SoZSozialistische Zeitung |
Hat sich die öffentliche Meinung in den USA zum Klimawandel nach Hurrikan Katrina
geändert?
Die Menschen sind verwirrt. Ich habe vor wenigen Wochen mit meinen Studenten in Umweltsoziologie
über die Bedeutung der globalen Erwärmung für die Verstärkung der Hurrikans diskutiert,
die meisten von ihnen hatten davon noch nichts gehört. Die öffentliche Meinung beginnt erst jetzt
zu registrieren, dass diese Dinge zusammen gehören. Aber ich glaube, jetzt werden Beziehungen
hergestellt und in dem Maße, wie das geschieht, sorgen sich die Menschen viel mehr um die globale
Erwärmung. Die allgemeine Wahrnehmung ist, dass die Erderwärmung einen graduellen Prozess
darstellt, an den man sich relativ leicht anpassen kann, aber in Wirklichkeit verhält es sich nicht
so. Es wird eine Reihe ernsthafter Krisen geben, die einen größeren Widerhall finden werden.
Dieser Prozess wird exponenziell verlaufen, und weil wir mehrere kritische Schwellen überschreiten
werden, wird das Problem mit Wucht über uns kommen. Dann werden die Menschen rasch begreifen.
Was meinen Sie, ist die beste Strategie für Aktive unter diesen Umständen?
Mehr recyclen und weniger Auto fahren. Leider kann man auf der Ebene des individuellen Konsums zu
wenig tun, um die globale Erwärmung aufzuhalten. Auf der individuellen Ebene sind die Menschen so
atomisiert und zersplittert, dass es für sie nicht möglich ist, konsequent zu handeln. Sie werden
dazu gedrängt, verschwenderisch ihre Eigeninteressen zu verfolgen. Was man wirklich braucht, ist eine
politische Organisation.
Die Struktur der US-Gesellschaft macht es
Menschen schwer, sich nicht fast ausschließlich aufs Auto zu stützen. So wie die Dinge in den USA
organisiert sind, ist das Land auf der Welt, das am stärksten vom Auto abhängt. Es gibt kein
nennenswertes öffentliches Verkehrssystem. Für alle Wege, die die Menschen in der Stadt, in den
Vororten und Überland zurücklegen, benutzen sie das Auto. Der durchschnittliche Amerikaner steigt
am Tag elfmal ins Auto. Sie fahren damit zum Supermarkt, zur Arbeit, und oft sind das weite Wege. Unter dem
Gesichtspunkt der Energieersparnis sind die Städte völlig irrational organisiert. Wir brauchen
also eine völlig andere Struktur, und das geht ohne politische Organisation nicht. Wie kann man sonst
ein öffentliches Verkehrssystem in einem Land schaffen, in dem es mal von privaten Konzernen
übernommen und danach abgeschafft wurde?
Sehen Sie eine Beziehung zwischen der Umweltbewegung und den traditionellen Fragestellungen der
Linken soziale Gerechtigkeit, öffentliches Eigentum?
Sicher, wenn eine Gesellschaft auf dem Fehlen sozialer Verantwortung aufbaut, auf dem Fehlen
politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen über öffentliche Dinge, ist alles viel
schlimmer. In den USA hängt das Autoproblem eng mit der Krise der Städte zusammen. New Orleans
war ein sehr deutliches Beispiel dafür. Massen armer Menschen nicht untypisch für US-
Städte waren nicht in der Lage, die Stadt zu verlassen, weil sie kein Auto hatten und keine
Kreditkarten. Es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel, die sie hätten benutzen können.
Was wäre für Sie Sofortforderungen, die die Kampagnen gegen den Klimawandel an die
Regierung richten müsste?
Sie liegen auf der Hand. An Lösungen technologischen, politischen und anderen
mangelt es nicht. In erster Linie bräuchten wir eine Wende hin zur Solarenergie und alternativen
Energiequellen. Wir verfügen über diese Technologien, aber es gibt alle möglichen
politischen Hindernisse, sie einzusetzen. In Kalifornien gab es z.B. Versuche, den Einbau solargetriebener
Warmwassersysteme in Neubauten vorzuschreiben, aber die Energiekonzerne haben das abgeblockt. Denn das
würde ihre Profite schmälern.
Der Einzelne kann nicht sagen, ich baue mir
eine Solaranlage aufs Haus, weil das für die meisten noch zu teuer ist. Er kann auch nicht sagen, ich
nehme den Zug statt das Auto, weil es diese Möglichkeit nicht gibt. Wir müssen uns politisch
organisieren, um eine vernünftige Alternative zu schaffen, die wir den Menschen anbieten können.
Das System funktioniert auf sehr
irrationale und verschwenderische Weise, und das ist sehr profitabel. Das Auto ist die ineffizienteste Form
des Transports, die man sich vorstellen kann. Sicher werden wir nicht ganz davon loskommen, aber wir
könnten eine Reihe von Alternativen entwickeln aber das ist eine politische Aufgabe. Es gibt
viele starke Interessen, gegen die wir kämpfen müssen, wenn wir ein vernünftigeres
Verhältnis zur Umwelt durchsetzen wollen.
X2
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04