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Der Ausstieg aus der Kernenergie wird innerhalb dieser
Legislaturperiode umfassend und unumkehrbar gesetzlich geregelt." So haben es
die Bonner Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. An der
Ernsthaftigkeit, mit der die unterschiedlichen Akteure dies betreiben wollen, darf
allerdings gezweifelt werden. Da ist z.B. Wirtschaftsminister Werner Müller,
ehemaliger Manager beim Stromkonzern VEBA, den das Handelsblatt Schröders
"Kernkraft-Sonderbotschafter" nennt. Zweitens ist da der Kanzler selbst,
vorher Verhandlungsführer der SPD in den
"Energiekonsensgesprächen" der alten Bundesregierung. Seinerzeit
mußte ihn seine Partei mehrfach zurückpfeifen, da er der Atomlobby
goldene Brücken für jahrzehntelange Restlaufzeiten und neue
Reaktortypen bauen wollte.
Dritter im Bunde ist der grüne Umweltminister, der das eigene Gesicht und das
Profil seiner Partei zu bewahren hat, nachdem diese ziemlich alles - bis auf das eine,
zentrale Essential - über Bord hat gehen lassen, um in Bonn endlich mal richtig
mitspielen zu dürfen. So war also der Schaukampf, der sich kurz vor
Weihnachten in voller Pracht entfaltete, abzusehen. Schröder machte den Anfang
und demonstrierte dem grünen Junior, was er von den Koalitionsverhandlungen
hält. Im Oktober hatten die Koalitonäre noch festgehalten, daß erst
eine Novelle des Atomgesetzes auf den Weg gebracht werden sollte, um dann mit der
AKW-Wirtschaft zu verhandeln. Trittin staunte nicht schlecht, als sich der Kanzler,
begleitet von seinem Sonderbotschafter, entgegen der Abmachungen mit den
Strombossen traf und er draußen vor der Tür warten mußte. Die
Atombranche zeigte sich nach diesem Treffen öffentlich beruhigt. Die
Konsensgespräche, so der Kanzler freimütig, beginnen im Januar, die
Novelle steht erst im Februar auf der Tagesordnung.
Was macht der so Vorgeführte? Er schießt ein weenig mit dem Luftgewehr
zurück und löst die Reaktorsicherheits- und Strahlenschutzkommission
auf. Im Januar sollen sie neugebildet und neben außer den alten Lobbyisten auch
ein paar Atom-Kritiker in ihre Reihen aufnehmen. Dem Konsens-Kanzler ist das schon
zuviel. Er poltert los und behauptet, daß die "Alleingänge" des
Grünen die Koalition gefährden würden. Mit anderen Worten:
Entweder du tanzt nach meiner Pfeife, oder ich versuchs mit der FDP.
Nun spielt und tanzt man bei den Grünen wirklich allzu gerne und das Gesicht
ist ja auch schon bewahrt. Es muß kein Prophet her, um den Ausgang des Duells
zu erraten: Der Ausstieg wird sich ziehen, und in vier Jahren sind die nächsten
Wahlen. Ein paar "Erfolge" werden für den grünen
Bettvorleger natürlich abfallen, damit sie nicht gar zu dumm dastehen. Z.B.
werden demnächst die neuen Zwischenlager an den AKW-Standorten
schmackhaft gemacht werden, vermeiden sie doch die ungeliebten Castor-Transporte.
Überhaupt sind diese neuen Atomanlagen ganz nützlich: Sie nehmen dem
Widerstand gegen das Atomprogramm einen wichtigen Fokus und sie verlängern
die Laufzeiten, nach dem bereits die alte Regierung die Transporte hat einstellen müssen.