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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2005, Seite 22

Gegendarstellung

Betr.: Henning Böke: »Etikettenschwindel«, SoZ 10/05

1. In seinem Beitrag »Etikettenschwindel« in der Sozialistischen Zeitung (SoZ), Oktober 2005, Seite 22, sowie in der Online-Ausgabe der Sozialistischen Zeitung behauptet der Verfasser Henning Böke, ein »Esslinger Trägerverein« hätte mich mit der Leitung der Linkszeitungs-Redaktion beauftragt.
Dazu stelle ich fest: Einen »Esslinger Trägerverein« der Linkszeitung hat es nie gegeben, da sich nicht einmal genügend Gründungsmitglieder dafür fanden. Dass ein solcher Verein mich mit der Leitung der Linkszeitungs-Redaktion beauftragt hätte, wäre daher gar nicht möglich gewesen und ist ohnehin frei erfunden.
2. Weiter behauptet Henning Böke, es hätte innerhalb der Linkszeitung einen »Richtungskampf« um »mehr Basisnähe« und »kollektive Entscheidungen« gegeben, die zu einem »Hinauswurf von Jourdan-Kritikern« und einer »Trennung vom Esslinger Trägerverein« geführt hätten.
Dazu stelle ich fest: Es gab keine Differenzen zwischen mir und der Linkszeitungs-Redaktion über Basisnähe oder kollektive Entscheidungen. Wahr ist dagegen, dass ich es als verantwortlicher Redakteur abgelehnt habe, einen Bericht zu veröffentlichen, in dem der Kölner Polizei unbewiesen unterstellt wurde, sie plane während des Papstbesuchs einen Unschuldigen zu erschießen, wie es zuvor in London geschehen war. Darauf hin hat eine Gruppe von genau drei Mitarbeitern der Linkszeitung um einen ehemaligen K-Gruppen-Führer und Gründer eines »Zentralbüro der KPD/ML« ein Redaktionsstatut gefordert und verlangt, dass unter Einbeziehung von Personen außerhalb der Redaktion mehrheitlich entschieden wird, welche Beiträge veröffentlicht werden.
Einem Redaktionsstatut habe ich grundsätzlich zugestimmt, nicht aber der Veröffentlichung von Beiträgen, die falsche Tatsachen-Behauptungen enthalten, auch nicht per Mehrheitsbeschluss. Da diese Differenzen sich nicht überwinden ließen, wollte genau ein Redakteur, das oben erwähnte frühere K-Gruppen-Mitglied, nicht mehr im Impressum erscheinen. Die Behauptung, das habe zum »Hinauswurf von Jourdan-Kritikern« geführt, ist unwahr und entbehrt genau so jeder sachlichen Grundlage, wie die Behauptung einer »Trennung vom Esslinger Trägerverein«, der nicht einmal gegründet wurde.
Der Verfasser stützt seine Behauptungen offenbar ausschließlich auf Gerüchte, die derzeit gezielt im Internet verbreitet werden und gegen die ich bereits rechtliche Schritte unternommen habe. Ich kann nur feststellen: Es wurde niemand hinausgeworfen und schon gar nicht wegen Kritik.
3. Schließlich unterstellt Henning Böke in dem genannten SoZ-Beitrag, die Linkszeitung wolle Erwerbslose »in Sachen Datenschutz komplett zum Freiwild erklärt wissen«.
Dazu stelle ich fest: Einen konkreten Text-Beleg für diese Behauptung führt Böke nicht an— selbst wenn er einen gesucht hätte, er hätte auch keinen gefunden. Als zeitweise freier Mitarbeiter der Linkszeitung müsste Böke eigentlich wissen: Weder hat die Linkszeitung mit mir als verantwortlichem Redakteur jemals Erwerbslose in irgend einer Hinsicht »zum Freiwild erklärt« noch beabsichtigt sie dies. Das genaue Gegenteil ist der Fall: In zahlreichen Beiträgen ist die Linszeitung immer vehement für die Interessen von Erwerbslosen eingetreten und wird sich davon auch künftig nicht abhalten lassen.
Werner Jourdan, München, 17.10.05

Neue Online-Linkszeitung

Etikettenschwindel

Seit Monaten wird in der SoZ über Arno Klönnes Überlegungen zu einer neuen linken Zeitung diskutiert. Unabhängig davon, kaum bemerkt und ohne größere Resonanz ging am 1.August das Internet-Nachrichtenmagazin Linkszeitung (www.linkszeitung.de) an den Start. Für die Basisaktivisten aus dem Umfeld der WASG, die es initiierten, wurde es eine herbe Enttäuschung.

In einem WASG-Diskussionsforum hatten Mitglieder und Sympathisanten der Wahlalternative, darunter einige Journalisten und Webprogrammierer, aus dem Ärger über den medialen »neoliberalen Einheitsbrei« die Idee geboren, eine neue Online-Zeitung zu machen. Es bestand die Absicht, einer breiteren (durchaus auch linksbürgerlichen) Öffentlichkeit tagesaktuell authentische Informationen »von unten« über soziale Bewegungen und die »neue Linke« zu vermitteln. Im Raum Stuttgart entstand ein »Esslinger Verein zur Förderung einer demokratischen Presse«, der den in München lebenden Journalisten Werner Jourdan mit der Leitung der Redaktion beauftragte.
In nur drei Wochen wurde das neue Magazin auf die Beine gestellt — genauso schnell kam dann auch schon die Krise. Jourdan, der dem Vernehmen nach das Projekt aus eigener Tasche finanziert, setzte in Aufmachung, Sprache und Stil wohl darauf, eine Art zusätzlichen täglichen Spiegel zu schaffen, der sich vom Vorbild nur durch eine Linkspartei-freundliche Haltung unterscheidet und ansonsten völlig mainstreamkonform bleibt. Die Gestaltung des Kopfs erinnert ein wenig an Ossietzkys und Tucholskys Weltbühne. Aber das inhaltliche Niveau ist provinzieller als das des Saar-Echo, für das Jourdan regelmäßig Kolumnen schreibt.
In der (natürlich ehrenamtlichen) Redaktion entbrannte sogleich ein Richtungskampf. Während eine linke Mehrheit mehr Basisnähe und kollektive Entscheidungen über die Inhalte verlangte, berief Jourdan sich auf den Vorrang seiner fachlichen Qualifikation und wies Eingriffe von Laien mit »kommunistischen« und »anarchistischen« Vorstellungen in Kompetenzen »gelernter Journalisten« zurück. Der Streit über ein von der Mehrheit gefordertes demokratisches Redaktionsstatut endete mit dem Hinauswurf der Jourdan-Kritiker und der Trennung vom Esslinger Trägerverein.
Werner Jourdan macht nun mit wenigen Getreuen allein weiter. Dass er nicht nur redaktionsintern von linker Diskussionskultur nichts hält, sondern ein zutiefst autoritäres Weltbild vertritt, springt ins Auge. So zentral wie die mediale Repräsentation des Sozialen durch »gelernte Journalisten« ist für ihn die politisch-institutionelle durch die Partei und ihre Führer, insbesondere Oskar Lafontaine.
Je nach Tagesform mischt Jourdan seine redundanten Partei-Hymnen mit Verbraucherinformationen über Tomaten, Boulevard-Meldungen über Andreas Türck und Storys über die Menschlichkeit von Orang- Utans, so als ginge es darum, die sozialen Bewegungen um eine Initiative »Brigitte-Leserinnen für Oskar« zu bereichern.
Wer sich mit Schlagzeilen wie »Hartz IV wird zur Armutsfalle für Kinder« (wer hätte das gedacht?) inmitten eines Sammelsuriums von Belanglosigkeiten profilieren möchte, übersieht allerdings, dass die für solche Sachverhalte sensiblen Teile der Öffentlichkeit für derlei Erkenntnisse keine neue »Linkszeitung« brauchen, an der ansonsten überhaupt nichts links ist. Der Name erweist sich als Etikettenschwindel eines Trittbrettfahrers, der die mediale Aufmerksamkeit, die die Linkspartei auf sich ziehen konnte, eigenen Zwecken nutzbar macht: Endlich Chefredakteur!
Ein fragwürdiges Glanzlicht unter den wenigen Eigenbeiträgen abseits der mehrmals täglich aktualisierten Agenturmeldungen setzte ein Bericht, in dem empört aufgedeckt wurde, dass die Arbeitsagenturen den nach Schwarzarbeit fahndenden Zollverwaltungen die Herausgabe von Daten über ihre Klientel verweigern. Der Artikel sorgte tatsächlich bei Zollbeamten für Gesprächsstoff. Aber was sollen Erwerbslose von einer »Linkszeitung« halten, die sie in Sachen Datenschutz komplett zum Freiwild erklärt wissen will?

Henning Böke

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