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Das Hohe Haus begab sich am 2.Dezember vergangenen Jahres in die
Niederungen der betrüblichen betrieblichen Realität. Das Verdienst dafür
gebührt der PDS-Fraktion, die zur Ausgliederungsaktion der Metro AG eine Aktuelle Stunde
beantragt hatte. Für die auf der Zuschauertribüne anwesenden Metro-Betriebsräte
war die Debatte sicherlich ein Lehrstück. Wir werfen einige Schlaglichter.
Ursula Lötzer (PDS) schilderte die Gefahren für die Beschäftigten und mahnte:
"Das Beispiel Metro zeigt den Handlungsbedarf der neuen Regierung: Die Sozialbindung des
Eigentums macht sich gut in unserer Verfassung; aber ist es nicht endlich an der Zeit, diesen
Verfassungsgrundsatz gegenüber der Shareholder-Value-Praxis in Schutz zu nehmen? ... Die
Gewerkschaften und die Beschäftigten erwarten von dieser Regierung eine Reformstrategie, die es
Konzernen wie der Metro schwerer macht, sich durch Ausgliederungen vor sozialer Verantwortung zu
drücken und die Kosten ihrer Globalisierungsambitionen auf die Bundesanstalt für Arbeit
abzuwälzen."
Siegmar Mosdorf (SPD, Parlamentarischer Staatssekretär) hielt daraufhin eine Rede, die
allenthalben als "sachlich" gelobt wurde. Staubtrocken war sie, und ihr
"Sachgehalt" rührt aus einer einzigen Quelle: "Das von der Metro AG am
12.November beschlossene Maßnahmenprogramm stellt eine unternehmerische Entscheidung dar,
die aus der Wettbewerbssituation in dieser Branche resultiert ... Ob die von der Umstrukturierung
betroffenen Arbeitsplätze gefährdet sind, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt
allerdings nicht präzise gesagt werden ... Nach Aussage der Metro AG - wir haben uns extra noch
einmal danach erkundigt - könne von einer Gefährdung der Arbeitsplätze in vielen
Einzeleinheiten, um die es dabei geht, nicht die Rede sein ... Der Erwerb (von Metro-Unternehmensteilen)
vollzieht sich laut Angaben der Metro in den meisten Fällen durch Gesellschafterwechsel - das ist
ausdrücklich bestätigt worden -, ohne Einfluß auf die Arbeitsverhältnisse. Das
jedenfalls hat Metro zugesagt. Gleichwohl schließt die Metro natürlich nicht aus - das hat sie
uns wörtlich gesagt -, ‚daß für vereinzelte Standorte eine Schließung als einziger
Weg verbleibt'. Im Falle von Schließungen soll laut Metro die Arbeitslosigkeit durch den
Einsatz personalpolitischer Maßnahmen nach Möglichkeit vermieden
werden."
Hans Michelbach (CDU/CSU) wollte nach soviel höflicher Abwiegelei die Debatte ein wenig
politisieren: "Diese Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag zu einer unternehmerischen
Entscheidung eines deutschen Unternehmens ist, wie ich meine, ein durchaus ernstzunehmender
Tatbestand. Denn er zeigt uns, wohin wir in dieser Republik eventuell marschieren sollen, wohin uns -
vielleicht zurück zur DDR-Wirtschaft - die Linke wieder bringen will ... Für mich ist dies
die Diskriminierung eines Unternehmens ... Hier ist Verhetzungspotential mit Klassenkampf gegeben ...
Wir stehen für ein freies Unternehmertum und gegen die Planwirtschaft ... Es gibt einen harten
Wettbewerb im Handel. Diese Wettbewerbssituation ist die schärfste auf der ganzen Welt.
Deswegen müssen sich die Firmen zukunftssicher machen. Nichts anderes geschieht hier. Ich bin
sicher, daß den Bürgern und den arbeitenden Menschen damit gedient ist."
Werner Schulz (Grüne) sagte, er erkenne nicht, was die PDS von der Regierung eigentlich
verlange. Sodann erwirtschaftete er viel Beifall von den Unionsbänken: "Ich muß Sie
[die Abgeordnete Lötzer] als Anhängerin einer sozialistischen Staatsvorstellung und
Wirtschaftspolitik wirklich enttäuschen. Wir leben nicht mehr in Zeiten der staatlichen
Plankommission ... Die Metro hat eine unternehmerische Entscheidung getroffen. Das ist Sache des
Unternehmens ... Soweit ich das beurteilen kann, handelt es sich hier eben nicht um den Verlust von
34000 Arbeitsplätzen ... Hier betreiben Sie Panikmache."
Jürgen Türk (FDP) flocht ein Band von Fitness und Freiheit in seine Rede ein:
"Unabhängig vom Gesellschafterwechsel ist jedoch von Bedeutung, daß bestimmte
Firmen schlank saniert werden sollen und müssen. Das heißt zum Beispiel, daß die
Kaufhalle Standorte aufgeben wird, womit Arbeitskräfte frei werden."
Zwei inhaltsarme Reden später war Christa Luft (PDS) an der Reihe. Auf einen Zuruf aus dem
Unionslager antwortete sie: "Herr Kollege Michelbach, mit irgendwelcher Klassenkampfpolemik
kann man auf ein solches Problem überhaupt nicht reagieren." Und mit Hinweis auf die
Betroffenen: "Diese Menschen werden mit Klassenkampfparolen und dem Hinweis auf die DDR-
Geschichte überhaupt nichts anzufangen wissen."
Ulrich Klinkert (CDU/CSU) verplapperte sich ein wenig: "Die PDS ist offensichtlich der Meinung,
die Regierung solle alle Wirtschaftsbewegungen planwirtschaftlich leiten: ansonsten könnte sie
schwerlich die Haltung der Bundesregierung zur Veräußerung von Firmen oder
Firmenanteilen verlangen. Aus dieser Logik heraus, Frau Kollegin Lötzer, könnte man hier
tatsächlich jeden Tag eine Aktuelle Stunde veranstalten." Jeden Tag ein Fall
Metro?
Mathias Schubert (SPD) verwies auf Arbeitsplatzzusagen der Metro-Gruppe, wegen denen kein
Handlungsbedarf bestünde: "Es hat sich ohnehin schon - ohne den Bundestag - eine Art
Bündnis zur Erhaltung von Arbeitsplätzen geschmiedet." Schöne Werbung
für das "Bündnis"!
Claudia Nolte (CDU/CSU) als letzte Rednerin klagte: "Zum Schluß hat man das bekannte
Problem, daß eigentlich schon alles gesagt ist", schwieg aber trotzdem nicht.
Irma Kessler