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Ver.di hat in der vorletzten Septemberwoche bundesweit eine Lidl-Kundenwoche durchgeführt. Die Redaktion sprach
mit Agnes Schreieder, die die Lidl-Kampagne für Ver.di koordiniert.
Welche Bilanz ziehen Sie von der Aktionswoche?
Agnes Schreieder: Bei der Aktionswoche ging es uns darum, unsere eigenen Mitglieder das sind 2,5 Millionen aber natürlich auch
andere Kunden dafür zu gewinnen, dass sie mit Hilfe von Kundenkarten zwei Botschaften bei den Lidl-Filialen abgeben. Beide waren auf den Karten
formuliert. Die eine Botschaft lautete: Wir schätzen die Arbeit, die die Lidl-Beschäftigten leisten. Bei Lidl sind rund 40000 Beschäftigte in
rund 2600 Filialen beschäftigt, die meisten sind Teilzeit arbeitende Frauen. Die andere Botschaft richtete sich an die Firma Lidl: Lidl-Kunden legen Wert
auf faire Arbeitsbedingungen bei Lidl und wünschen, dass die Grundrechte von Beschäftigten eingehalten werden.
Hintergrund dieser Botschaften ist, dass Lidl bundesweit die Bildung von
Betriebsräten in den Filialen verhindert, von 2600 Filialen haben nur acht einen Betriebsrat. Damit wird die Umsetzung von Mitbestimmungsrechten, von
tariflichen und gesetzlichen Arbeitsschutzbestimmungen verhindert. Wie wir in unserem Schwarzbuch Lidl dargelegt haben, sind die Arbeitsbedingungen in den
Filialen oft menschenunwürdig, fast immer aber dringend verbesserungsbedürftig und das geht nur über Betriebsräte. Das
wurde uns auch im Laufe der Erstellung des Schwarzbuchs noch mal deutlich.
Den Kunden dürfte klar sein, dass die schlechten Arbeitsbedingungen bei Lidl etwas mit den billigen Preisen zu tun haben, zu denen sie bei
Lidl einkaufen?
Wir haben diesen Zusammenhang formuliert: Billig bei Lidl heißt vor allem billig auf Kosten der Beschäftigten, nicht nur in den Lidl-
Filialen. Das gibt es sogar in Deutschland. Lidl verschleiert Produktketten und Produktverläufe. Bei vielen Produkten, die man bei Lidl kaufen kann,
kann man nicht erkennen, woher sie kommen. Aber selbst in Deutschland protestieren z.B. Milchbauern gegen Preisdumping bei Lidl.
Die Lidl-Kampagne gilt sowohl den Lieferanten von Lidl, sie gilt aber auch und das
ist unser Schwerpunkt als Ver.di den Beschäftigten. Wir wollten die Billigstrategie offen legen, die Lidl gnadenlos gegenüber allen
möglichen Beteiligten fährt.
Wie haben die Kunden reagiert?
Sehr positiv und aufgeschlossen gegenüber unserem Anliegen zu sagen; Es geht nicht nur um billig, es geht auch um die Arbeitsbedingungen. Oder
anders formuliert: Billig bei Lidl hat einen sehr hohen Preis.
Wurden die Karten abgegeben?
Ja, wir haben über 3 Millionen Karten bundesweit ausgegeben, vor allem an unsere Mitglieder, die wir auch noch über unsere eigenen
Publikationen gebeten haben, an der Aktion teilzunehmen. An vielen Orten haben unsere Mitglieder darüber hinaus eigenständige Aktionen
durchgeführt, Kundenstände oder Lesungen aus dem Schwarzbuch organisiert, Prominente vor Ort als Unterstützer angefragt, Filialtouren
organisiert es gab eine ganze Menge pfiffiger Aktionen. Das ist bei den Verkäuferinnen angekommen. Wir glauben, dass von den 2600 Filialen
mindestens 2000 solche Kundenkarten bekommen haben. Die Aktion war begleitet von öffentlicher Berichterstattung, so dass wir sicher sind, dass die
Verkäuferinnen bei Lidl jetzt davon Kenntnis haben, dass wir ihnen Unterstützung anbieten und ihnen vorschlagen, Betriebsräte zu
wählen.
Gibt es Rückmeldungen in dem Sinne, dass die Beschäftigten bei Lidl jetzt mehr Mut haben, über die Bildung von
Betriebsräten zu diskutieren?
Wir haben jetzt mehr Zugang zu den Beschäftigten, es kommen mehr auf uns zu. Die Lidl-Geschäftsleitung hatte in der Woche zuvor
Anordnung erteilt, wie die Beschäftigten sich zu verhalten haben. Das ist eines der größten Probleme, es herrscht in den Filialen ein
großes Klima von Angst und Einschüchterung. Die Beschäftigten können sich nicht normal und unbeobachtet unterhalten, es stehen
immer Führungskräfte hinter ihnen, es gibt Videoüberwachung u.ä. Innerhalb der Filiale können die Beschäftigten sich
nicht offen äußern. In der Aktionswoche gab es Reaktionen von Verkäuferinnen, die den Kunden gesagt haben: Wir dürfen die Karten
nicht annehmen. Oder sie haben die Karten entgegengenommen, aber nichts dazu gesagt. Es gab auch Beschäftigte, die gesagt haben: Für uns ist
das nicht relevant, wir wollen das nicht. De facto ist es aber so, dass wir von Lidl-Beschäftigten mehr und mehr Anfragen bekommen, die über die
Kundenwoche mitbekommen haben, dass wir nachhaltig dran sind.
Wie soll es jetzt weiter gehen?
Wir wollen weiter Druck machen. Wir werden die Beschäftigten weiter informieren und Mut machen müssen, wegen der Methoden und dem
Gegendruck der Geschäftsleitung, wir werden Gesprächsangebote und Informationen außerhalb der Filialen organisieren. Daneben wird es
weiter lokale Protestaktionen geben, weil Lidl beispielhaft an einigen Orten Beschäftigte unter Druck setzt dazu gehört die
Schließung der Filiale in Calw, dazu gehört, dass in München Betriebsratswahlen verhindert wurden, indem einer Initiatorin fristlos
gekündigt wurde, Filialen werden ausgegliedert das sind alles Beispiele für die rabiaten Methoden, zu denen Lidl greift. Da werden die
Proteste vor Ort weiter gehen.
Wir werden aber auch bundesweit neue Aktionshöhepunkte setzen, in der
Vorweihnachtszeit wird es noch einmal eine Aktionswoche geben, das ist ja für die Beschäftigten eine sehr anforderungsreiche Zeit. Wir werden in
den nächsten Wochen auch wieder eine Ausgabe unserer Lidl-Zeitung produzieren, in der wir die Missstände bei Lidl weiter anprangern. Und wir
freuen uns, dass Bündnispartner uns unterstützen, wie Attac, Kirchen, oder auch Prominente.
Gibt es mit diesen eine gemeinsame Kampagnenplanung?
Attac macht eine eigene Lidl-Kampagne, die eine andere Zielsetzung hat hierbei geht es um globale soziale Rechte, Produktgerechtigkeit, die
Bedingungen, unter denen die Produkte hergestellt werden. An vielen Orten kooperieren wir. Auch mit den Kirchen gibt es an vielen Orten gemeinsame
Aktionen, aber die Kirchen machen vor allem Menschenwürde, Familie, Frauen zum Thema.
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