SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2005, Seite 10

Buchtipp

Lebensberatung der besonderen Art



Corinne Maier, Die Entdeckung der Faulheit. Von der Kunst, bei der Arbeit möglichst wenig zu tun, München: Goldmann-Verlag, 2005, 156 Seiten, 12,90 Euro. Auch als Audio-CD (gesprochen von Hella von Sinnen) für 19,90 Euro bei Random House Audio



Ein Ratgeber für kleine Angestellte, Lohnabhängige, Lohnsklaven, Verdammte des Tertiärsektors, Hilfskräfte des ökonomischen Prozesses, die von abgestumpften und unterwürfigen Subchefs herumkommandiert werden und gezwungen sind, sich ganze Wochen lang wie ein Kasper zu verkleiden und ihre Zeit mit nutzlosen Meetings und bescheuerten Seminaren zu verbringen? Gefällt mir, dachte ich — kaufte und wurde gar nicht enttäuscht.

Denn Corinne Maiers Pamphlet Von der Kunst bei der Arbeit möglichst wenig zu tun ist eine köstliche Darstellung des eigentlichen Wesens jedes modernen Unternehmens samt seiner Unkultur. »Das Unternehmen benutzt das Arbeitsrecht, um … es zu umgehen. Es nutzt alle Möglichkeiten befristeter Einstellungen, der Verwendung von Zeitarbeitskräften und flexibler Arbeitszeiten aus, die sich in sämtlichen Ländern der OECD entwickelt haben, und beschneidet so Stück für Stück die sozialen Sicherheitssysteme, die Laufe eines Jahrhunderts der Klassenkämpfe etabliert wurden.« Kurz gesagt: »Die Unternehmen verlangen zwar viel, hüten sich aber vor Versprechungen und geben überhaupt keine langfristigen Garantien.«
Wobei dieser klare Sachverhalt durch die Neusprache der Manager kaschiert wird: »Ich mache das follow-up des merging project mit einem coach, ich checke das downsizing«, heißt nichts anderes, als dass sie Leute entlassen. »Reengineering« ersetzt in vollem Umfang das Wort Umstrukturierung.
Das Besondere am vorliegenden Buch ist aber, dass Maier sich nicht nur auf solche verbalen Attacken beschränkt, sondern auch praktische Ratschläge zur Gegenwehr auf zwei Ebenen enthält: In kollektiver Form, indem der Beitritt zu Gewerkschaften empfohlen wird, die zwar »ausgedünnt durch den unerbittlichen Schwund ihrer Mitglieder ein wenig has been sind«, aber »doch manchmal eine entscheidende Rolle spielen, wenn ein Konflikt eskaliert«; auf individueller Ebene, indem die Autorin »innere Kündigung« empfiehlt und gleich in Punkte gegliedert Tipps mitliefert, wie man trotzdem überlebt, ja manchmal sogar aufsteigt.
»1.) Der Arbeitnehmer ist die moderne Variante des Sklaven. Besinnen Sie sich darauf, dass das Unternehmen nicht der Ort der Selbstentfaltung ist, das hätten Sie gemerkt. Sie arbeiten für das Gehalt am Ende des Monats, punktum. 2.) Was Sie tun ist letztlich zu nichts nutze, und Sie können von einem Tag auf den anderen vom erstbesten Idioten ersetzt werden. Arbeiten Sie also so wenig wie möglich und verwenden Sie einen Teil Ihrer Zeit darauf, ›sich zu verkaufen‹ und sich ›ein Netz aufzubauen‹, sodass Sie im Fall einer Umstrukturierung auf Unterstützung zählen können und relativ unangreifbar sind. 3.) Sie werden nicht danach beurteilt, wie Sie Ihre Arbeit erledigen, sondern nach Ihren Fähigkeiten, sich brav an das propagierte Modell anzupassen. 4) Nehmen Sie niemals und unter keinen Umständen einen verantwortungsvollen Posten an. 5.) Wählen Sie stattdessen in den größten Unternehmen die überflüssigsten Stellen: Beratung, Gutachten, Forschung, Untersuchung. Je nutzloser Sie sind, umso weniger kann man Ihren Beitrag zur Schöpfung von Reichtum im Unternehmen quantifizieren. Meiden Sie operative Posten wie die Pest. 6.) Haben Sie ein solches Plätzchen gefunden, dann vermeiden Sie vor allem Veränderung. Nur die Exponiertesten unter den Angestellten werden gefeuert. 7.) Lernen Sie an diskreten Anzeichen (Details an der Kleidung, schräge Witze, warmes Lächeln) diejenigen zu erkennen, die wie Sie am System zweifeln und sich seiner maßlosen Absurdität bewusst geworden sind. 8.) Wenn Sie Leute ›betreuen‹, die nur vorübergehend im Unternehmen sind, behandeln Sie sie herzlich, denn Sie sollten nie vergessen, dass es die einzigen sind, die wirklich arbeiten.«

P.S. Corinne Maiers Arbeitgeber, der französische Energiekonzern EDF, rief seine Mitarbeiterin zunächst zur Ordnung, stellte aber aufgrund der lauten Proteste in der Öffentlichkeit die angestrengten Disziplinarmaßnahmen wieder ein.

Fritz Keller

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