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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2005, Seite 17

Interview mit John Bellamy Foster (USA)

Was tun gegen Klimawandel?

Die USA emittieren 30—35% des gesamten von Menschen produzierten Treibhausgases. Umweltforscher John Bellamy Foster sprach in einem Interview mit der britischen Zeitschrift Socialist Review über die Debatte in den USA nach Hurrikan Katrina.

Hat sich die öffentliche Meinung in den USA zum Klimawandel nach Hurrikan Katrina geändert?

Die Menschen sind verwirrt. Ich habe vor wenigen Wochen mit meinen Studenten in Umweltsoziologie über die Bedeutung der globalen Erwärmung für die Verstärkung der Hurrikans diskutiert, die meisten von ihnen hatten davon noch nichts gehört. Die öffentliche Meinung beginnt erst jetzt zu registrieren, dass diese Dinge zusammen gehören. Aber ich glaube, jetzt werden Beziehungen hergestellt und in dem Maße, wie das geschieht, sorgen sich die Menschen viel mehr um die globale Erwärmung. Die allgemeine Wahrnehmung ist, dass die Erderwärmung einen graduellen Prozess darstellt, an den man sich relativ leicht anpassen kann, aber in Wirklichkeit verhält es sich nicht so. Es wird eine Reihe ernsthafter Krisen geben, die einen größeren Widerhall finden werden. Dieser Prozess wird exponenziell verlaufen, und weil wir mehrere kritische Schwellen überschreiten werden, wird das Problem mit Wucht über uns kommen. Dann werden die Menschen rasch begreifen.

Was meinen Sie, ist die beste Strategie für Aktive unter diesen Umständen?

Mehr recyclen und weniger Auto fahren. Leider kann man auf der Ebene des individuellen Konsums zu wenig tun, um die globale Erwärmung aufzuhalten. Auf der individuellen Ebene sind die Menschen so atomisiert und zersplittert, dass es für sie nicht möglich ist, konsequent zu handeln. Sie werden dazu gedrängt, verschwenderisch ihre Eigeninteressen zu verfolgen. Was man wirklich braucht, ist eine politische Organisation.
Die Struktur der US-Gesellschaft macht es Menschen schwer, sich nicht fast ausschließlich aufs Auto zu stützen. So wie die Dinge in den USA organisiert sind, ist das Land auf der Welt, das am stärksten vom Auto abhängt. Es gibt kein nennenswertes öffentliches Verkehrssystem. Für alle Wege, die die Menschen in der Stadt, in den Vororten und Überland zurücklegen, benutzen sie das Auto. Der durchschnittliche Amerikaner steigt am Tag elfmal ins Auto. Sie fahren damit zum Supermarkt, zur Arbeit, und oft sind das weite Wege. Unter dem Gesichtspunkt der Energieersparnis sind die Städte völlig irrational organisiert. Wir brauchen also eine völlig andere Struktur, und das geht ohne politische Organisation nicht. Wie kann man sonst ein öffentliches Verkehrssystem in einem Land schaffen, in dem es mal von privaten Konzernen übernommen und danach abgeschafft wurde?

Sehen Sie eine Beziehung zwischen der Umweltbewegung und den traditionellen Fragestellungen der Linken — soziale Gerechtigkeit, öffentliches Eigentum?

Sicher, wenn eine Gesellschaft auf dem Fehlen sozialer Verantwortung aufbaut, auf dem Fehlen politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen über öffentliche Dinge, ist alles viel schlimmer. In den USA hängt das Autoproblem eng mit der Krise der Städte zusammen. New Orleans war ein sehr deutliches Beispiel dafür. Massen armer Menschen — nicht untypisch für US- Städte — waren nicht in der Lage, die Stadt zu verlassen, weil sie kein Auto hatten und keine Kreditkarten. Es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel, die sie hätten benutzen können.

Was wäre für Sie Sofortforderungen, die die Kampagnen gegen den Klimawandel an die Regierung richten müsste?

Sie liegen auf der Hand. An Lösungen — technologischen, politischen und anderen — mangelt es nicht. In erster Linie bräuchten wir eine Wende hin zur Solarenergie und alternativen Energiequellen. Wir verfügen über diese Technologien, aber es gibt alle möglichen politischen Hindernisse, sie einzusetzen. In Kalifornien gab es z.B. Versuche, den Einbau solargetriebener Warmwassersysteme in Neubauten vorzuschreiben, aber die Energiekonzerne haben das abgeblockt. Denn das würde ihre Profite schmälern.
Der Einzelne kann nicht sagen, ich baue mir eine Solaranlage aufs Haus, weil das für die meisten noch zu teuer ist. Er kann auch nicht sagen, ich nehme den Zug statt das Auto, weil es diese Möglichkeit nicht gibt. Wir müssen uns politisch organisieren, um eine vernünftige Alternative zu schaffen, die wir den Menschen anbieten können.
Das System funktioniert auf sehr irrationale und verschwenderische Weise, und das ist sehr profitabel. Das Auto ist die ineffizienteste Form des Transports, die man sich vorstellen kann. Sicher werden wir nicht ganz davon loskommen, aber wir könnten eine Reihe von Alternativen entwickeln — aber das ist eine politische Aufgabe. Es gibt viele starke Interessen, gegen die wir kämpfen müssen, wenn wir ein vernünftigeres Verhältnis zur Umwelt durchsetzen wollen.

J.B.Foster lehrt Soziologie an der Universität Oregon und ist Autor u.a. von Ecology Against Capitalism (2002) und Marx‘s Ecology: Materialism and Nature (2000).

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