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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2005, Seite 20

Jerome Charyn: El Bronx, Berlin: Rotbuch, 2005, 211 Seiten, 9,90 Euro.

Mord und Todschlag

»NEW YORK. Überraschend schnell hat sich die US-Metropole vom Grauen des 11. September 2001 erholt. Für Geschäftsleute, Künstler und Touristen ist sie mehr denn je die Hauptstadt der Welt«. So bewirbt der Stern in seiner letzten Ausgabe den Bericht über die Ostküstenmetropole und illustriert das Blatt mit einem Foto des Chrysler-Gebäudes, dessen Architektur nicht umsonst die bauliche Vorlage für Batmans Gotham City in Comics und Filmen abgibt.
Anders als bei allen anderen US-amerikanischen Großstädten wird in New York erfolgreich am Mythos der ständigen Erneuerung und Hoffnung gearbeitet, nicht zuletzt von Krimiautoren.
Jerome Charyn ist es seit knapp 30 Jahren gelungen, die Chronik dieser Stadt zu schreiben. Und ihm ist es gelungen, hart an der gesellschaftlichen Realität bleibend, einen eigenen — merkwürdig warmherzigen — Mythos zu erzeugen, der an die Ritter der Tafelrunde und ihre Suche nach dem Gral oder die erfüllte Liebe erinnert.
Auch in dem neuen, bei Rotbuch erschienenen Band El Bronx haben alle Gestalten Dreck am Stecken, lediglich im Grad der Verkommenheit unterscheiden sie sich voneinander. Selbst die Kinder sind in die Beziehungsgeflechte aus Drogen, Immobiliengeschäften, psychischen Defekten und Machtambitionen verstrickt, und dies nicht nur als Opfer.
Wie immer ist Isaac Sidel die Hauptfigur, der große Bursche, El Caballo, der Ex-Polizeichef von New York und jetzige Bürgermeister der Stadt, der Friedensstifter, der immer noch seine korrupten Cowboys gegen die Drogenbanden der Stadt losschickt. Das Leben in der Bronx ist erstarrt, im ganzen Land streiken die Baseballmannschaften , das Yankeestadion ist leer und die kleinen Geschäftsleute leben von den mickrigen Ersparnissen. Sidel versucht sich als Vermittler in dem landesweiten Konflikt und scheitert, denn andere mächtige Gestalten aus der Finanzwelt und dem Umfeld der Demokratischen Partei benutzen die Auseinandersetzung, um ihre Zukunftsplanungen als Präsidentschaftskandidaten und Stadterneuerer abzusichern. Die Bedrohung ist allgegenwärtig, sie nimmt weder die Schulkinder aus, die von den nachrückenden Banden als Crackkäufer angeworben werden noch den sagenumwobenen Sidel. Und es ist die Zeit des Wandels: ein alter Chronist des wirklichen Lebens außerhalb der Glitzerwelt Manhattans tritt ab, zu stark ist er in die Verschwörungen und Verrätereien verwickelt und ein neuer erscheint, ein kindlicher Nachrufmaler, der sich von seinen verbrecherischen Auftraggebern löst. Und ganz am Ende taucht der Schatten eines Gerechten auf, der sich mit einem ausgeliehenen hölzernen Samuraischwert den Glocks und gläsernen Maschinenpistolen widersetzt.

Udo Bonn

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