SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2005, Seite 4

Null-Euro-Jobs

Reißt der Geduldsfaden?

von MANFRED BEHREND

Darüber, dass der »Genosse der Bosse« als Kanzler wohl wird gehen müssen, ist ein Teil der deutschen herrschenden Klasse kaum begeistert. Sog. Arbeitgebern, die voll im Geschäft stehen, geht es dank sozialdemokratisch geführter Regierung richtig gut. Einerseits lohnte ihnen diese den Eifer beim Ausbeuten der Arbeitskraft mit Steuergeschenken und Zuschüssen. Andererseits trug sie samt der neoliberalen Allparteienkoalition durch Hartz-Gesetze usw. hervorragend dazu bei, Arbeitende wie Arbeitslose erkämpfter Rechte und Sozialleistungen zu berauben, sie fester unters Joch zu spannen und zur Selbstausbeutung bis zum Verzicht auf das Auskurieren von Krankheiten zu zwingen. Gleich SPD-Chefs verwandten die Führer maßgeblicher DGB-Gewerkschaften und ihres Dachverbands viel Mühe darauf, die Arbeitenden am Klassenkampf zu hindern und sie wehrlos zu machen — mit sicherer Aussicht auf geringeren Lohn, längere Arbeitszeit und noch größere Lasten.
Eine erprobte Methode zur Ausbeutung bei geringstmöglichem Salär sind 1-Euro- Jobs. Nicht zuletzt dank Regierungshilfe ist die Lage am Arbeitsmarkt so bescheiden, dass sich manche »Arbeitnehmer« sogar gern derart übers Ohr hauen lassen, nicht nur wegen der paar Kröten, die anfallen, sondern auch um zeitweise dem niederdrückenden Erwerbslosendasein zu entgehen. Diverse Unternehmer aber sind übermütig geworden und haben sich etwas Neues, den Null-Euro-Job, ausgedacht. Sie stellen, z.T. über private Vermittler, Arbeitskräfte für jeweils drei Wochen auf Probe ein und zahlen ihnen keinen Cent, während das Bundesamt für Arbeit weiter Erwerbslosengeld entrichtet. Nach drei Wochen entlässt der »Arbeitgeber« den »Arbeitnehmer« und heuert wiederum auf Probe einen neuen an, den er ebenso kostenlos für sich ausbeutet. Es folgt in regelmäßigen Abständen die Wiederkehr des Gleichen. Die Methode ist Betrug, doch nicht verboten. Der MDR sprach von Sklavenarbeit, irrte aber insofern, als Sklavenhalter ihre Ausbeutungsobjekte ernähren und kleiden mussten, während »Arbeitgeber« von heute das nicht nötig haben.
Denen, die drei Wochen malochten, wird zum Erlebnis solcher Wohltat noch mehr zuteil. Der Unternehmer stellt ihnen eine Bescheinigung aus, die neben Bedauern über den Zwang, den Betroffenen wieder auf die Straße werfen zu müssen, saftige Drohungen und Mahnungen enthält. So die: Wenn der auf Probe beschäftigt Gewesene Arbeitskleidung nicht in einwandfreiem Zustand zurückgebe, müsse er zahlen; falls er sich nicht sofort wieder beim Arbeitsamt melde, falle das ALG weg. Für seine Arbeitswilligkeit wird der arme Tropf auch noch gedemütigt und verhöhnt.
Für gerissene Unternehmer sind Null-Euro-Jobs eine lukrative Fortsetzung des Sozialabbaus. In ihrem durch die kapitalistische Wirtschaftsweise bedingten Drang nach »Höherem«, d.h. nach mehr Profit, werden sie auch damit nicht zufrieden sein. Hierzu müsste erst der Zustand erreicht sein, bei dem »Arbeitnehmer«, statt auf Lohn hoffen zu dürfen, Geld mitbringen müssen, um einen Arbeitsplatz zu bekommen. Anders als Henry Ford, der erkannt hatte, es brauche höhere Löhne, damit Proleten seine Autos kaufen, haben das modernere Ausbeuter vergessen.
Ob endlich mal den Arbeitern der Geduldsfaden reißt, sodass sie sich ernsthaft wehren? Die sie zur Unterwürfigkeit zwingenden Ketten sind dafür noch zu fest geschmiedet, der Glaube an die Unausweichlichkeit und Ewigkeit der kapitalistischen Wirtschaftsweise ist zu weit verbreitet. Dennoch dürften eines Tages auch diese Proletarier imstande sein, Ketten zu sprengen und die Brocken hinzuwerfen. Das sollte zweckmäßigerweise durch möglichst viele von ihnen zugleich geschehen, wobei die Brocken besser auf statt vor die Füße der Kapitalisten geschmissen werden.

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang