SoZSozialistische Zeitung |
Ökologische Krisen haben ihren Ursprung nicht so sehr in der Natur der
Beziehungen des Menschen zu seiner Umwelt als im Ausmaß der Veränderungen, die diese Beziehungen
bewirken. Derzeit haben die Veränderungen globale Ausmaße erlangt und ihre
Größenordnung wächst exponenziell.
Es lassen sich drei Elemente der Umweltkrise unterscheiden:
der Klimawandel;
die Krise der Biodiversität: das
Artensterben erfolgt heute hundert- bis tausendmal so schnell wie zur Zeit der Dinosaurier;
die Erschöpfung der
natürlichen Ressourcen.
Anders als zur vorindustriellen Zeit wirken
Klimaveränderungen heute global. Es gibt drei Indikatoren für die Erderwärmung: der
Temperaturanstieg, seine Auswirkungen auf die Umwelt z.B. auf den Meeresspiegel, und seine
Auswirkungen auf Flora und Fauna.
Im 20.Jahrhundert ist die mittlere
Temperatur um 0,6°C gestiegen. Auf der nördlichen Erdhalbkugel war das Jahrzehnt 19902000 das
wärmste im ganzen Jahrtausend. Deswegen schmelzen die Gletscher, das Wasser erwärmt sich und
dehnt sich aus. Dies hat im Verlauf des 20.Jahrhunderts zu einem jährlichen Anstieg des Meeresspiegels
um 12 mm geführt. Die Gletscher Grönlands, der Antarktis und der Alpen sind in Ausdehnung
und Volumen zurückgegangen auf der gesamten Nordhalbkugel allein zwischen 1976 und 1996 um 46%.
Auch die Stärke der Regenfälle
nimmt zu. Auf der Nordhalbkugel ist die Niederschlagsmenge auf dem Land im 20.Jahrhundert um 510%
gestiegen. Gleichzeitig hat sich die zeitliche und räumliche Verteilung des Regens verändert: In
den USA beobachten wir einen starken Anstieg der Niederschläge, während in gewissen Regionen
Asiens und Afrikas Dürreperioden an Häufigkeit und Intensität zunehmen. Auch Ereignisse wie
El Niño waren in den Jahren 19802000 häufiger, länger und intensiver.
Diese Veränderungen und vor allem der
Anstieg von CO2-Ausstoß zeigen jetzt schon Auswirkungen auf Flora und Fauna. Das Pflanzenwachstum wird
stimuliert, Tiere und Pflanzen verlagern ihren Lebensraum, ihre Population nimmt ab oder zu, und in
bedeutendem Maße ändern sie auch ihr Verhalten. Einige Arten sterben aus, bei anderen kommen die
Strukturen durcheinander. Von 35 nicht wandernden Schmetterlingsarten in Europa haben 22 ihren Lebensraum
im Verlauf des 20.Jahrhunderts um 35 bis 240 km nach Norden verlegt. Dieselben Arten leiden auch unter den
Veränderungen in der landwirtschaftlichen Produktion, viele sind ausgestorben.
Besorgniserregender für die Gesundheit
des Menschen ist die Nordausdehnung krankheitsübertragender Mücken, darunter den Trägern von
Malaria. Pflanzen sind in Regionen vorgestoßen, die zuvor eher unwirtlich für sie waren so
hat sich der Bestand eines Grases, der Antarktischen Schmiele (Deschampsia antarctica), auf der Insel
Galindez zwischen 1964 und 1990 von 500 auf 12030 vermehrt. Mit Hilfe von Satellitenbeobachtung sind einige
Forscher zur Annahme gelangt, dass sich die Vegetationsdauer zwischen 1981 und 1991 global um mehr als 12
Tage im Jahr verlängert hat. Bei einigen Zugvögeln setzt die Frühjahrswanderung in jedem
Jahrzehnt 1,3 bis 4,4 Tage früher ein, der Zeitpunkt der Fortpflanzung schiebt sich pro Jahrzehnt um
1,9 bis 4,8 Tage nach vorn.
Es gibt also ein Bündel an Beweisen,
dass zu beobachtende bedeutende Veränderungen im Lebensraum und im Verhalten von Tieren und Pflanzen
stark mit den Klimaänderungen korrelieren.
Klimaforscher sagen uns, dass das Klima
sich immer schon geändert hat. Manchmal kam der Wechsel sehr abrupt. Mit verschiedenen Methoden konnte
nachgewiesen werden, dass es in Europa im 17. und 18.Jahrhundert eine kleine Eiszeit gegeben hat. Der
Klimahistoriker Le Roy Ladurie hat herausgefunden, dass die Temperaturen in Paris im Jahr 1709 18 Tage
hintereinander auf 10°C fielen; im selben Jahr starben in Frankreich 800000 Einwohner an Krankheit
oder Kälte (bei einer Gesamteinwohnerzahl von 22 Millionen). Aber auch bedeutende örtliche
Klimaverschiebungen haben selten den gesamten Erdball betroffen. Waren das 17. und das 18.Jahrhundert auch
die kältesten des Jahrtausends, so ist in dieser kleinen Eiszeit die Temperatur auf der gesamten
Nordhalbkugel doch nur geringfügig zurückgegangen, während es hier seit 1910 einen starken
globalen Temperaturanstieg gibt. Während der kleinen Eiszeit hatte der Klimasturz weder die
Intensität noch die globale Ausdehnung wie jetzt.
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass
die Erwärmung der letzten 50 Jahre auf menschliche Aktivität zurückgeht, vor allem auf den
Ausstoß von Treibhausgasen. Die Konzentration dieser Gase in der Atmosphäre hat seit Beginn der
Industrialisierung stark zugenommen. Betrug der Kohlendioxidgehalt der Luft in den letzten 100000 Jahren
200280 ppm (Partikel pro Million), so ist er zwischen 1750 und 2000 von 280 auf 368 ppm gestiegen
(+31%). Im selben Zeitraum ist der Anteil an Methan um 151%, an Lachgas um 17% und an Ozon um 33%
gestiegen. Dabei werden 80% des Weltverbrauchs an fossilen Brennstoffen von nur einem Sechstel der
Erdbevölkerung konsumiert, vor allem von den USA, Europa und Japan. Wie Klimaszenarien zeigen, ist
unter diesen Bedingungen bis 2100 mit einem globalen Temperaturanstieg zwischen 1,4°C und 5,8°C zu rechnen,
aber auch mit einem Anstieg der Niederschlagsmenge um 520%, einem Anstieg des Meeresspiegels um
0,090,88 Meter und mit einer Zunahme von Dürreperioden und anderen extremen Klimaereignissen.
Der Klimawandel trifft alle
Bevölkerungen der Erde und bringt ihre Lebensweise durcheinander. Die Inuit in der Arktis können
den Eisbären nicht mehr jagen, weil er verschwindet, die Ernte von Wildbeeren ist auf Grund von
Dürre gefährdet und die Erosion zwingt sie, ihre Dörfer zu verlegen. Die Ärmsten sind
am meisten gefährdet: die Überschwemmungen infolge eines Wirbelsturms im September 2004 haben auf
Haiti über 2000 Menschen das Leben gekostet, auf Kuba kein einziges.
Die Hauptursache für den Klimawandel
ist die Emission von Treibhausgasen durch den Einsatz von fossilen Brennstoffen. Das Kyoto-Protokoll von
1997 legt Zielmarken fest, die weit diesseits des Erforderlichen bleiben. Die Unterzeichnerstaaten des sog.
Anhangs 1 (die Industrieländer und die sog. Transformationsländer) haben akzeptiert, ihre
Emissionen bis 2012 um 5,5% zu senken (im Vergleich zum Niveau von 1990). Nachdem Russland das Protokoll im
November 2004 ratifiziert hat, ist es nunmehr in Kraft getreten. Dennoch haben die USA, die allein
3035% des gesamten von Menschen produzierten Treibhausgases emittieren, 2001 beschlossen, das
Protokoll nicht zu ratifizieren. Hier wirkt die Allmacht der Öllobby: 1997 hat die Global Climate
Coalition, in der sämtliche US-amerikanischen Ölkonzerne zusammengeschlossen sind, 13 Millionen
US-Dollar für eine Werbekampagne gegen das Kyoto-Protokoll ausgegeben. Jede Partei, Republikaner wie
Demokraten, bekam 50 Millionen Dollar.
Bestenfalls wird das Protokoll eine
unzureichende Verlangsamung der Emissionen bewirken, schlimmstenfalls bewirkt es eine »Vermarktung der
Luft« durch den Verkauf von Verschmutzungsrechten. Denn die Industrieländer können
untereinander und mit Entwicklungsländern Emissionsrechte kaufen und verkaufen und sie können
sich Investitionen, die zu Emissionsreduzierungen außerhalb ihres Territoriums führen, anrechnen
zu lassen.
Ein Teil der Umweltbewegung meint, dass man
den Kapitalismus nicht überwinden kann und der Schutz der Umwelt daher über Reformen und eine
Kontrolle der Kapitalaktivitäten durchgesetzt werden muss. Einige schlagen deshalb eine Ökosteuer
vor (die Grünen), andere wie Greenpeace oder der WWF betreiben radikale Lobbypolitik, um die
öffentliche Meinung und die Politik zu beeinflussen.
Weil diese Kräfte keine Alternative
zum Kapitalismus sehen, akzeptieren sie letzten Endes den Diskurs der herrschenden Klasse über das
Ende der Geschichte und des Klassenkampfs. Indem sie Umweltpolitik über den Markt steuern wollen,
machen sie die Natur zur Ware, wie das Kyoto-Protokoll auch, und öffnen damit dem Recht auf
Umweltverschmutzung Tür und Tor. Ein solcher Ansatz fordert nicht Rücksicht auf den Artenreichtum
der Natur, sondern macht diese zum Tauschwert. Die Natur ist ein Reichtum, aber er kann nicht
geschützt werden, indem man mit ihr handelt oder ihren Wert beziffert. Hier wird natürlicher
Reichtum mit Tauschwert verwechselt, als müsse ein Gut Quelle von Kapitalprofit sein, um als Reichtum
anerkannt zu werden.
Ein anderer Ansatz wäre, soziale und
ökologische Fragen zusammen zu führen. Eine Möglichkeit dazu bietet die flächendeckende
Einführung kostenloser öffentlicher Verkehrsmittel, eine andere die Stärkung der regionalen
Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln und die Reduzierung unnützen Warenverkehrs. Das
Bevölkerungswachstum, das oft für den wachsenden Energieverbrauch verantwortlich gemacht wird,
kann nur dadurch auf humane Weise stabilisiert werden, dass die Einkommen der traditionellen Landwirtschaft
gesichert, das Bildungsniveau angehoben und die Selbstbestimmungsrechte der Frauen gestärkt werden.
Auf diese Weise würde sich verschiedene soziale Kämpfe miteinander verbinden. Eine Bewegung, die
die Gesellschaft verändern will, kann nicht dabei stehen bleiben, den Produktionsapparat zu
übernehmen, sie muss ihn umwälzen.
Hendrik Davi
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04