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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2005, Seite 4

Kolumne von Thies Gleiss

Ein Hartz für Schröder

»Die rot-grüne Regierung verdient größten Respekt. Leider kann sie die Früchte nicht mehr ernten — auch weil sie nicht konsequent gewesen ist. Gerade am Anfang wurden viele Fehler gemacht. Aber nach dem Ausstieg von Oskar Lafontaine als Bundesfinanzminister 1999 kam es zu einer alles in allem beachtlichen Reformpolitik.« So hohes Lob vom Bankenverbandschefs Manfred Weber wird Schröder auch nicht mehr retten. Mit Peter Hartz, der Personifizierung der Kombination von schröderschem Sozialdemokratismus und aufgeklärtem Managertum der herrschenden Klasse, ist geradezu ein Symbol der Schröder-Politik abgetreten worden. Ein Schicksal, das in wenigen Wochen auch den Kanzler selbst treffen wird. Bye bye Gerhard, niemand wird dich vermissen. Niemand wird dir auch Denkmäler setzen, höchstens eine Kaserne wird nach dir benannt.
Christoph Böhr von der CDU fordert: »Der Name Hartz darf nach dem Rücktritt des Namensgebers nicht länger für Reformen in Deutschland stehen.« Auch der Name Schröder könnte gemeint sein. Hubert Kleinert, der ewig ahnungslose Politikprofessor, früher Gründungsmitglied und Bundestagsabgeordneter der Grünen, bilanziert: »Man kann zugespitzt sagen: Typisch für die rot-grünen Jahre waren die schönen Bilder und mehr oder weniger gute Inszenierungen, aber karge Ergebnisse. Oder, noch kürzer: Mehr Schein als Sein.« Aber er vergisst hinzuzufügen, dass dies Absicht war.
Die Entpolitisierung der Politik und die Boulevardisierung von Regierungsentscheidungen waren ebenso ausdrücklicher Regierungsauftrag wie die Schöpfung hübsch klingender Termini zur Vernebelung der Leute. Das ist die Voraussetzung gewesen, um kollektive Verarbeitung der Politik oder gar Widerstand zu verhindern und die sozialen Angriffe auf die Einkommen der Arbeiterklasse gleichermaßen wie die militärischen Rehabilitationsprogramme für die deutsche Bourgeoisie durchzusetzen. »Es gleicht einer Groteske, wenn man die Penner von gestern den Aufbruch von morgen gestalten lassen will.« So beklagt sich Schröder, nachdem ihn die Geschichte als Penner von heute demaskiert hat. Aber im Trotz hat er Recht. Die Penner von gestern haben eine nicht unwichtige Blockade ihrer Herrschaftssicherung durch Schröders Sozialdemokratie beheben lassen, jetzt können sie wieder selbst zulangen.
»Das Band kann schneller laufen, die Leute können länger arbeiten oder die Löhne sinken. Mehr Möglichkeiten sehe ich nicht«, beschreibt Anton Weinmann, Chef vom MAN-Konzern den neuen Klartext. Der Hartz, der Schröder haben ihre Schuldigkeit getan. Allein der Abgang vom Hartzilein war anders als beim Schröder und deshalb auch erfolgreicher. Der Sozialdemokrat muss, wenn er seinen Dienst am bourgeoisen Herrn verrichtet hat, getreten und gedemütigt werden. Er darf nicht mit erhobenem Kopf von dannen gehen. Sonst kämen einige womöglich noch darauf, es mal wieder mit kollektiver Politik und Widerstand zu versuchen. Von daher ist die selbstbewusste Pose des in der Nacht der Niederlage noch Neuwahlen anordnenden Kanzlers der falsche Auftritt im richtigen Stück.
So ist die Kacke jetzt am Dampfen: statt brav das Staffelholz an eine neue rechte Regierung zu übergeben, hinterlässt Schröder die neue Linkspartei. Und die deutsche Bourgeoisie gerät in Panik. Die Erkenntnis, dass ihr nicht alles gelingen kann, ist seit dem Zweiten Weltkrieg fast verloren gegangen. Aber für den Rest der Menschheit ist diese Neuerung die einzige Wohltat der Schröder-Hartz-Regierung.

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