SoZSozialistische Zeitung |
Im Zuge der Anti-Terror-Bekämpfung nach dem 11.September 2001 sind
u.a. auf Druck der USA auch in der EU und der Bundesrepublik neue Gesetze beschlossen worden.
Unter anderem sollen ab November alle neu auszustellenden Reisepässe mit zusätzlichen
biometrischen Daten ausgestattet werden.
Schon bisher waren Kennzeichen der Person auf dem Pass enthalten: vor allem das Gesichtsbild,
Größe und weitere Angaben. Zusätzlich sollen nun Fingerabdrücke, Irisabbild, bis hin zu
dreidimensionalen Gesichtsbildern möglich gemacht werden. Es wird davon ausgegangen, dass diese
Merkmale Pass und Passträger sicherer und eindeutiger miteinander verbinden, als das bloße Foto.
Das Problem dabei ist, dass diese Merkmale
bisher hauptsächlich für polizeiliche Zwecke verwendet wurden. Nun muss sich jede Person, die
einen Pass beantragt, Fingerabdrücke nehmen lassen eine Änderung, die alle Reisenden in
die Nähe erkennungsdienstlicher Behandlung bringt. Fachleute bezweifeln allerdings, dass diese
biometrischen Daten eine Passfälschung noch sicherer verhindern können als bisher das ist
schließlich eine Frage der Technik der Passherstellung und nicht der enthaltenen Datenmenge.
Schließlich ist zu kritisieren, das erheblich mehr Daten erfasst werden, als für eine sichere
Erkennung nötig sind. Gerade das scheint jedoch Absicht zu sein.
Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass diese
in den Pass aufzunehmenden Kennzeichen digitalisiert und damit maschinell lesbar gemacht werden sollen, so
wie es bisher schon eine optisch maschinenlesbare Zone gibt. Die elektronisch erfassbare Speicherung auf
dem Pass ermöglicht einen erheblich leichteren zusätzlichen Zugriff auf die Daten der Personen.
Als einzuführende Technik für die Speicherung der Daten in dem Pass wird das RFID (Radio
Frequency Indentification Device etwa: Funkidentifizierungsbaustein) genannt. Diese Technik ist
bekannt aus Handel und Industrie und wird zur Identifizierung und Verfolgung von Waren bei der Produktion,
Lagerung und Verkauf eingesetzt.
Anstelle des bzw. zusätzlich zum Barcode
(Streifenmuster, das z.B. am Regal oder an der Kasse per Scan ausgelesen wird) werden diese RFIDs fest mit
dem Produkt verbunden und enthalten wesentlich mehr Informationen, die sie per Funk, also
berührungslos, an ein Lesegerät geben, wobei das Lesegerät mit seiner Funkkennung die RFID-
Chips zum Senden der Daten auffordert. Einige Planungen gehen dahin, diese RFIDs dauerhaft z.B. in Schuhen
einzubauen, um dann eine Verbindung zwischen Ware und Käufern auch später noch für
Werbezwecke herstellen zu können, etwa wenn dasselbe Geschäft wieder betreten wird.
Gerade deswegen ist diese Technik in die
Kritik geraten: die Vorstellung, dass digitalisierte Personenkennzeichen wie Fingerabdrücke ohne
Kenntnis und »im Vorbeigehen« aus dem Pass ausgelesen werden könnten, hat nicht nur
Datenschützer auf den Plan gerufen. Schließlich muss bisher bei einer Passkontrolle der Pass
bewusst in ein Lesegerät eingeführt werden, die Kontrolle erfolgt über
Bildgesichtsvergleich. Das soll nun alles automatisiert möglich werden. Ein Abhören des
Funkverkehrs zwischen Lesegerät und Chip wird noch in mehr als 2 Metern Entfernung als technisch
möglich bezeichnet. Dies wird ja zum Teil von Warenhäusern als Diebstahlsicherung eingesetzt
ein an der Kasse nicht entfernter oder entwerteter Chip (bisher andere Bauarten) wird an der
Ausgangstür durch ein Lesegerät zum Funken angeregt und löst damit Alarm aus.
Mit einem RFID-versehenen Pass und
diese Technik soll womöglich auf weitere Indentifikationssysteme wie Personalausweise,
Sozialversicherungskarte usw. ausgeweitet werden erhält man einen Datenschattenwerfer ganz
anderer Art als bisher der maschinenlesbare Ausweis.
Fingerabdrücke, Gesichtskennung oder Irisscan erfordern eine erheblich größere Datenmenge
als bisher, die im Ausweis verschlüsselt enthalten sein werden. Aber die technische Entwicklung
ermöglicht seit längerem, dass diese Datenmengen in Datenbanken verwaltet und abgeglichen werden
können. So gibt es für polizeiliche Zwecke inzwischen Fingerabdruckdatenbanken oder
Genanalysedatenbanken, die den Vergleich zwischen den an einem Tatort gefundenen Merkmalen und
gespeicherten Daten automatisch ermöglichen.
Die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil, die die generelle zentrale Erfassung von
Personenkennzeichen und Daten verbot, wird mit der neuen Technik umgangen werden können. Eine zentrale
Speicherung wird im Terrorbekämpfungsgesetz zwar nicht vorgesehen, und die für die Erstellung der
neuen Pässe zuständige Bundesdruckerei erklärte, dass alle Daten nach Fertigstellung des
Passes gelöscht würden. Aber eine Speicherung in dezentralen Datenbanken wird dadurch
möglich, dass jeder Passantrag mit dem Einlesen der biometrischen Daten verbunden ist, die dann
gespeichert werden und als Hintergrundmaterial auf Anforderung von Polizei oder anderen Dienststellen
eingesehen werden können. Durch Vergleich und dem Eigentümer nicht bekannte
Zusammenführung mit anderen Datenbanken lassen sich schließlich Persönlichkeits- und
Bewegungsbilder erstellen. Damit ist die Verfügungsgewalt über die Daten den Passbesitzern
entzogen.
Eine Technik dagegen, die sowohl Daten als
auch Lesevorgang nur innerhalb des Speichers im Pass selber ermöglicht, also ein Auslesen der Daten
aus dem Pass unmöglich macht, gibt es bereits. Sie wird aber politisch offensichtlich nicht
angestrebt, um den vermeintlichen Zweck der Sicherheit des Reisepasses mit ganz anderen Zwecken,
nämlich dem der Datenerfassung von Bürgern im großen Stil, zu verbinden.
Andere großangelegte IT-Projekte der
Bundesregierungen wie die kommende Sozialversicherungskarte deuten in eine ähnliche Richtung. Sie sind
nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor für die mit der Herstellung der Geräte und Programme
betraute IT-Industrie, sondern ein Mittel der datenmäßigen Erfassung der ganzen Bevölkerung
zu Zwecken, die weit über das Bekannte hinauszugehen scheinen. Motto: Sind die Daten erst einmal
erfasst und gespeichert, werden sie auch ausgewertet.
Schlaue Bürger finden sich deswegen
derzeit vor allem in den kommunalen Behörden, denn wer jetzt seinen alten Reisepass verlängert
oder einen neuen beantragt, hat für zehn Jahre Ruhe es sei denn, er möchte in die USA
reisen.
Rolf Euler
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04