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So hätte sich kein Kumpel den ersehnten oder
zumindest geforderten Regierungswechsel vorgestellt. Kaum hat Schröder den
Eid geleistet und der neue Wirtschaftsminister Müller sein Amt
übernommen, da wird schon wieder an der Kohleschraube gedreht. Minister
Müller hatte am 29.Oktober in der WAZ, der gröáten Zeitung des
Reviers, in einem Interview behauptet: Die Steinkohle hat eine groáe Zukunft! Die
Druckerschwärze war noch nicht trocken, da platzte die Bombe.
Die neu gegründete Deutsche Steinkohle AG (DSK), die als erstes durch die
Verpflichtung zur Rückzahlung von fälschlich gezahlten Subventionen ins
Gerede kam, lieá am 10.November eine üble Nachricht aus dem Sack:
vorzeitige Stilllegung des Verbundbergwerks Ewald/Hugo und
Förderreduzierung bei mehreren anderen Zechen.
Der mühsam ausgehandelte Kompromiá vom März 1997, von den
Kumpels durch massive Demonstrationen in Bonn und Zechenbesetzungen erzwungen,
wird damit erneut in Frage gestellt. Diesmal nicht von einem freidemokratischen
Wirtschaftsminister, sondern von der Ruhrkohle selber. Statt erst im Jahr 2002 soll nun
schon im April 2000 die Förderung auf Ewald/Hugo eingestellt
werden.
Vor der Zusammenlegung Anfang 1997 waren auf den beiden Bergwerken noch 7700
Menschen beschäftigt, davon über 5000 unter Tage. Eineinhalb Jahre
nach dem Zusammenschluá sind es nur noch 5400 - allein in Gelsenkirchen und
Herten ein Abbau von 2300 Arbeitsplätze. Die verbleibenden 5400
Arbeitsplätze sollen nun innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre
vernichtet werden, statt wie zunächst den Kumpels versprochen, in vier
Jahren.
Die DSK hat mit einer Belegschaft von rund 71000 Beschäftigten angefangen;
Anfang 1997 waren noch 84000 Menschen im Steinkohlenbergbau beschäftigt.
Im Jahr 2005 sollen höchstens noch 36000 Arbeiter und Angestellte
übrigbleiben. Schon allein diese Zahlen sind ein Hohn auf die schönen
Worte bei der Eröffnungsveranstaltung.
Den inzwischen wieder überholten Planungszahlen zufolge sollen innerhalb von
vier Jahren 13200 allein bei der alten RAG abgebaut werden. Davon sollen 4700
Kumpel in die "Anpassung" - eine Art Vorruhestand - entlassen werden,
2000 in die Umschulung, 1400 über Einarbeitungsmaánahmen im Handwerk
untergebracht werden, 400 "in den Konzern" - also in den weiáen Bereich.
Eine Übergangshilfe (sprich Abfindung) ist für 4100 Beschäftigte
geplant, für 3000 werde es eine "Fluktuation" geben. Die beiden
letzten Maánahmen - das betrifft mehr als die Hälfte aller Abgänge -
strafen das Wort "keiner fällt ins Bergfreie" Lügen; oft genug
wartet auf die betroffenen Kollegen Arbeitslosigkeit.
Gelsenkirchen und Herten haben mit die höchste Arbeitslosenquote im Revier.
Wie hier noch Ersatz geschaffen, oder für umgeschulte Bergleute neue Arbeit
gefunden werden soll, ist völlig unklar. Der Vorstandschef der DSK, Beermann,
der vorher beim Mutterkonzern RAG Arbeitsdirektor war, begründete auf einer
Betriebsrätevollkonferenz die vorgezogenen Stillegung mit
Kostengründen. Durch fallende Preise bei der Importkohle und den sinkenden
Dollarkurs könne die Ruhrkohle nicht mehr soviel fördern. Geologische
Probleme und die beginnende Stahlflaute kämen hinzu.
Auf einer auáerordentlichen Belegschaftsversammlung am 11.November wurden die
Kumpel, die schon aus dem Radio und der Zeitung Bescheid wuáten, erstmal
vertröstet. Als nach einer halben Stunde Information die Versammlung vom
Werkschef für beendet erklärt wurde, gab es Tumulte. Heftiger Zorn und
Wut auf die da oben drohten, die Versammlung zu sprengen.
Unter diesem Druck eröffnete der Betriebsrat die Versammlung als
auáerordentliche Belegschaftsversammlung erneut, so daá die Kumpel zum Mikrofon
konnten. Am Ergebnis änderte der Protest nichts. Sozialverträglich soll
auch dieser Zechentod wieder abgehandelt werden. Alle Möglichkeiten des
Vorruhestands, der Umschulung und Verlegung, der freiwilligen Abkehr sollen
verstärkt werden, sagte der Gewerkschaftssekretär. Das kann noch nicht
mal die Kumpel im passenden Alter beruhigen, die Ruhrkohle hat ihnen nun selbst den
Fehdehandschuh hingeworfen. Bis Ende 1999 sollen 4 Millionen Tonnen Kohle
weniger als vor einem Jahr geplant gefördert werden. Verkauft werden sie aber
ziemlich sicher - die Ruhrkohle will diese Menge zusätzlich importieren. Der
Gewinn wird über die Ruhrkohle Vertrieb und Handel beim Mutterkonzern
RAG abgeliefert. Die Subventionen dafür sind der DSK sicher. Adam
Reuleaux