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Wenn man mit den Gesamtumständen
unzufrieden ist, gibt es wirkungsvolle und wirkungslose Methoden, sich über sie zu erheben. Manchmal
kommt dabei sogar Kritik heraus, manchmal aber auch nur das Polizeiauto. So hat jüngst in den USA ein
17-jähriger Schüler den letzten Schultag damit aufgewertet, dass er die Rückgabe seines
Schulbuches nutzte, um volle Kanne auf seinen Spanischlehrer zu kotzen. Dummerweise war sein Wunschpublikum
gar nicht anwesend, sodass er einer Mitschülerin nur erzählen konnte: »Du hast es verpasst,
ich habe es getan.« Stattdessen wurde er jetzt von einem Gericht in bester US-amerikanisch-klerikaler
Sitte dazu verurteilt, vier Monate lang das Erbrochene in Polizeiautos aufzuwischen.
Nur wenig besser kommt der dienstälteste
sozialdemokratische Regierungschef Europas, Anthony Blair, weg. Wer kennt nicht noch den von Ernst Busch
einst auf die Sozialdemokratie gesungenen bösen Spott: »Wir schlagen Schaum, wir seifen ein, wir
waschen unsere Hände wieder rein…« Der Anlass waren Seifenstückchen, die von der SPD
auf ihrem Parteitag verschenkt wurden. Nun ist gerade offiziell vom Amtssitz des britischen
Premierministers mitgeteilt worden, dass der schöne Tony sein Strahlemann-Image regelmäßig
nachpolieren muss. Damit er trotz Golfkriegsverbrechen, Lügengeschichten, Polizeimorden, Sozialabbau
und dem daraus folgenden Absturz in der Wählergunst nicht allzu blass aussieht, hat Blair in seiner
letzten Amtszeit 1050,22 Pfund (1520 Euro) für Kosmetika und professionelles Make-up ausgegeben und
dienstlich abgerechnet. Das ist doppelt so viel wie die britische Durchschnittsfrau für
Schönheitspflege ausgibt. Früher haben wir in unseren Marxismusschulungen immer gern ein
Zahlenbild eingebracht, dass die jährlich 20 Millionen Kinder, die an Hunger und vom Hunger
verursachten Krankheiten sterben, gerettet werden könnten, wenn nur so viel Geld für ihre Hilfe
investiert wird, wie alljährlich von Großbritanniens Frauen für Kosmetik ausgegeben wird.
Jetzt könnten wir das sogar mit einer präzisen Kritik an der Sozialdemokratie Tony Blairs
verbinden.
Dass Kritik nicht immer besonders präzise
ist, hat aktuell jemand bewiesen, an deren Existenz wir schon zu zweifeln begannen: Jutta Ditfurth und ihre
Ökologische Linke. Sie verbreiten ein vierseitiges Pamphlet unter dem Titel »Die Linkspartei:
Alles für Kapital und Vaterland, für Linke nur Lug und Betrug«. Dessen Fazit kommt gleich
auf der ersten Seite: »Wer Linkspartei wählt, akzeptiert den Kapitalismus als
unveränderliches Schicksal, wählt Ausbeutung, Sozialterror, Rassismus, Militarismus und
imperialistischen Krieg…« Wir wollen jetzt nicht die Frage stellen, was akzeptiert, wer nicht
Linkspartei wählt, aber die affirmative Konsequenz einer sich auf Ideologiekritik beschränkenden
Polemik fällt irgendwie schwer ins Auge. Nach der Anfangs-, die gleich Schlussfolgerung ist, folgen
ganze dreieinhalb Seiten voller uralter Zitate, besser Halb- und Viertelzitate, von Lafontaine und Gysi und
deren ideologiekritischer Abschlachtung. Dafür werden dann symbolisch alle Mitglieder und potenziellen
Wähler der Linkspartei in Sippenhaftung genommen. Zum Schluss werden Zitatfetzen aus neuen Texten der
Linkspartei in einen Brei verrührt, die in einer Weise verfälscht und verfälschend sind,
dass sich das Vorstandsmitglied der Journalistengewerkschaft Ditfurth ernsthaft fragen sollte, wie es um
ihren Berufsethos der Wahrheitsliebe bestellt ist.
All das ist umso bedauerlicher, als die
Linkspartei sehr viele äußerst kritikwürdige Positionen hat. Wir könnten und
haben ja auch schon weit mehr als vier Seiten mit tief gehender Kritik an Politik, Programm und
Personal der Linkspartei und der WASG füllen. Einem gesellschaftlichen Prozess wie der Entwicklung
einer neuen Linkspartei, der mittlerweile Millionen von Menschen erfasst, der gravierende Änderungen
an dem politischen Koordinatensystem des Nachkriegsdeutschland ermöglichen kann, würde das sehr
gut tun. Den und der Kritik Übenden selbstredend auch. Angesichts des Papier gewordenen Beweises der
Armseligkeit der auf Ideologiekritik beschränkten Auseinandersetzung mit der Linkspartei, den uns die
Ökologische Linke hier vorlegt, bleibt uns nur die Flucht auf den Baum: liebe Ökologen, liebe
Linke: schont die Wälder, bevor ihr für so einen Quark Papier verschwendet.
Thies Gleiss
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