SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2005, Seite 10

Hörtipp

Mythen des Neoliberalismus

Audio-CD: Norbert Böker & Ulrich Rückin, Mythen des Neoliberalismus. Ein Hörbuch wider die veröffentlichte Meinung, Osnabrück: sozio-publishing (www.sozio-publishing.de), 7,90 Euro

Mit effektiv 7 Millionen Arbeitslosen und 3 Millionen Sozialhilfeempfängern (davon ein Drittel Kinder) sowie 10% der Bevölkerung, die unter dem Existenzminimum leben müssen, hat dieses Land ein ernstes Problem. Doch verantwortlich sind nicht die Arbeitslosen selbst. Sie sind nicht die Täter, sondern die Opfer einer Politik im Interesse jener, die solche sozialen Probleme nicht haben.

»Aus Ärger darüber, dass die Opfer der gegenwärtigen gesellschaftlichen Krise zu den Schuldigen gemacht werden«, sind Ulrich Rückin und Norbert Böker ins Tonstudio gegangen und haben einige der zentrale Mythen des vorherrschenden Neoliberalismus auseinandergenommen.
Sind die Arbeitslosen faul? Wohl kaum, wenn die meisten der freigesetzten Arbeitsplätze aufgrund von Rationalisierung vernichtet werden, und wenn zwei Drittel der Menschen, die erneut eine Arbeit finden, dieses durch eigenes Engagement schaffen. Geht es den Arbeitslosen noch zu gut? Wohl kaum, wenn das monatliche Sozialhilfeniveau — und das neue ALG-II- Niveau liegt kaum höher, in bestimmten Aspekten sogar darunter — gerade mal dazu reicht, 20 Tage lang ein gesundes Leben sichert.
Müssen wir alle sparen? Wie soll das gehen, wenn das unterste Zehntel der Gesellschaft nur Schulden hat, das unterste Drittel gerade mal 2%, das oberste Zehntel aber die Hälfte, und das oberste halbe Prozent der Bevölkerung sage und schreibe ein Viertel des gesellschaftlichen Vermögens besitzt. Wer muss, wer kann hier sparen? Im Übrigen, so die Autoren, ist die immense Summe öffentlicher Verschuldung nichts im Vergleich zu den angesparten Billionen privater Vermögen.
Die Löhne sind in diesem Lande durchaus nicht zu hoch. Es kommt eben auf die Produktivität und die durch diese bedingten Lohnstückkosten an, und diese machen Deutschland bekanntlich zum Exportweltmeister. Im Übrigen führt Lohnverzicht nicht automatisch zu Investitionen — die letzten 30 Jahre zeigen dies eindringlich —, sondern zum (privat angeeigneten) Unternehmensgewinn auf der einen und zur Nachfrageschwäche auf der anderen Seite. Auch die Steuern sind im europäischen Vergleich alles andere als zu hoch — wenn man endlich unterscheiden würde zwischen den nominalen, auf dem Papier stehenden, und den real gezahlten Steuern. Auch hier gilt: In bestimmten Aspekten ist Deutschland sogar eine Steueroase für die, die viel Gewinn machen und viel Vermögen besitzen.
Da die Sozialausgaben nicht schneller steigen als die Gesamtwirtschaftsleistung, ist es ebenso ein Mythos, dass der Sozialstaat immer teurer werde. Rückin/Böker zeigen auf, dass die Krise der Staatsfinanzen politisch gemacht und aufrechterhalten wurde. Es ist die neoliberale Umverteilungspolitik von unten nach oben, die den Staat partiell pleite und die Reichtumskonzentration bei denen da oben immens gemacht hat. Geld ist genug da, wenn der Staat es sich da holen würde, wo es sich versteckt.
Die Agenda 2010 schafft dagegen keine neue Arbeitsplätze, sondern ist faktisch ein Jobkiller, der zur Lohndrückerei und zu Formen der Zwangsarbeit führt. Das ist nicht neu, nicht originell, aber im Angesicht der permanenten Mythenproduktion der neoliberalen Bewusstseinsindustrie immer wieder und wieder zu wiederholen.
Wer es noch genauer wissen will, braucht nicht mal mehr lesen, nur zuhören — dem Hörbuch von Norbert Böker und Ulrich Rückin.

Christoph Jünke

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