus der
Finanzwelt und dem Umfeld der Demokratischen Partei benutzen die Auseinandersetzung, um ihre
Zukunftsplanungen als Präsidentschaftskandidaten und Stadterneuerer abzusichern. Die Bedrohung ist
allgegenwärtig, sie nimmt weder die Schulkinder aus, die von den nachrückenden Banden als
Crackkäufer angeworben werden noch den sagenumwobenen Sidel. Und es ist die Zeit des Wandels: ein
alter Chronist des wirklichen Lebens außerhalb der Glitzerwelt Manhattans tritt ab, zu stark ist er in
die Verschwörungen und Verrätereien verwickelt und ein neuer erscheint, ein kindlicher
Nachrufmaler, der sich von seinen verbrecherischen Auftraggebern löst. Und ganz am Ende taucht der
Schatten eines Gerechten auf, der sich mit einem ausgeliehenen hölzernen Samuraischwert den Glocks und
gläsernen Maschinenpistolen widersetzt.
Udo Bonn
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