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In der Regel handelt es sich bei den inkriminierten Fahrten
um solche von grenznahen Orten innerhalb Deutschlands ins Landesinnere. Die
Gerichte betrachten die Angeklagten als "Mosaiksteinchen im internationalen
Schleusertum", wie es der Staatsanwalt in einem Berufungsverfahren
formulierte.
Der Kronzeuge Steffen Döring, selbst Taxifahrer, strafrechtlich mehrfach
vorbelastet und mit denselben Vorwürfen konfrontiert, zog seinen Kopf aus der
Schlinge indem er etliche Kollegen bei den Behörden anschwärzte. Seine
Haftstrafe wurde wegen seiner hilfreichen Kooperation zur Bewährung
ausgesetzt, während seine gröátenteils unbescholtenen Kollegen zu
drakonischen Haftstrafen bis zu zwei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung
verurteilt wurden. Mittlerweile sind insgesamt vier Berufungsverfahren vor dem
Landgericht Görlitz abgeschlossen worden. In allen Fällen wurden die
erstinstanzlichen Strafen bestätigt. Der erste Taxifahrer muáte seine Haftstrafe
am 14.10. antreten, der nächste am 23.11.1998.
In der Urteilsbegründung des Zittauer Richters Ronsdorf vom 20.März
1997, im Verfahren gegen Bernd Heinz L., der des Einschleusens von drei
Männern aus Ex-Jugoslawien beschuldigt wurde, heiát es z.B., die Tat des
Angeklagten habe "erhebliche sozialschädliche Auswirkungen, da der
Aufenthalt der Illegalen in der Regel aus Steuergeldern bezahlt werden
muá".
Näheres über die finanzielle Ausstattung Illegalisierter in der
Bundesrepublik führte das Gericht indes nicht aus. Was die Kosten des gesamten
Verfahrens nebst Abschiebung der "illegalen Grenzgänger" angeht,
hält man sich behördlicherseits an den ohnehin ruinierten verurteilten
Taxilenkern schadlos: Einen Monat nach dem für L. negativen Ende des
Berufungsverfahrens in Görlitz flatterte ihm eine Rechnung über die
Kosten der Abschiebung von drei einstigen Fahrgästen ins Haus: 4643,73 DM
kostete die Rückbringung der drei glücklosen Migranten nach
Rumänien.
Hinter der massiven Verfolgung von Personentransporteuren ist der Wille von
Grenzschutz und Rechtsprechung zu erkennen, an den unglücklichen
Taxifahrern ein gehöriges Exempel zu statuieren. Der Görlitzer
Berufungsrichter Hermann Jöst lieá diesen Hintergrund in einer
Urteilsbegründung unmiáverständlich durchblicken. Er wertet das
rücksichtslose Vorgehen gegen die Taxifahrer, denen in der Regel auch noch
Führerschein und Taxikonzession entzogen werden, als Erfolg: Der Tatsache,
daá seit der gehäuften Verhängung von Haftstrafen gegen Zittauer
Taxifahrer keine strafbaren Personenbeförderungen mehr von den
Grenzschützern festgestellt wurden, entnimmt er, daá die drakonischen
Freiheitsstrafen als "Generalprävention" bei potentiellen
Nachahmungstätern ihre Wirkung nicht verfehlten.
Am 15.11. wurde der Taxifahrer Andreas R. verhaftet. Andreas R. war zu einer
Haftstraáe von einem Jahr verurteilt worden und wartete seitdem auf die Aufforderung
zum Haftantritt. Am 11.November nahm er an einer Gesprächsrunde im Stern
TV teil. Unmittelbar dannach wurde er zur Fahndung ausgeschrieben und am
Sonntagvormittag aus seiner Wohnung heraus verhaftet. Offensichtlich sollte Andreas
R. an weiteren öffentlichen Auftritten gehindert werden Gleichzeitig ist dies auch
eine Warnung an alle anderen betroffenen Taxifahrer, in der Öffentlichkeit ihren
Mund zu halten.
Ergebnis der gnadenlosen Verfolgung der Taxifahrer ist, daá in der Grenzregion keine
ausländisch aussehende Personen mehr ein Taxi bekommt. Genau diese
Atmosphäre ist offenbar das Ziel der grenzschützerischen
Bemühungen, eine breite Abwehrfront mit Bürgerbeteiligung gegen
illegale Grenzgänger aufzubauen.
Schon mit den Bürgertelefonen, über die "aufmerksame"
Grenzbewohner ihre Beobachtungen verdächtiger Bewegungen
ausländisch wirkender Personen dem BGS kolportieren können, ist das
Grenzland zu einer für "Fremde" kaum noch unbehelligt
passierbaren Zone geworden: Der BGS erzielt nach Aussagen von Manfred
König, Polizeihauptkommissar beim BGS in Rothenburg, etwa 70 bis 80
Prozent seiner "Aufgriffe" von "Illegalen" über diese
Hinweise aus der Bevölkerung.
Zu dieser Strategie gehören ebenso die polizeilichen Freiwilligenstreifen (GUK -
Grenzpolizeiliche Unterstützungskräfte), die seit 1993 zur
Verstärkung des Grenzschutzes im Angestelltenverhältnis tätig sind.
Etwas ähnliches hat der BGS auch mit den Taxifahrern vor: Am liebsten
wäre es ihm, die Personentransporteure würden regelmäáig bei
bestimmten Verdachtsmomenten ihre menschliche Fracht vom BGS durchchecken
lassen.
In einem Flugblatt, das die Grenzhüter im vergangenen Jahr an die Taxifahrer
der Grenzregion verteilten, fordern sie diese auf, sich nicht "von Schleuserbanden
miábrauchen" zu lassen, keine "offensichtlich illegal eingereisten
Personen" mitzunehmen und "Illegale" über ein Codewort per
Funk dem BGS zu melden und auszuliefern. Das Flugblatt erschien im Rahmen einer
breiter angelegten Kampagne des BGS, in die auch die Industrie- und Handelskammer
Sachsens, die Staatsanwaltschaft, das Landratsamt Sächsische Schweiz und der
Landesverband Taxi/Mietwagenverkehr einbezogen waren.
Das Landratsamt stellte sogar in Aussicht, bei Beschwerden von Ausländern, die
entgegen der nach dem Personenbeförderungsgesetz bestehenden
Mitnahmepflicht der Taxifahrer nicht aufgenommen wurden, ein Auge
zuzudrücken, damit der Sicherheitsschleier gegen die unerwünschten
Grenzgänger noch dichter werde.
Die Behörden und Gerichte würden gerne die rassistische Kategorie des
"eindeutig als Illegaler" oder, wie es bei dem Berufungsprozeá im Januar
hieá, den "anhand des Aussehens und der Kleidung eindeutig als
Osteuropäer" erkennbaren Menschen konstruieren. Zu einer solchen unter
Behörden und Institutionen kumpelhaft verabredeten Kollaboration wollen sich
viele Kollegen der Zittauer Taxifahrer aber nicht hergeben.
Mit der Görlitzer Erklärung zum ersten Berufungsprozeá eines Zittauer
Kollegen im Dezember 1997, erteilten Hamburger und Berliner Taxifahrer dieser
Instrumentalisierung zu Handlangern des rassistischen Grenzregimes eine klare Absage
und betonten ihren Willen, jeden Fahrgast unvoreingenommenen zu befördern.
Ihrem Unmut über die Verurteilungen ihrer Kollegen machten im Dezember die
groástädtischen Taxifahrer mit einem Taxikorso zum Landgericht in
Görlitz Luft. Wie man einem Menschen seinen Aufenthaltsstatus ansehen solle,
fragen sich die Chauffeure, die gesetzlich weder zur Kontrolle von Papieren berechtigt
noch überhaupt dazu willens sind.
Dann nehmen die betroffenen Transporteure lieber niemanden mehr mit, der nicht
eindeutig ein Landsmann ist, um sich selbst (und die zurückgewiesenen
Fahrgäste) vor dem Zugriff der organisierten inneren Sicherheit zu
schützen.
Forschungsgesellschaft
Flucht und Migration (Berlin)