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Früher hörte man auf den Stehparties der Linken häufig einen
dummen Kalauer: Jesus ist tot, Jimmy Hendrix ist tot ... und mir geht es auch schon ganz schlecht. Das hob
die Stimmung in der Regel nicht, aber besser als gar nichts zu sagen, war es allemal. Das trifft auf eine
Kurzanalyse nicht unbedingt zu, die auf der Website unserer Freunde von der SAV zu lesen ist: »Die
kapitalistische Weltwirtschaft schleppt sich weltweit dahin.« Da tropft der Schweiß. Einer der
Gründe dafür liegt wahrscheinlich in einer fatalen Tatsache, die jetzt mal wieder
die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) veröffentlicht hat.
Die weltweite durchschnittliche
Streiktätigkeit hat im letzten Jahrzehnt noch einmal deutlich abgenommen. Die Einheit, um so etwas zu
messen heißt: »Verlorene Arbeitstage je tausend abhängig Beschäftigte.« Die sagt
zwar nichts über die politische Bedeutung einzelner Streiks oder über Erfolg und Misserfolg der
Arbeitskämpfe, aber ein kleines Indiz über den Zustand der Arbeiterbewegung steckt wohl doch
darin. Spitzenreiter in dieser Aufstellung sind die sich sichtlich dahinschleppenden Volkswirtschaften von
Island (554 Arbeitstage), Spanien (234), Kanada (186), Dänemark (171), Italien (119) und Finnland
(118). Die drei Schlussplätze belegen Deutschland (4 Arbeitstage), Schweiz (3) und das fast streiklose
Japan mit nur einem verlorenen Arbeitstag auf tausend Beschäftigte. Für eine solche Bilanz
lässt sich in Deutschland normalerweise die Sozialdemokratie noch kräftig loben. Aber aktuell
reicht ihr zur Selbstbefriedigung schon ein neuer Vorsitzender. Dieser Herr Platzeck wurde gewählt,
nicht obwohl er erst zehn Jahre Mitglied der Partei ist, sondern weil. Er verkörpert in einer
unverbrauchten Weise die Radikalität der Durchschnittlichkeit, die gemeinhin die Hauptvoraussetzung
für das Amt des SPD-Führers in den letzten Jahrzehnten ist, und paart diese erfolgreich mit der
heute noch mehr gewünschten Eigenschaft, möglichst wenig mit der realen SPD in Verbindung
gebracht zu werden. Dafür gibt es dann ein 99,4%-Ergebnis. Zugehört hat dem Genossen Platzeck
dabei weder die Delegiertenschar noch die versammelte Presse. Sie haben damit solch SAV-fähige
Floskeln überhört wie: »Europa tut sich schwer, Amerika geht immer öfter eigene
Wege.« Oder folgenden Schmarrn:
»Wir müssen den Menschen immer
wieder geduldig und sehr aufklärerisch, aber auch sehr entschieden erklären, was geht und was
nicht geht. Diese Ehrlichkeit sind wir den Menschen in unserem Lande schuldig, liebe Genossinnen und
Genossen.« Aber was geht denn nun? Im August, einen Monat vor den Bundestagswahlen ging für den
Genossen Vorsitzenden noch folgendes:
»Was die Union macht, ist entweder in
der Sache falsch, oder es ist im Verfahren chaotisch und meistens ist es sogar beides zugleich. Da
ist die angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Union sagt, die Probleme in Deutschland
sind dramatisch groß und dagegen soll jetzt ausgerechnet die Erhöhung der Mehrwertsteuer
auf 18% helfen. Das passt hinten und vorn nicht zusammen. Die jetzt von der Union angedrohte
›Merkelsteuer‹ ist in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation völlig falsch. Sie
würde voll durchschlagen auf Konjunktur und Binnennachfrage. Sie würde ausgerechnet die
Bürger mit den kleinen und mittleren Einkommen am härtesten treffen. Sie würde das Handwerk
schädigen und neue Anreize zur Schwarzarbeit setzen alle ernst zu nehmenden Experten
bestätigen das. Und deshalb lehnen wir diese Merkelsteuer entschieden ab. Wenn man sich den
vielstimmigen Chor allein zu diesem Thema anschaut Stoiber, Koch, Wulff & Co, dann fragt man
sich: Können ausgerechnet diese Leute Deutschland erneuern? Die Antwort ist nein. Immer mehr Menschen
begreifen in diesen Wochen: Die Union liegt in der Sache falsch. Die Union führt chaotische Debatten.
Und Frau Merkel kann sich nicht einmal in ihrer eigenen Partei durchsetzen. Genau das ist der wahre
Zustand, in dem sich CDU und CSU in diesem Wahlkampf präsentieren.«
Sechs Wochen nach der Wahl hat sich diese
»aufklärerische Ehrlichkeit« um 180 Grad gedreht. Jetzt geht plötzlich eine 3%ige
Mehrwertsteuererhöhung, statt der 2 Prozente von der CDU. Man muss schon eine Fleisch gewordene
politische Null sein, um für solche Rotationen noch ein DDR-Ergebnis an Zustimmung zu erhalten. Auf
dem Parteitag der SPD war offensichtlich nicht einer und nicht eine Anwesende, die des Denkens fähig
war. Wenn es solche in Leute in SPD noch irgendwo gibt, dann kann ihnen nur geraten werden, sich
schleunigst eine neue politische Heimat zu suchen. Als Möglichkeit böten sich dazu die WASG und
die geplante neue gemeinsame Linkspartei an. Für sie hat der Vorsitzende Platzeck eine Form der
Abrechnung gefunden, die eigentlich nur als Aufforderung zum Eintritt in die WASG zu werten ist:
»Partei der linken Mitte zu sein,
heißt zugleich aber auch, dass wir uns immer im Klaren darüber sein müssen, was Links
bedeutet und was Links eben nicht bedeutet. Seit Neuestem gibt es in Deutschland eine Partei, die sich
›Linkspartei‹ nennt. Vorher hieß sie PDS. Meine Position zu dieser Umbenennung ist sehr
klar. Diese sich ›Links‹ nennende Partei, ist in Wahrheit alles Mögliche: Sie ist
populistisch, sie ist rückwärtsgewandt, sie ist in großen Teilen vorgestrig. Eines, liebe
Genossinnen und Genossen ist sie aber mit Sicherheit nicht: Diese Partei ist alles, aber nicht links. Das
sollte uns allen klar sein.«
Wir wagen mal die Prognose, dass sich
Genosse Platzeck nicht lange dort halten wird, wo er jetzt hingespült wurde. Und dies obwohl jeder
mögliche Nachfolger noch schlimmer zu werden droht. Die SPD sie schleppt sich halt dahin, und
das ist gut so.
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