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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2005, Seite 8

Hartz-IV-Abzocker

Clements Weisheiten

von HANS-DIETER HEY

Das Rezept ist einfach: Man nehme Hartz IV und bringe die Ausgegrenzten so in Not, dass kulturelles Überleben immer schwieriger wird. Wer dennoch irgendwie zu überleben versucht, wird wegen Sozialmissbrauch verfolgt und zum Sozialverbrecher abgestempelt. Dabei unterstützen uns Tausende Sozialfahnder und unsere Task Force.
So jedenfalls erscheint ein Bericht Vorrang für die Anständigen — Gegen Missbrauch, Abzocke und Selbstbedienung aus dem Amt scheidenden Arbeitslosenministers Wolfgang Clement, wenn man ihn kritisch liest. Dort werden, weder wissenschaftlich fundiert noch hinlänglich recherchiert auf die wirkliche Lebenssituation und Lebenswirklichkeit Erwerbsloser, Einzelbeispiele genannt, die den Sozialmissbrauch begründen sollen. Niemand kann es nachprüfen. Zahlen über den angeblichen Missbrauch: Fehlanzeige. Leistungsmissbrauch wird wohl immer existieren genauso, wie die grenzenlose Abzockmentalität und Begehrlichkeit von Politikern und Wirtschaftseliten. Nur die machen keine Gesetze gegen sich selbst.
Und so wird kräftig gegen eine vermeintliche Abzockmentalität gehetzt und die vulgäre Presse lässt sich als Brunnenvergifter benutzen. Allen voran die Bild-Zeitung und Peter Hahne vom ZDF, der dem Kölner Stadtanzeiger eiligst sieben Beispiele aus dem Bericht nennt, die den massenweisen Sozialmissbrauch beweisen sollen. Abermals macht sich die unfreie Presse zum Büttel von Politik und Geldelite, von der John Swinton, früherer Chef der New York Times, sagte: »Wir sind hüpfende Stiefelknechte, sie ziehen die Strippen und wir tanzen. Unsere Talente, unsere Chancen und unser Leben sind alles das Eigentum anderer Menschen. Wir sind intellektuelle Prostituierte, Huren. Nicht mehr.«
Dass man so aber keinen offiziellen ministeriellen Bericht macht — weder inhaltlich noch sprachlich —, stört Hahne und andere indessen nicht. Der Bericht liest sich nämlich wie die bösartige Rache einer arbeitsmarktpolitisch gescheiterten Existenz (Clement). Denn dass Hartz IV gescheitert ist, weiß inzwischen jeder. Weil die Arbeitslosenzahlen nur noch um die 1-Euro-Jobber sinken, die eigentlich gar keine Arbeit haben und seit 1992 fast 6 Millionen Vollzeitarbeitsplätze vernichtet wurden. Gefördert wird kaum noch jemand. Und die Kosten für Hartz IV steigen, ohne dass die Erwerbslosen davon was haben. Es steht auch nicht die Not durch Erwerbslosigkeit im Vordergrund, die die rot-grüne Regierung verursacht hat und die sie mit ihrem eigenen »Armuts- und Reichtumsbericht« auch noch beweist. Man schreibt einen Bericht, der die Ausgegrenzten prügelt und die eigentlichen Brandstifter zum Biedermann macht.
Als Begründung heißt es u.a. in Clements Hetz-Pamphlet, dass Erwerbslose Schlupflöcher suchen und die »Bestimmungen geschickt interpretieren«. Allerdings gäbe es zu denken, wenn in diesem Land die Interpretation eines Gesetzes inzwischen verboten wäre. Einige Erwerbslose würden daher »wahrscheinlich« vor ein Gericht zitiert. Ganz sicher ist man da aber nicht. Auf jeden Fall sei wahrscheinlich die Hemmschwelle zum sog. Sozialmissbrauch bei »einigen« gesunken, wenn auch nicht bei vielen. Aber braucht man für »einige« einen ganzen Bericht? Das ist der gleiche Stil wie seinerzeit Gerhard Schröder, der wegen »einiger«, die im Ausland Sozialhilfe erhielten, die Gesetzesmaschinerie in Gang gesetzt hat, um das gesamte System umzukrempeln. So schadet dann auch jetzt wieder die »Mitnahmementalität einiger« dem ganzen Land, vor allem, wenn »Bezieher kleiner Arbeitseinkommen, deren Netto manchmal nicht weit über der Höhe der Sozialleistungen liegt«.
Und damit ist die eigentliche Absicht des sog. Berichts raus: Die rot-grüne Regierung hat mitgeholfen, die Löhne zum freien Fall zu bringen. Und wenn jemand davon nicht mehr existieren kann, kann es nicht sein, dass ein Erwerbsloser genauso viel bekommt. Hier möchte Schwarz-Rot gern weitermachen.

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