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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 01 vom 05.01.1999, Seite 2

US-Politik im Nahen Osten

I n der Woche vor Heiligabend besuchte US- Präsident William Clinton Israel und die palästinensisch verwalteten Territorien in Friedensmission, um wenige Tage später den Irak mit Krieg zu überziehen. Im einen wie im anderen Fall rochen diese Initiativen nach Innenpolitik, mit einem bitteren Nachgeschmack von Öl. Zugleich sah sich Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu gezwungen, vorgezogene Neuwahlen anzusetzen...
  Clinton als Vertreter der Weltmacht Nr.1 war sicher, einen Kompromiß durchsetzen zu können. Angesichts des drohenden Amtsenthebungsverfahrens benötigte er dringend weltpolitische Erfolge. Die palästinensische Seite erklärte sich bereit, weitere Konzessionen zu machen, wenn Israel sich nur an die in Wye Plantation eingegangenen Verpflichtungen halten würde.
  Der israelische Premierminister demonstrierte einmal mehr unbeugsame Härte. Vor Clintons Ankunft erklärte er sogar, dessen Reise sei überflüssig, da er nichts vorzuschlagen habe. Im Abkommen von Wye hatte sich Israel bekanntlich verpflichtet, 13,1% der besetzten palästinensischen Territorien zu räumen. Jetzt hieß es plötzlich, zuvor müsse der palästinensische Nationalrat die PLO-Charta mit Zweidrittelmehrheit revidieren... was er bereits vor drei Jahren tat! Für den Fall, daß die palästinensische Seite die erneute Demütigung hinnehmen würde, ließ Netanyahu seine Minister erklären, es gebe noch eine ganze Reihe weiterer Vorbedingungen.
  Clinton erreichte die Zustimmung der palästinensischen Autonomiebehörde und forderte im Gegenzug von der israelischen Seite die Erfüllung ihrer Verpflichtungen: Freilassung der palästinensischen politischen Gefangenen (und nicht von Autodieben und Drogendealern wie im November) und Rückzug der israelischen Truppen. Die Antwort der israelischen Seite blieb ein klares "Nein"!
  Den palästinensischen Eliten genügte die Ehre, vom Präsidenten der USA hochoffiziell besucht zu werden. Den Beziehungen zwischen den Regierungen der USA und der palästinensischen Gebiete hat Clintons Reise genützt. Doch die Stabilisierung der US-amerikanischen Ordnung im Nahen Osten ist gescheitert, da Clinton nicht die Einhaltung von Vereinbarungen duchsetzen konnte, für die er selbst als Garant aufgetreten war.
  Genau dort, wo er von der israelischen Regierung in die Schranken verwiesen worden war, traf Clinton die Entscheidung, den Irak zu bombardieren. Wie um der Welt zu zeigen, daß er trotz allem oberster Herr der Welt bleibt. Yassir Arafat und die palästinensische Führung feierten Clinton noch als Freund des Friedens, der Gerechtigkeit und der arabischen Sache, als im Gaza-Streifen und in Transjordanien schon zahlreiche Demonstrationen gegen die Aggression der USA und Großbritanniens losgingen. Die palästinensische Verwaltung begegnete den Protestaktionen mit Verboten und Pressezensur. Derselbe CIA, der sich bemüht, den Irak zu destabilisieren, koordiniert auch die Aktivitäten der palästinensischen Geheimdienste...
  Netanyahu konnte mit seiner harten Haltung verhindern, daß die Parteien der äußersten Rechten seine Koalition verließen. Doch der gemäßigtere Flügel stimmte in der Knesset mit der Arbeitspartei für die Auflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen.
  Netanyahu hat laut Umfragen gute Chancen, die Arbeitspartei und ihren Kandidaten Barak zu schlagen, der wenig geeignet scheint, eine Rückkehr der Opposition in die Regierung anzuführen. Kürzlich entstand eine neue Zentrumspartei mit dem früheren Likud-Minister Amnon Shahak, womit die Karten neu gemischt sind.
  Israel befindet sich jetzt in einer Situation der Ungewißheit und des Übergangs, was auch die Vertagung aller gegenüber den Palästinensern eingegangenen Verpflichtungen und Terminen nach sich zieht. Angesichts eines angeschlagenen US-Präsidenten, der seine Schiedsrichterrolle nicht mehr spielen kann, scheint der Friedensvertrag von Oslo nun endgültig kompromittiert.
  Michael Warschawski
 


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