SoZSozialistische Zeitung |
Mit effektiv 7 Millionen Arbeitslosen und 3 Millionen Sozialhilfeempfängern (davon ein Drittel Kinder) sowie 10% der Bevölkerung, die unter dem Existenzminimum leben müssen, hat dieses Land ein ernstes Problem. Doch verantwortlich sind nicht die Arbeitslosen selbst. Sie sind nicht die Täter, sondern die Opfer einer Politik im Interesse jener, die solche sozialen Probleme nicht haben.
»Aus Ärger darüber, dass die Opfer der gegenwärtigen
gesellschaftlichen Krise zu den Schuldigen gemacht werden«, sind Ulrich Rückin und Norbert
Böker ins Tonstudio gegangen und haben einige der zentrale Mythen des vorherrschenden Neoliberalismus
auseinandergenommen.
Sind die Arbeitslosen faul? Wohl kaum, wenn
die meisten der freigesetzten Arbeitsplätze aufgrund von Rationalisierung vernichtet werden, und wenn
zwei Drittel der Menschen, die erneut eine Arbeit finden, dieses durch eigenes Engagement schaffen. Geht es
den Arbeitslosen noch zu gut? Wohl kaum, wenn das monatliche Sozialhilfeniveau und das neue ALG-II-
Niveau liegt kaum höher, in bestimmten Aspekten sogar darunter gerade mal dazu reicht, 20 Tage
lang ein gesundes Leben sichert.
Müssen wir alle sparen? Wie soll das
gehen, wenn das unterste Zehntel der Gesellschaft nur Schulden hat, das unterste Drittel gerade mal 2%, das
oberste Zehntel aber die Hälfte, und das oberste halbe Prozent der Bevölkerung sage und schreibe
ein Viertel des gesellschaftlichen Vermögens besitzt. Wer muss, wer kann hier sparen? Im Übrigen,
so die Autoren, ist die immense Summe öffentlicher Verschuldung nichts im Vergleich zu den angesparten
Billionen privater Vermögen.
Die Löhne sind in diesem Lande durchaus
nicht zu hoch. Es kommt eben auf die Produktivität und die durch diese bedingten Lohnstückkosten
an, und diese machen Deutschland bekanntlich zum Exportweltmeister. Im Übrigen führt Lohnverzicht
nicht automatisch zu Investitionen die letzten 30 Jahre zeigen dies eindringlich , sondern zum
(privat angeeigneten) Unternehmensgewinn auf der einen und zur Nachfrageschwäche auf der anderen
Seite. Auch die Steuern sind im europäischen Vergleich alles andere als zu hoch wenn man
endlich unterscheiden würde zwischen den nominalen, auf dem Papier stehenden, und den real gezahlten
Steuern. Auch hier gilt: In bestimmten Aspekten ist Deutschland sogar eine Steueroase für die, die
viel Gewinn machen und viel Vermögen besitzen.
Da die Sozialausgaben nicht schneller steigen
als die Gesamtwirtschaftsleistung, ist es ebenso ein Mythos, dass der Sozialstaat immer teurer werde.
Rückin/Böker zeigen auf, dass die Krise der Staatsfinanzen politisch gemacht und aufrechterhalten
wurde. Es ist die neoliberale Umverteilungspolitik von unten nach oben, die den Staat partiell pleite und
die Reichtumskonzentration bei denen da oben immens gemacht hat. Geld ist genug da, wenn der Staat es sich
da holen würde, wo es sich versteckt.
Die Agenda 2010 schafft dagegen keine neue
Arbeitsplätze, sondern ist faktisch ein Jobkiller, der zur Lohndrückerei und zu Formen der
Zwangsarbeit führt. Das ist nicht neu, nicht originell, aber im Angesicht der permanenten
Mythenproduktion der neoliberalen Bewusstseinsindustrie immer wieder und wieder zu wiederholen.
Wer es noch genauer wissen will, braucht nicht
mal mehr lesen, nur zuhören dem Hörbuch von Norbert Böker und Ulrich Rückin.
Christoph Jünke
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04