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Weder der Republikaner George W. Bush, seines Amtes Präsident der USA, noch Kathleen Blanco, ihres Zeichens
»demokratische« Gouverneurin von Louisiana, des ärmsten Bundesstaates, auch nicht der ebenfalls »demokratische«
Bürgermeister von New Orleans sind dafür verantwortlich, dass der Hurrikan Katrina Ende August den zentralen Abschnitt der US-Golfküste
traf. Für die Folgen allerdings sind alle drei typischen Repräsentanten der herrschenden Bourgeoisie von »Gottes eigenem Land«
durchaus verantwortlich.
Während Bush den Katastrophenschutz des Landes, die Federal Emergency Management Agency (FEMA) einem seiner politischen Cronies
unterstellt hat, von dem man noch nicht definitiv weiß, ob seine Unfähigkeit Methode hatte oder nicht, fiel der Gouverneurin angesichts des
heraufziehenden Unglücks nichts Besseres ein als die unvermeidlichen Opfer aufzufordern, Katrina von Kategorie 4 auf Kategorie 2 herunter zu beten und
dann den von den irakischen Killerfields eingeflogenen Kommandos der Nationalgarde den Befehl zu erteilen, WalMarts und andere Geschäftsinteressen
vor Plünderungen durch allein gelassene und ausgehungerte, überwiegend schwarze Proletarier und Subproletarier bewaffnet zu verteidigen. Der
Bürgermeister, dessen unverblümte Sprache gegenüber Bush und seinen Leuten werbewirksam durch die Medien ging, hatte sich
zunächst dagegen gesperrt, den Superdome in New Orleans für die Opfer zu öffnen, da er befürchtete, diese könnten dessen Wert
z.B. durch Graffiti mindern.
Sie alle, ebenso wie die sich jetzt nach dem Sturm auf New Orleans und andere der am
schwersten betroffenen Regionen Louisianas, Mississippis und Alabamas wie die Geier herabstürzenden Immobilienspekulanten und
Kriegsgewinnlerkonzerne vom Schlage der Halliburton, Bechtel, wussten ungeachtet der zu erwartenden Dementis schon seit Jahren, was über kurz oder
lang in der Region anstehen würde und haben leider keineswegs nichts getan.
Das speziell New Orleans schützende Deichsystem New Orleans Innenstadt liegt zu 80% unter dem Meeresspiegel wurde vor
mehr als hundert Jahren angelegt. Zum letzten Mal wurde es 1956 als Reaktion auf den Hurrikan Betsy erneuert. Betsy, die New Orleans 2 Meter tief unter
Wasser setzte, hatte die Kategorie 3 und gerade einmal einer solchen Kategorie sollten die Dämme standhalten. Katrina traf jedoch die Küste am
29.August als Sturm der Kategorie 4.
Bereits 1998 hatte es den Hurrikan Georges gegeben, der zum Anlass genommen worden war,
eine Reihe von Untersuchungen anzustellen, wie das Deichsystem zu verbessern sei. Damals, am 18.November, berichtete die lokale Times-Picayune, dass die
östlich von New Orleans gelegene und jetzt mit am stärksten betroffene Gemeinde St.Bernard den Kongress gebeten habe, Geld für
Untersuchungen bereit zu stellen, um den Schutz vor Hurrikanen von der Stärke von Georges oder von Mitch aus dem gleichen Jahr zu verbessern. Die
Gemeinde reagierte damit auf eine Aufforderung des Army Corps of Engeneers, das eine Aufrüstung des Dammsystems gegen Stürme der Kategorie
4 und 5 gefordert hatte.
In der Tat war nicht unbedingt damit zu rechnen, dass die Zahl der Stürme relevant
zunimmt, wohl aber dank der Erderwärmung, für die an führender Stelle die USA mitverantwortlich sind deren Stärke.
Die gleiche Zeitung zitierte am 17.3.2001 den führenden Projektleiter des ACE, Al Naomi, dahingehend, dass das Deichsystem schon unzureichend
gewesen wäre, wenn Georges dieses frontal getroffen hätte.
Dass es hier nicht um abstrakte Überlegungen ging, zeigte eine Einschätzung der
FEMA von 2001, derzufolge die Schäden eines Hurrikans in der Crescent City in der es sich so leicht leben lässt (»Big Easy«),
so man nicht zur schwarzen und armen Mehrheitsbevölkerung gehört zu den drei größten und vor allem wahrscheinlichsten
Katastrophen in den USA gehörten.
Im Oktober 2004 schilderte die Zeitschrift The National Geographic ein Szenarium für einen Sturm der Kategorie fünf mit einer Million
Obdachlosen und 50000 Toten und zitierte den Geologen Shea Penland von der University of New Orleans mit den Worten: »Es geht nicht darum, ob das
passieren wird. Es geht um die Frage, wann.«
Die Zeitschrift wies darauf hin, dass Louisiana von der Grenze Mississippis bis zur Grenze von
Texas schneller als irgendein anderer Staat der USA den schützenden Gürtel von Marschen und vorgelagerten Inseln verliert. Seit den 1930er Jahren
habe der Staat etwa 4900 km2 an Feuchtgebieten an der Küste verloren, ein Gebiet von fast der doppelten Größe von Luxemburg. Das ist das
Resultat der massiven Ausweitung von Deichen nach der großen Flut von 1927 und der Tatsache, dass seit den 50er Jahren im Interesse der
Erdölindustrie und der Schiffahrt über 13000 Kilometer Kanäle durch die Sümpfe gezogen wurden. Das führte zu zunehmender
Erosion und dem Einströmen von Salzwasser in die Süßwassermarschen.
Da in Louisianas Feuchtgebieten und an der Küste über ein Drittel der US-
Ölförderung und ein Viertel der Naturgasförderung stattfindet, nur Alaska fischreicher ist und Floridas Everglades in Hinblick auf den Bestand
an Wildtieren eher einem Kleintierzoo ähneln, haben sich im Jahr 2003 Wissenschaftler, Umweltgruppen und lokale Wirtschaftskreise mit dem ACE
zusammengefunden, um das Louisiana Coastal Area Project zu entwickeln. Dieses Projekt sah Ausgaben von 14 Milliarden US-Dollar über 30 Jahre
verteilt vor, um die Region zu retten.
Ein anderes kurzfristigeres Projekt, die Erhöhung der Dämme, hätte bis zu 2
Milliarden gekostet. Die Eindämmung des Mississippi, des heute wohl am stärksten regulierten Flusses der Welt, ist aber nach Meinung vieler
Fachleute selbst schon das Problem, weil sie die Marschen zerstört. Computermodelle für die nächsten 50 Jahre, so die National Geographic,
sehen derartige Verluste an Land voraus, dass ganze Orte wie Shell Beach, Venice, Gran Isle und Cocodrie verschwinden. Der stärkste Verlust an
Feuchtgebieten ist offensichtlich in den 70er und frühen 80er Jahren eingetreten, parallel zum Höhepunkt der regionalen Erdöl- und
Erdgasproduktion, dem Geologen Bob Morton vom U.S. Geological Survey zufolge möglicherweise als Ergebnis einer daraus folgenden Absenkung des
Bodens.
Die genannten und andere Projekte wurden unzureichend oder überhaupt nicht realisiert, weil die Regierungen »demokratische«
wie republikanische nicht bereit waren, das Geld dafür zu bezahlen. Selbst die knappen Gelder, die der Kongress 1965 für den Schutz der
Bevölkerung gewährt hat, sind in den letzten fünf Jahren fast völlig ausgetrocknet. In einem am 30.August in der Medienzeitschrift
Editor & Publisher erschienenen Artikel berichtet Will Brunch, dass das ACE, das diesen nationalen Fonds verwaltet, »nie ein Geheimnis daraus
gemacht hat, dass die Kosten für den Irakkrieg und den Heimatschutz sowie gleichzeitige Steuerkürzungen für die Reichen
ursächlich für seine Kürzungen waren«.
Auch die Times-Picayune hat 2004 und 2005 in wenigstens neun Artikeln diesen
Zusammenhang hergestellt. Der New Orleans City Business vom Juni 2005 zufolge sind dem ACE in New Orleans für 2006 71,2 Millionen US-Dollar
gekürzt worden, die größte Kürzung, die es für ein Jahr je gegeben habe. Ein Sprecher der Behörde sagte, dass zu den am
stärksten betroffenen Bereichen das nach der Flut von 1995 eingerichtete Southeast Louisiana Urban Flood Control Project gehöre. Dessen Budget
sei vom Repräsentantenhaus und dem Präsidenten von 36,5 Millionen Dollar 2005 auf 10,4 Millionen für 2006 gekürzt worden.
Welches Rettungsprojekt das aussichtsreichste ist, dürfte angesichts der komplizierten
ökologischen Fragen nicht einfach zu beantworten sein. Sicher ist aber, dass keines ohne das nötige Geld funktionieren kann, ebenso wenig wie der
unmittelbare Schutz der Opfer ohne den Willen dazu.
Zu den Sofortmaßnahmen der Regierung gehörte es, die Ölindustrie vor der
Küste schnellstens wieder anzukurbeln, indem die geltenden laschen Umweltauflagen weiter gesenkt wurden. In den nächsten Jahren wird zu
beobachten sein, ob im Interesse der Ölkonzerne und der Halliburtons jetzt Gelder fließen werden, deren Einsatz in der Vergangenheit mit dazu
beigetragen hätte, eine schwarze, verarmte und entrechtete Bevölkerung in New Orleans und anderen betroffenen Gebieten zu halten, derer man sich
nun aber dank des Hurrikans auf die eine oder andere Art durch Ertrinken, Verhungern und Verdursten oder durch die Deportation ohne Wiederkehr
hat entledigen können, um Platz zu schaffen für ein bürgerliches New Orleans als touristischem Erlebnispark, in dem die Nachfahren
der schwarzen Sklaven nur noch als Dixieland- und Zydeco-Musiker in Erscheinung treten.
Anton Holberg
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