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Die extrem schwache Situation der französischen Sozialdemokratie lässt der regierenden Rechten zur Zeit freie
Hand, ihre antisoziale Kahlschlagpolitik fast unbehindert von parlamentarischer Opposition fortzuführen. Widerstände und Gegenstimmen
artikulieren sich fast ausschließlich auf der Straße, aber kaum auf der parlamentarischen Bühne.
Die Sozialistische Partei (PS) war bisher nicht in der Lage, eine Richtungsentscheidung zu
fällen: Eine Mehrheit der Mitglieder wünscht einen abgemilderten Neoliberalismus und wollte der Vorlage für einen Verfassungsvertrag der
EU zustimmen, wofür sich bei einer innerparteilichen Urabstimmung 59% unter ihnen aussprachen. Dagegen stimmten rund 60% ihrer
WählerInnen im Mai mit Nein. Über die künftige Richtung wird frühestens auf dem PS-Parteitag, der vom 18. bis 20.November im
westfranzösischen Le Mans stattfinden wird, entschieden. Wirkliche Klarheit wird erst die Entscheidung über die Präsidentschaftskandidatur
der PS im Jahr 2007 erbringen.
Die Zahl der Bewerber dafür hat sich in den letzten Wochen vervielfältigt. Die
Parteirechte ist mittlerweile bereits mit einem halben Dutzend potenzieller Kandidaten vertreten. Die Parteilinke ihrerseits unterstützt mehrheitlich die
Bewerbung des ehemaligen Wirtschaftsministers und Premiers Laurent Fabius eigentlich ein Mann der wirtschaftsliberalen Rechten, der jedoch seit
seiner Entscheidung für das »Nein« beim EU-Referendum vom Frühjahr im Mittelpunkt neuer Allianzen steht.
Schwung in die Wahldebatte der Linken könnte möglicherweise eine Idee
bringen, die im Laufe des Sommers in den ehemaligen »Einheitskollektiven für das Nein« aus der Zeit vor dem Referendum heranreifte. Viele
ihrer Mitglieder fordern eine gemeinsame Kandidatur der »anti-neoliberalen Linken« und jener progressiven Kräfte, die zum
»Non« bei der Abstimmung aufgerufen haben. Dabei zirkuliert auch ein Name: Der internationalistische Bauerngewerkschafter José
Bové soll dieses Spektrum repräsentieren. Er wurde einer breiteren Öffentlichkeit durch eine Serie von Prozessen vor allem wegen
Aktionen gegen genmanipulierte Pflanzen bekannt und betreibt aktive Solidarität mit der Dritten Welt gegen EU- und US-
Nahrungsmittelkonzerne.
Der parteilose Bové selbst hat sich im August dazu auch prinzipiell bereit
erklärt, aber unter der Bedingung, dass die politischen Parteien aus demselben Spektrum keine eigenen Kandidaten schicken. Konkret forderte
Bové, dass die KP, die LCR und die Grünen seine Kandidatur unterstützen. Am liebsten möchte Bové auch ein Abkommen mit
den Fabius-Anhängern in der Sozialdemokratie eingehen. Seitdem José Bové und Laurent Fabius sich wenige Tage vor dem EU-Referendum
in Rouen der Hochburg des sozialdemokratischen Ex-Premiers getroffen haben, empfinden die beiden Männer eine gewisse gegenseitige
Sympathie. In der Presse hat das zu manchem Spott Anlass gegeben, angesichts der eher großbürgerlichen Manieren (und Politik!) des Laurent
Fabius.
Wird es zu einer solchen gemeinsamen Kandidatur von Linkskräften und
außerparlamentarischer Sozialopposition kommen? Daran bestehen erhebliche Zweifel. Zu heterogen erscheint das Spektrum, das Bové gern hinter
sich wissen würde. Und innerhalb der KP entfalten die »orthodoxen« Kräfte, die an den Parteistrukturen aus der
»realsozialistischen« Periode festhalten wollen, längst massiven Druck: Es wäre ein Unding, wenn ihre Partei nicht mit einer eigenen
Kandidatur bei der Präsidentenwahl vertreten wäre, ließen ihre Vertreter bei einer Parlamentariertagung in der letzten Septemberwoche
wissen. Aber auch bei den anderen beteiligten Kräften ist eine gewisse Skepsis vorhanden: Bové erscheint als eine starke Persönlichkeit, die
und das ist erwiesen nur schwer durch kollektive Entscheidungsstrukturen zu kontrollieren erscheint. Aus diesem Grund wird eine gewisse
politische »Unberechenbarkeit« der Kampagne befürchtet.
Bernhard Schmid, Paris
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