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Vor einigen Jahren wurde der US-amerikanische Regisseur Michael Moore mit seinem Film Bowling for Columbine in Europa
berühmt und populär. Ausgehend von einem Massaker, das zwei Schüler an der Columbine High School in einer Kleinstadt in den USA
verübt hatten, untersuchte Moore, was hinter der Vernarrtheit seiner Landsleute in Schusswaffen steckt. Tatsächlich kommen in den USA mehr
Menschen pro Kopf der Bevölkerung durch Schusswaffen ums Leben als in allen anderen vergleichbaren Ländern. Im Oktober kamen zwei
Spielfilme in die deutschen Kinos, die sich ebenfalls auf jeweils unterschiedliche Art mit diesem Phänomen befassen.
Beide Regisseure sind keine US-Amerikaner. Cronenberg kommt aus Kanada, Vinterberg
stammt aus Dänemark. Beide sind offenbar gleichermaßen fasziniert und abgestoßen vom vermeintlichen Waffenkult in den USA. Vinterberg
nimmt das zum Anlass für eine moralische Parabel, während Cronenberg eine düstere Gangstergeschichte mit offenem Ende erzählt.
Im Film der beiden dänischen »Dogmatiker« (der Berufsexzentriker Lars
von Trier schrieb das Drehbuch) taucht das bisher unbekannte Phänomen des waffenverliebten Pazifisten auf. Eine Gruppe von Jugendlichen, die in einer
kleinen Bergarbeiterstadt als Außenseiter leben, schließen sich zu einer Gruppe zusammen, die sich »die Dandies« nennt. Dabei handelt
es sich um »Pazifisten«, die von Schusswaffen fasziniert sind. Sie geben ihnen Namen, reden mit ihnen, schreiben ihnen Briefe und betrachten sie
als ihre »Partner«, mit denen sie sich zeremoniell »verehelichen«. (Wer sich jetzt schon wundert, der sei verraten, das sie beim Besuch
des Films aus dem Staunen nicht mehr rauskommen wird.) Sie tragen ihre Waffen immer bei sich, was ihr Selbstbewusstsein enorm steigert, dürfen sie
aber keinesfalls benutzen. Sie dürfen lediglich in einer stillgelegten Mine damit auf Zielscheiben schießen in historische Kostüme
gewandet. In dieser Gewandung tanzen sie auch in einer besonders bizarren Szene auf der Straße. Am Ende kommt es, wie es kommen muss und die
»Moral von der Geschicht« könnte lauten: »Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich.«
Während man sich beim Betrachten von Dear Wendy gelegentlich fragt, was die
Beteiligten während des Drehens wohl so geraucht haben, ist A History of Violence ein atmosphärisch sehr dichter Film, in dem die Darstellenden
ebenso zurückhaltend wie eindrucksvoll agieren. Schauplatz ist auch hier eine US-amerikanische Kleinstadt. Der »Held« des Films ist nicht
der, der er zu sein vorgibt. Selbst seine Frau und seine Kinder kennen seine wahre Geschichte nicht. Erst als zwielichtige Gestalten in der Stadt auftauchen,
kommt die wahre Identität des vermeintlich biederen Restaurantbesitzers ans Licht. Die Gewalt ist aber nichts Neues für das keineswegs idyllische
Nest. In der Schule wird der Sohn des »Helden« von einem Mitschüler grausam tyrannisiert. Als er sich dagegen brutal zur Wehr setzt,
erscheint die Gewalt fast wie etwas Befreiendes. Cronenberg ist hier ein viel eindrucksvollerer und differenzierterer Beitrag zum Thema Gewalt an Schulen
gelungen als Moores eingangs erwähnte Dokumentation.
Als der »Held« zwei seiner ehemaligen Spießgesellen umbringt, machen
ihn die Medien tatsächlich zum Heros, der als aufrechter Bürger für Recht und Ordnung gesorgt hat. Am Ende des Films scheint die Botschaft
zu stehen, das Gewaltlosigkeit genauso sinnlos ist wie Gewalt. Die Erste ist naiv, da die Gewalt in der Gesellschaft einfach da ist, ob man will oder nicht. Die
Zweite löst, auch wenn sie als Gegengewalt auftritt, keine Probleme. Der »Held« tötet zwar alle seine Feinde, danach aber ist nichts
mehr so wie vorher. Vor allem die Beziehung zu seiner Frau und zu seinem Sohn ist zerbrochen. Er konnte sein scheinbar friedliches Leben in der Kleinstadt
nicht durch Gewalt retten.
Dear Wendy gibt scheinbar eine klar pazifistische Antwort: Wer sich mit Waffen
einlässt, kommt durch sie um, man sollte also ganz die Finger davon lassen. Er ist aber so bizarr und schräg, das er als Beitrag zum Thema Gewalt
kaum ernst genommen werden kann. A History of Violence ist ein ernsthafter und eindrucksvoll gemachter Beitrag zu diesem Thema, der aber keine Antwort
hat. Er stellt die gewaltsamen Verhältnisse lediglich dar. Die Antwort müssen die Zuschauenden selber finden.
Andreas Bodden
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