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Auf dem jüngsten Kongress des US-amerikanischen Dachverbands der
Gewerkschaften AFL-CIO in Chicago vom 25. bis 28.Juli sind die drei größten Gewerkschaften aus
dem Verband ausgetreten. Sie bildeten zusammen mit vier weiteren die Koalition »Change to Win«.
Damit haben mehr als ein Drittel des 13 Millionen Mitglieder zählenden AFL-CIO (Jahresbudget:
120 Millionen Dollar) den Verband verlassen. Die ausgetretenen Gewerkschaften sind die
Dienstleistungsgewerkschaft Service Employees International Union (SEIU), die Transportarbeitergewerkschaft
Teamsters Union und die Beschäftigten im Einzelhandel United Food and Commercial Workers (UFCW) wollen
einen rivalisierenden Verband aufbauen, der den 50 Jahre alten Verband AFL-CIO praktisch lahm legen wird.
Der Vorsitzende der SEIU, Andrew Stern,
rechtfertigte die Spaltung damit, sie sei nötig, um die 87% Lohnabhängigen in den USA zu
organisieren, die keiner Gewerkschaft angehören. Stern organisierte seine eigenen Pressekonferenzen in
Chicago und sprach über die Herausforderungen, vor denen die Lohnabhängigen stehen in der
Hoffnung einen Kontrast zum schwerfälligen AFL-CIO-Kongress zu schaffen.
Tatsächlich begleitete das inszenierte
Treffen des neuen Verbands die übliche Parade von Politikern der Demokratischen Partei. Eine
erfreuliche Ausnahme bildete die Verabschiedung einer Resolution, die den raschen Rückzug der US-
Truppen aus dem Irak forderte sie brachte die überwältigende Mehrheit der Delegierten
hinter sich. Das war das Ergebnis der monatelangen Arbeit der Initiative US Labor Against the War.
Die Differenzen zwischen den beiden
rivalisierenden Verbänden sind geringer, als beide Seiten zugeben wollen. Jerry Tucker, früherer
ein oppositioneller Funktionär der United Auto Workers, meinte, beide Seiten hätten es darauf
abgesehen, die Art »Sozialpartnerschaft« zu retten, die die Unternehmer schon seit drei
Jahrzehnten ablehnen.
Die Führung des AFL-CIO antwortete auf
die Spaltung mit einer Reihe von bürokratischen Maßnahmen: die ausgetretenen Gewerkschaften
wurden aus den lokalen und bundesstaatlichen Gremien ausgeschlossen.
Einige verglichen diese Abspaltung mit dem
militanten Congress of Industrial Organizations (CIO) der 30er Jahre, doch sagt der Vergleich mehr
über die geschickte Propaganda der SEIU als über die Realität. Der CIO wurde 1935 von
dissidenten Führern der American Federation of Labor (AFL) gegründet, um sich an die Spitze einer
Rebellion der Basis zu stellen, die im Jahr zuvor zu Generalstreiks in Minneapolis, Toledo und San
Francisco geführt hatte.
Die jetzige Spaltung hingegen findet inmitten
der größten Flaute von Streikaktivitäten seit den späten 40er Jahren statt. Auf beiden
Seiten bemühen sich Gewerkschaftsführer nach Kräften, die Verhältnisse so zu lassen,
indem sie Druck auf Mitglieder ausüben, dass sie Stellenkürzungen und Einbußen bei
Löhnen und Sozialleistungen in Milliardenhöhe hinnehmen.
So ist bspw. der Vorsitzende der UFCW, Joe
Hansen, Sterns neuester Verbündeter, für eine Reihe miserabler Tarifabkommen im
Lebensmittelhandel nach der Streikniederlage gegen die drei größten Unternehmen der Branche im
vergangenen Jahr in Südkalifornien verantwortlich. Hansen ist der Mann, der im dramatischen Streik von
1985/86 in der Fleischverpackungsfabrik Hormel in Austin, Minnesota, die gewählte Führung des
UFCW-Bezirks P-9 absetzte und anschließend Zugeständnisse an das Management aushandelte. Nach wie
vor ist er »stolz« auf seine Rolle in diesem Streik und sagte in einem Interview: »Es ist
mir zu verdanken, dass es in der Fabrik immer noch eine Gewerkschaft gibt.«
Hansens Methode, die Streikkasse der
Gewerkschaft zu schonen und lieber Konzessionen zu machen, wird von Gewerkschaftsführern auf beiden
Seiten geteilt. Konzessionen durchzusetzen, damit die »Sozialpartner« profitabel bleiben,
bedeutet zwangsläufig, dass die Erwartungen der Gewerkschaftsmitglieder gesenkt und diese
demobilisiert werden, statt sie für die Organisierung neuer Mitglieder zu gewinnen.
Wenn die Gewerkschaften die
Zugeständnisse nicht stoppen können wie jüngst wieder die Abschaffung der
Pensionsfonds bei United Airlines, die Halbierung der Löhne bei Autozulieferern und das Ende einer
erschwinglichen Krankenversicherung für Beschäftigte in Lebensmittelläden , warum
sollten dann nicht gewerkschaftlich Organisierte das Risiko eingehen, wegen des Beitritts zur Gewerkschaft
entlassen zu werden?
Wenn Teamster-Präsident James Hoffa
bereit war, den Streik der Angestellten der Lebensmittelläden im südlichen Kalifornien zu
sabotieren, indem er den Gewerkschaftsmitgliedern erlaubte, Läden zu beliefern, in denen Streikbrecher
arbeiteten, warum sollten relativ gut bezahlte Lkw-Fahrer von Wal-Mart seiner Gewerkschaft beitreten?
Kein Geld mehr für den AFL-CIO
Sein wirkliches Motiv für die Abspaltung
offenbarte Hoffa, der jüngst einen internen Bericht über Mafiaumtriebe bei den Teamsters
unterdrückt hat, als er wiederholt die 10 Millionen Dollar Jahresbeitrag erwähnte, die die
Teamsters nun nicht mehr an die AFL-CIO zu bezahlen haben.
Der Disput zwischen AFL-CIO-Präsident
John Sweeney und Stern, Hoffa und Konsorten dreht sich denn auch um die relativ geringfügige Frage von
Beitragsrückzahlungen durch den Dachverband an die Einzelgewerkschaften. Stern und Hoffa kritisieren
zwar den AFL-CIO zu Recht dafür, dass sie zu viel Geld in die Demokratische Partei pumpen,
gleichzeitig betonte Stern aber auf einer Pressekonferenz, seine Gewerkschaft leite mehr Geld an die
Demokraten als der AFL-CIO das ist wohl kaum ein Signal für politische Unabhängigkeit.
Gewiss ist mehr Geld für die Organisation
von entscheidender Bedeutung. Doch selbst wenn es mehr Geld gibt, werden die fatalen Methoden, die dabei
angewandt werden, nicht überwunden. In der einen Gewerkschaft ist der Organisator vielleicht ein gut
bezahlter Angestellter, in der anderen ein junger Idealist, der frisch vom College kommt und bereit ist,
für wenig Geld 18 Stunden am Tag zu arbeiten. Aber das grundlegende Herangehen ist dasselbe die
hauptamtlichen Organisatoren werden von den Gewerkschaftsfunktionären an der kurzen Leine gehalten,
auch dann wenn die Mitglieder an der Basis gegenüber ihrer Gewerkschaft verbittert sind, weil sie es
versäumt, sich gegen die Angriffe der Unternehmer zu wehren.
Die SEIU hebt sich sich durch
öffentlichkeitswirksame strategische Organisierungskampagnen hervor: Gestützt auf die
örtliche Bevölkerungen übt sie auf Unternehmer Druck aus, dass sie sog. »Card-
check«-Abkommen unterzeichnen, bei denen das Management die Gewerkschaft im Betrieb anerkennt, wenn
eine einfache Mehrheit der Belegschaft Mitgliedsausweise unterzeichnet hat.
Auf lokaler Ebene hat das gelegentlich
funktioniert, nun scheinen Stern und Hansen diese Methode gegen Wal-Mart einsetzen zu wollen. Sie meinen
wohl, sie könnten mit einer abgespaltene Fraktion einer Arbeiterbewegung, die sich auf ihrem Tiefpunkt
der letzten 80 Jahre befindet, einen frontalen Angriff gegen den größten und bösartigsten
gewerkschaftsfeindlichen Arbeitgeber des Landes starten.
Gegen Stern und die »Change to Win«-
Koalition hat der Rest der Gewerkschaftsbürokratie die Reihen um Sweeney geschlossen. Aber wenn Sterns
Appell für einen »Wandel« hohl klingt angesichts seiner Kumpanei mit Figuren wie Hoffa und
Hansen, so gilt dasselbe für Sweeneys Aufruf zur Einheit im »Haus der Arbeit«.
Der AFL-CIO-Kongress wurde von Leuten
dominiert, die in der Hierarchie ihrer Gewerkschaften aufgestiegen sind, weil sie als Ja-Sager und -
Sagerinnen abweichende Auffassungen rücksichtslos unterdrückt haben.
In den folgenden Wochen und Monaten wird auf
die Gewerkschaftsmitglieder und die Aktiven in der Arbeiterbewegung Druck ausgeübt werden, sich dem
einen oder anderen Lager anzuschließen. Man wird dafür sorgen müssen, dass die Spaltung an
der Spitze nicht die Bewegung an der Basis zerreißt.
Lee Sustar
http://socialistworker.org(Übersetzung: Hans-
Günter Mull)
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