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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 10.12.1998, Seite 2

Kriminalisierung im Vorfeld

Aktionen zu EU- und G7-Gipfel Juni 1999

Alarm beim Verfassungsschutz - Terroristen bedrohen Köln", titelte die Kölner Ausgabe der Boulevardzeitung Express am 26.November 1998. "Doppel-Gipfel: Terrorangst in Köln". Offensichtlich hielt der Verfassungsschutz den Zeitpunkt für gekommen, die Schreiberlinge des im Kölner Raum nahezu monopolistisch vertretenen Medienriesen Neven DuMont zu informieren, daß sich gegen die für Juni 1999 geplanten Gipfel (EU- und G7-Gipfel) Widerstand formiert.
  "Radikale planen Anschläge: Banken und Technologiezentrum in Gefahr." In der Linken gehen diese Schlagzeilen längst bundesweit von Hand zu Hand, und es wird viel gelacht.
  Abgesehen von den üblichen Übertreibungen und Panikmache gilt aber zu bedenken, daß der Express bei aller Unseriosität für gewöhnlich gut informiert wird. So werden in dem Artikel die Bündnisse, die gegen den Doppelgipfel mobilisieren, richtig benannt: Die Euromarsch-Bewegung, das Linksradikale Anti-EU/WWG-Plenum und der Kreis der Antoniterkirche, der auch für einen Schuldenerlaß der Drittweltländer mobil macht.
  Und wenn der Express schreibt, daß der Verfassungsschutz diese drei Gruppen bereits im Visier habe, stimmt das vermutlich. Ein Peter Scherer vom Düsseldorfer Verfassungsschutz wird zitiert, der allerdings gar nicht Peter Scherer heißt, weil der Name nämlich "aus Sicherheitsgründen geändert" wurde. Peter Scherer rechnet mit 50000 Demonstranten gegen die Gipfel, diese Zahl hat er offensichtlich den Schätzungen der Gegenbewegungen entnommen: "2500 dürften gewaltbereit sein ... Man muß mit Anschlägen gegen Banken in der Innenstadt und gegen das Rechtsrheinische Technologiezentrum in Kalk rechnen." "Düstere Aussichten", findet der Express.
  Die Kölner Gruppe des Netzwerk Euromarsch hat den Express zu einer Gegendarstellung aufgefordert. Wörtlich heißt es in dem Brief: "Obwohl das Netzwerk Euromarsch sehr wohl der Ansicht ist, daß die gesellschaftliche Macht der Banken erheblich eingeschränkt werden muß, so hat es noch niemals zu Attentaten und Anschlägen gegen Banken oder das Rheinisch-Technologische Zentrum aufgerufen, darüber intern diskutiert oder wurde diesbezüglich von staatlichen Behörden verdächtigt. Mittels Attentat und Anschlag auf die Bank, Änderungen herbeizuführen, mag der Schmutzfantasie eines Express-Redakteurs entsprechen, nicht jedoch den politischen Auffassungen des Netzwerks Euromarsch."
  Da der Verfassungsschutz normalerweise auch nicht schlecht informiert ist und das alles vermutlich weiß, ist zu befürchten, daß der Express- Artikel Auftakt einer Medienkampagne ist, die den Widerstand gegen den Doppelgipfel im voraus kriminalisieren soll.
  "Köln wird zur Festung. An jeder Ecke wird ein Polizist stehen", wird der Verfassungsschützer zitiert. Ein gutes halbes Jahr vor den EU- und G7- Gipfeln wird Köln medial auf den Ausnahmezustand vorbereitet. Den hat Amsterdam auf dem letztjährigen EU-Gipfel im Juni 1997 bereits erlebt. Vorbeugend wurde dort ein 100 Meter breiter Sicherheitskordon rund um die Veranstaltungsorte des Gipfeltreffens gezogen. Die AnwohnerInnen innerhalb dieses Bezirks, mußten sich einen Besuch der Amsterdamer Polizei gefallen lassen - sie könnten ja regelrechte Widerstandsnester beherbergen. Der Polizeibesuch war keine Zwangsmaßnahme, aber wer sich nicht besuchen lasse, so der Polizeipräsident, mache sich dadurch verdächtig.
  Was eine derartige Praxis z.B. für die nach Schätzungen der Initiative "Kein Mensch ist illegal" etwa 20000 illegalisierten Flüchtlinge in Köln bedeuten würde, ist nicht schwer auszumalen.
 


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