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Der Zugriff auf den »Datenschatten«, den alle meist ohne es zu wissen mit sich führen, soll
für staatliche Stellen erheblich erleichtert werden. Dies sieht die sog. »Vorratsdatenspeicherung« aller Telekommunikationsdaten vor.
Darunter ist zu verstehen, dass Telekommunikationsunternehmen, die Telefon oder Handy, Internetzugang und E-Mail-Dienste betreiben, die Verbindungsdaten
aller ihrer Kunden und jedes Kommunikationsvorganges auf Vorrat speichern müssen und auf Verlangen der Polizei oder anderen Behörden Zugang
zu diesen Daten verschaffen müssen (vgl. auch SoZ 9/05).
Die Speicherung solcher »Verkehrsdaten« soll gemäß EU-
Plänen drei Jahre lang erfolgen, damit beim »Kampf gegen den Terrorismus« die Behörden bei Verdächtigen noch lange
zurückliegende Telekommunikationsverbindungen ausforschen können. Telekommunikationsverkehrsdaten sind alle Nummern, die von einem
Anschluss aus angerufen werden sowie die eingehenden Gespräche. Dabei werden ebenfalls sämtliche Mobilfunknummern gespeichert.
Zusätzlich ist daran gedacht, die Standortkennung des jeweiligen Gesprächs also aus welcher Mobilfunkzelle telefoniert wurde zu
speichern, was nichts anderes heißt als Verfolgung jedes Mobilfunkteilnehmers an jeden Ort. Dabei ist es mit der heutigen Technik möglich, den
Standort des Mobilfunktelefons auf mehrere Meter bis hundert Meter genau festzuhalten.
Bei den Providern sollen sämtliche aufgerufenen Internetseiten mit der entsprechenden
IP-Nummer des angeschlossenen Computers gespeichert werden. Ebenfalls sämtliche Mail-Verbindungen mit entsprechenden Adressen der ein- und
ausgehenden E-Mails. Damit würden sämtliche Telekommunikationsverbindungen jedes einzelnen Teilnehmers erfasst und gespeichert eine
riesige Datenflut, die aber mit großen Datenbanken technisch zu bewältigen ist. Ebenfalls ist die Kontrolle dieser Datenmengen technisch gesehen
mit entsprechenden Suchmaschinen kein Problem, und bei den Behörden scheint unter dem Vorwand der Terrorabwehr alles recht, was technisch machbar
ist, so muss man das Bestreben der Innenminister einschätzen. Das elektronische Verhalten von Millionen Menschen in der EU wäre damit
überwachbar, in Verdachtsfällen rekonstruierbar und auf Jahre verfolgbar. Ein »Datenschatten« dieser Art, der so lange gespeichert
bliebe, sollte nicht nur Datenschützer alarmieren, sondern kann ebenso als verfassungswidrig eingestuft werden, weil das »Recht auf informationelle
Selbstbestimmung« beim Eintritt in den Vertrag mit einem Provider oder Telekomunternehmen praktisch aufgegeben würde.
Bisher galt in der Bundesrepublik, dass nur solche Daten gespeichert werden dürfen,
die für die Abrechnung der Unternehmen nötig sind, das sind zwischen 80 und 90 Tagen bei den großen Telekomfirmen. In Italien sind
inzwischen drei Jahre üblich und die EU-Kommission strebt eine Vereinheitlichung bei den Mindestspeicherfristen auf diese Frist an. Kritiker werden
abgebürstet, das sei für eine effektive Terrorbekämpfung nötig. Tatsächlich würde es aber eine Schleppnetzfahndung
größten Ausmaßes bedeuten.
Auf jeden Fall wird ab 1.Januar 2006 jedes Unternehmen, das
Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, gesetzlich verpflichtet, technische und softwaremäßige Voraussetzungen zu schaffen, dass
Behörden die Daten der Nutzer erfassen können. Im Falle der Überwachung und des Lauschangriffs gilt das nicht nur für die
Verbindungsdaten, sondern natürlich auch für den Inhalt der Gespräche bzw. Mails und der benutzten Internetseiten. Die
Vorratsdatenspeicherung soll dazu führen, dass innerhalb der Speicherzeit sämtliche Daten zur Verfügung stehen. Die Verfolgung nicht nur
von wirklichen Verbrechen, sondern auch unliebsamer, oppositioneller Tätigkeiten im Netz würde entsprechend erleichtert und ein rechtlicher
Mantel umgehängt.
Ein weiterer Punkt ist wichtig. Insbesondere die Verknüpfung persönlicher
Daten mit dem Kommunikationsverhalten, den Surf- und Mail-Gewohnheiten, ist nämlich nicht nur für staatliche Stellen bei der Strafverfolgung
oder Verdachtsüberprüfung interessant, sondern auch vor allem für private Unternehmen, die mit Datensätzen und der
Verknüpfung handeln. So ist ein großer Teil der Werbestrategien darauf gerichtet, Werbung gemäß erkanntem (Konsum-)Verhalten
auszurichten. Hier sind Telekommunikationsdaten, die mit Adressen und Aufenthaltsdaten verknüpft werden können, ein hoch interessantes Feld,
das schon beackert wird, ohne dass es den meisten Menschen richtig bewusst ist: Rabattkarten, zunehmende Onlineabwicklung von Käufen und
Geschäften, Onlinebanking usw.
Rolf Euler
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