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Wegen des sog. »einseitigen Abzugs« aus dem besetzten Gazastreifen
gegen den Widerstand rechter jüdischer Siedler wurde Israels Ministerpräsident Ariel Sharon von
westlichen Regierungen als Friedensstifter gepriesen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Toufic Haddad,
früher Mitherausgeber von Between the Lines, berichtet aus Bethlehem, worum es Sharon bei seinem
Rückzugsplan geht.
Sharons Rückzugsmanöver wurde in den USA sowohl von Republikanern wie auch Demokraten als
»historische und mutige Aktion« bezeichnet. Der Plan war zuerst Ende 2003 angekündigt
worden, als Sharon versprach, »zwischen Israel und den Palästinensern die wirksamste
Sicherheitslinie zu ziehen, die möglich ist«. Seitdem hat seine Regierung unermüdlich an der
Ausarbeitung der Details gearbeitet, einschließlich der Frage, was mit den 5000 israelischen Siedlern
geschehen soll, die in Gaza leben. Im politischen Establishment Israels fand Sharon Zustimmung für
seinen Plan und forderte von der US-Regierung zusätzliche 2,2 Milliarden Dollar Hilfe, um sie
auszuführen.
In Wirklichkeit bedeutet Sharons Abzugsplan
keine Verlegung von Truppen oder Umsiedlung von Siedlern. Er ist ein breiteres Vorhaben, das die Ära
der »Oslo-Abkommen« ersetzen und auf Jahre hinaus einseitig die Natur der künftigen
palästinensisch-israelischen Beziehungen bestimmen wird.
So seien vorab einige Mythen zerstreut, die
sich um Sharons Plan ranken. Die Besetzung des Gazastreifens wird dadurch nicht beendet, und sie nimmt auch
nicht mildere Formen an. Weder übergibt Israel die Kontrolle an eine souveräne Macht noch
verspricht es, in Zukunft außerhalb des Gebiets zu bleiben. Tatsächlich wird Israel durch den
Plan, wie er vom israelischen Parlament verabschiedet wurde, ermächtigt, die Kontrolle über den
Gazastreifen über Land, Luft und Meer aufrechtzuerhalten und »vorbeugende und reagierende
Gewaltmaßnahmen gegen Bedrohungen« zu treffen, die »vom Gazastreifen ausgehen«. Im
Wesentlichen ist dies eine Lizenz für Israel, seine Politik der verbrannten Erde und der gezielten
Tötungen unbegrenzt fortzusetzen.
Somit definiert Israel seine Besetzung des
Gazastreifens lediglich neu entlang von Linien, die für seine militärische Kontrolle
günstiger sind, denn das alte Arrangement hatte sich seit dem Beginn der Al-Aqsa-Intifada und der
Entwicklung eines gutorganisierten Guerillakampfes gegen die jüdischen Siedler und die israelische
Armee im Gazastreifen als ineffektiv erwiesen.
Obwohl sich der Rückzugsplan auf den
Gazastreifen zu konzentrieren scheint, richtet er sich vor allem gegen das Westjordanland, dort geht es
insbesondere um die Konsolidierung der wesentlichen israelischen Siedlungsblöcke. Diese Blöcke,
in denen die Hauptmasse der Siedler lebt, liegen an den wichtigsten Wasserquellen dergesamten Region.
Außerdem zerstückeln sie das Westjordanland dauerhaft in eine Reihe von Kantonen.
Wegen dieser Siedlungen ist die Schaffung eines unabhängigen, territorial zusammenhängenden
palästinensischen Staates in diesen Gebieten das vorgebliche Ziel des Osloer
»Friedensprozesses« bloß ein Hirngespinst. Das steht auch ausdrücklich im Text
des Rückzugsplans; er verspricht, dass »Israel die zentralen jüdischen Siedlungsblöcke,
Städte, Sicherheitszonen und anderen Ländereien, die zu behalten Israel interessiert ist,
annektieren wird«. Zum ersten Mal seit der Annexion von Ost-Jerusalem kurz nach dem Krieg von 1967
wird das israelische Parlament der Annexion besetzten palästinensischen Landes zustimmen.
Dies erklärt, warum die Aufmerksamkeit
auf den Gazastreifen konzentriert wird. Sie soll von den massiven Ghettos abgelenkt werden, die im
Westjordanland errichtet werden in Form von Mauern, Militärbasen und enormen Checkpoints, die
als Kreuzungspunkte zwischen diesen Ghettos und der äußeren Welt fungieren.
Nicht weniger wichtig (aber allzu oft
ignoriert) sind die Auswirkungen, die der Plan auf die palästinensischen Bürger Israels haben
wird. Große Teile der US-»Hilfe« für die Durchführung des Rückzugsplans
werden dafür verwandt, israelische Juden in der Negev und in Galiläa anzusiedeln den
beiden Hauptgebieten, in denen palästinensische Bürger innerhalb Israels konzentriert sind.
Israel hat diese Gemeinschaft stets
diskriminiert und unterdrückt, seit sich ihre Angehörigen als »Nichtjuden« in einem
jüdischen Staat wiederfanden von der Gründung Israels 1948 über die Enteignung der
großen Mehrheit der Palästinenser. Aber diese Unterdrückung hat sich im Gefolge der Al-Aqsa-
Intifada drastisch gesteigert bis dahin, dass Israel nun dazu übergeht, politische Vertretungen
von Palästinensern im Parlament zu verbieten, massive Kampagnen von Häuserzerstörungen
organisiert und die jüdischen Siedlungen in und um palästinensische Dörfer verstärkt.
Es sind exakt dieselben Techniken, die in den besetzten Gebieten im Westjordanland angewandt werden.
Schließlich zielt Sharons Plan darauf ab,
die Grundgedanken des Osloer »Friedensprozesses« beiseite zu schieben aus zionistischer
Perspektive ist er vollständig gescheitert. In anderen Worten, die Annahme, es sei möglich,
vermittelt über »palästinensische Partner« eine palästinensische Zustimmung
für Israels koloniale Ambitionen zu erhalten (was nichts mit der Erlangung eines dauerhaften und
gerechten Friedens zu tun hat), hat sich dauerhaft erledigt.
Sharons Berater Dov Weisglass drückt es
so aus: »Der Rückzug ist tatsächlich Formaldehyd. Er liefert die Menge Formaldehyd, die
nötig ist, damit es keinen politischen Prozess mit den Palästinensern geben wird«, und die
Israel befähigt, »sich bequem in einer Interimssituation aufzuhalten, die uns so weit wie
möglich von politischem Druck fernhält«.
Mit der Vollendung des Rückzugs
der in Israel bewusst als eine traumatische Erfahrung inszeniert wird, von der niemand
»vernünftigerweise« verlangen kann, dass Israel sie einmal wiederholt bricht eine
neue Ära an. Sie wird geprägt sein von einer konsolidierten Karte palästinensischer Ghettos,
die von einer stetig zunehmenden Expansion von Siedlungen auf beiden Seiten der Grünen Linie im
Westjordanland bedrängt werden jedesmal begleitet von einer enormen israelischen Repression,
wenn Palästinenser versuchen, gegen ihr Schicksal Widerstand zu leisten.
Hier wird die »Road Map« der US-
Regierung eine Rolle spielen als ein »politischer Prozess«, der die Zulässigkeit
israelischer Aktionen kodifiziert, bis eine faktisch grenzenlose Serie »politischer, sozialer und
Anti-Terror-Reformen« von den palästinensischen Behörden verwirklicht wird. Die Einleitung
dieser neuen Ära langfristiges Szenario eines permanenten Krieges, der auf nichts weniger zielt
als auf die Zerschlagung der palästinensischen nationalen Bewegung ist weitaus bedeutender als
der »Rückzug« aus Gaza selbst.
Der internationalen (v.a. US-amerikanischen)
Solidaritäts- und Antikriegsbewegung kommt bei der Aufdeckung der Wahrheit hinter dem
Rückzugsplan eine besondere Aufgabe zu. Der Aufbau einer Massenbewegung, der den Kampf Palästinas
mit dem Kampf gegen die Besetzung des Irak verbindet, ist die beste Hoffnung gegen die unheilvolle
Perspektive, die diese Politik uns allen in Aussicht stellt.
Toufic Haddad, Bethlehem
http://socialistworker.org (Übersetzung: Hans-
Günter Mull)
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