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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2005, Seite 21

Hammerhai:

Unterwegs, Nastivinyl

Weit über 300 Konzerte hat die Hannoveraner Band Hammerhai bisher auf die Bretter gelegt. Das Quintett beweist mit seinem Live-Album Unterwegs, dass sie einer der Live Acts sind, die mitreißende Musik machen, sich treu bleiben und dem Hipe deutschsprachiger Bands nicht nur einiges an Routine voraus haben. Die Versuche, die Gruppe musikalisch einzuordnen, wirft immer wieder die Fragen auf: Sind Hammerhai eine Ska- Band ohne Bläser, dafür mit deutschsprachigen Texten und E-Gitarre? Oder handelt es sich bei ihrer Musik um hart rockenden Orgel-Punk mit Sixties-Touch und einer Vorliebe für die Skatalites? Sind Hammerhai Niedersachsens späte Antwort auf Ideal oder haben sie mit der Neuen Deutschen Welle im Gepäck, die Bluesbesetzung auf die Bühne gebracht, um die Losung »Eins in die Fresse mein Herzblatt« zu verwirklichen?
Seit 1998 sind Christian (Sölti) Sölter (Gesang & Mundharmonika), Susii Liere an der Farfisa-Orgel, Herr K. am Schlagzeug, Lennart Oheim an der Gitarre und Stefan Tikki Otto am Bass zwischen diesen Kategorien unterwegs. Puristen, die diesen Stilmix belächeln und auf solche Fragen ein eindeutiges Ja oder Nein erwarten, werden stattdessen mit dem eigenwilligen Stil der Band konfrontiert und können sich entscheiden, ob sie nun alle Schubladen auf- oder zumachen. Allerdings ist es diese Eigenwilligkeit, vor allem bei den Live-Auftritten der fünf, die dafür sorgt, dass sie in bester Erinnerung bleiben. Die Texte bewegen sich zwischen der politischen Abrechnung mit den »braunen UFOS«, »unserer gekauften Republik« und dem Alltagsleben von Leuten, die im Privatleben genauso wenig angepasst sind wie die Musik der Hammerhaie. In »Flaschenpfand« wird so aus »Du siehst, was du hast, und du bist, was du bist« »Wir fahren vom Flaschenpfand in Urlaub«.
Dabei geht es oft genug sehr humorvoll zur Sache. So in der fast romantischen Geschichte vom »Blumenmädchen«, in der die Liebe Sölti Sölters als Punk und Susii Lieres als Verkäuferin im Blumenladen mit dem Hang zur Product Identity, an einem Plastikblumenstrauch zerbricht.
Dem Pessimismus von »Alles bleibt schlimmer« setzen die Offbeat-Guerillas (wie sie sich auch nennen) ein aufmunterndes »Steh auf« voran. Gerade letzteres ist eines der bezeichnenden Stücke, in denen Mundharmonika und Orgel die Rolle der Bläsersätze übernehmen und zusammen mit dem Gitarrensolo auch bei langsameren Stücken den typischen Hammerhai-Sound demonstrieren.
»Alles bleibt schlimmer« ist sicherlich eines der gelungensten Live-Acts: »Rastamann nennt‘s Babylon, der Punk rennt gegen Wände. Alles bleibt, wie‘s immer war: Die Großen fressen die Kleinen und die Kleinen fressen die Kleinsten und die haben nichts besseres zu tun und fressen sich gegenseitig auf.«
18 Stücke werden von Söltis Gesang und Susii Lieres Orgel vorangetrieben. Die siebenjährige Bühnenerfahrung und die ungebrochene Lust, das Publikum zu rocken, ohne dabei dumpf zu werden, kommt in den Mitschnitten auf diesem Album gut zur Geltung. Die Auswahl der Songs gibt zum einen einen guten Einblick in die vorangegangenen zwei Alben und hält gleichzeitig sechs unveröffentlichte Stücke bereit.
Am 5.November stellen die Hammerhaie ihre erste DVD »chéz heinz« in Hannover vor. Zu sehen sind sie auch noch am 22.10. in Berlin im »acud« und am 28.10. in Oberursel in der »Musikhalle Poststraße«. Die CD gibt‘s direkt bei www.hammerhai.net für 10 Euro.

Thomas Schroedter

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