Artikel SoZ

SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 02 vom 21.01.1999, Seite 8

Dreckigste Arbeit der Welt

Kampagne gegen Abwrack-Geschäfte überfällig

Wer sich für den Verbleib alter und ausgedienter Handels- und Kriegsschiffe interessiert, muß seinen Blick auf die Strände von Indien, Pakistan und Bangladesh richten. Dort brennen, reißen und sortieren Tausende bis Zehntausende oft nur mit T-Shirt, Lendenschurz, Turban und Sandalen ausgerüstete Arbeiter die auf den Strand gesetzten Schiffe auseinander und tragen die Einzelteile auf ihren Schultern zum Abtransport per Lkw. Alles ist verkäuflich oder verwendbar, eine Folge der bitteren Armut in diesen drei Ländern. Die Wanderarbeiter riskieren ohne jeden Gesundheits- oder Arbeitsschutz und ohne soziale Absicherung täglich neu ihr Leben für die wenigen Rupien, mit denen sie meist noch die in weiter Ferne lebenden Familien miternähren müssen.
  Die Arbeitsbedingungen auf den asiatischen Abwrackstränden trotzen jeder Beschreibung. Ohne Gerüste turnen die Arbeiter an und auf den Schiffen herum, schutzlos den mannigfaltigen giftigen Materialien wie etwa Asbest und PCB ausgesetzt, ständig in der Sorge, daß Ölleitungen und Tanks beim Auseinanderbrennen explodieren, oder in Angst, von herunterfallenden Teilen erschlagen zu werden.
  Da die Schiffe nur auf ihrem Kiel liegen, müssen die Demontagearbeiten immer so ausgeführt werden, daß das Gleichgewicht des Schiffs sich nicht plötzlich dramatisch verändert. Täglich kommt es zu schweren, oft tödlichen Unfällen, eine medizinische Versorgung vor Ort findet so gut wie nicht statt. Es gibt an diesen Stränden weder Anlagen zur Entgasung von Leitungen und Tanks noch zur Reinigung der verschiedenen ölhaltigen Gemische. Brennbare Abfälle werden gleich an Ort und Stelle ins Feuer geworfen, der Rest fliegt in Landschaft und Meer.
  Zwar haben sich in den vergangenen Jahren dank öffentlichen Drucks die internationalen Vorschriften für Betrieb und Bau von Schiffen in bezug auf Umwelt- und Arbeitsschutz verbessert (wenn auch keinesfalls zufriedenstellend oder weltübergreifend mit gleich hohen Standards). Ausgeklammert blieb das Abwrackgeschäft. Dies könnte sich bald ändern.
  Seit Anfang 1998 verbietet ein Zusatz zum Baseler Giftmüllabkommen den Export von "gefährlichen Sonderabfällen" aus den Mitgliedstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, die 29 reichsten Länder) in Nichtmitgliedstaaten, und zwar sowohl zur direkten Endlagerung als auch zur Wiederverwertung.
  Hochgiftig
  Nun tobt hinter den Kulissen der schiffahrtstreibenden Länder der Streit, ob auch alte, mit hochgiftigen Schadstoffen belastete Schiffe als "gefährlicher Sonderabfall" unter die Baseler Giftmüllkonvention fallen - oder ob als Teil eines "freien" globalen Schrotthandels von allen Beschränkungen befreit sind.
  Trotz vieler hochgiftiger Schadstoffe, aus denen Schiffe bestehen, wurde mancher schöne alte Dampfer allein aufgrund seines Messinganteils auf dem Schrottmarkt als kleine Kostbarkeit gehandelt. Die heutigen Handels- und Kriegsschiffe bestehen aber auch aus gefährlicheren Materialien wie Asbest, PCBs, krebserregenden Stahllegierungen oder hochgiftigen Anstrichen. Nach wie vor wird kein Schiff der Welt so gebaut, daß die Materialien ohne größere Gesundheits- und Umweltprobleme weiter- und wiederverwertbar sind.
  Die heutigen Hauptabwrackländer bieten einen schier unerschöpflichen Pool an Arbeitskräften sowie einen immensen Bedarf an billigem Schrott. In diesen Ländern boomt ein entsprechender regionaler Gebrauchtmarkt für Großmotorteile, elektronische Aggregate, Krananlagen, Winden, Pumpen- und Rohrleitungssysteme, wie sie in alten Schiffen reichlich zu finden sind. Neben dem Einschmelzen von Edelmetallen wie Kupfer und Messing werden vor allem Teile aus Eisen entweder zurechtgeschnitten und als Baustahl neu gewalzt oder als Schrott in die Verhüttung gegeben.
  Diese Abwrackpraxis ist immer nur ein Geschäft auf Zeit. Zum einen lassen steigende Löhne und durch öffentlichen Druck verbesserte Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen die Profite schrumpfen. Zum anderen sind der Wiederverwendung der Altmaterialien Grenzen gesetzt, denn mit der Entwicklung der Infrastruktur steigen auch die Ansprüche an deren Qualität: Technische Normen für Brücken, Tunnel, Straßen und Häuser führen über kurz oder lang zu behördlichen Verboten der Verwendung von erneut gewalztem Schiffsschrott, denn dieses Material ist wesentlich geringer belastbar als neue Baustähle.
  Der Anteil von Schiffsschrott am internationalen Schrotthandel ist dementsprechend gering. Lediglich dort, wo aufgrund von Devisenmangel kein hochwertigerer Schrott für die Industrie zur Verfügung steht, kann sich überhaupt ein Markt für den Schiffsschrott entwickeln. Selbst im derzeitigen Hauptabwrackland Indien (mit etwa 300 bis 500 abgewrackten Schiffen im Jahr) macht der Handel mit Schiffsschrott nur 10-15 Prozent des gesamten Schrottbedarfs aus.
  Neue Minderwertigkeit
  Alle Abwrackländer haben im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eine eigene Schiffsneubauindustrie entwickelt. Japan, Taiwan, Korea, China sind mittlerweile weltführende Schiffbaunationen. Ihre Erfahrungen mit großtechnischer Produktion auf den Werften kommt ihrem industriellen Aufbau zugute. Diesen Weg beschreitet nun auch Indien. In der Nähe der Abwrackstrände von Alang wurde mittlerweile eine Neubau-Werftindustrie aufgebaut, die zu einem großen Teil die beim Abwracken ausgebauten Aggregate weiter verwendet.
  Der Bau von Schiffen hat sich in den 70er und 80er Jahren stark verändert. Neue Konstruktionen und Legierungen haben den Schiffsstahl in Gewicht und Qualität entscheidend reduziert (die Bearbeitung hinterläßt im übrigen hochgiftige Stäube und Schweißrauche). Hinzu kommen lange Fahrzeiten und mangelnde Instandhaltung. Damit hat sich der Anteil an Rost drastisch erhöht, die Verwendung minderwertiger Legierungen im Rohrbau haben Kupfer- und Messing weitestgehend ersetzt. Die neu zur Verschrottung anstehenden Schiffsgenerationen weisen daher erheblich weniger Masse an verkaufbarem Metallschrott auf.
  Bereits Ende des 19.Jahrhunderts begann in Europa mit der Umstellung auf Dampfschiffe das Schiffsabwracken im industriellen Maßstab. Die gewonnenen Materialien wanderten in die aufstrebende Metallwirtschaft und bildeten eine feste Quelle von Sekundärschrott.
  Nach den Weltkriegen waren die nationalen Schrottmärkte leergefegt. Baustahl und Eisenerzersatz waren Mangelware. Das Abwracken gewann damit an Bedeutung. In Zeiten der Hochrüstung wurde Schrott zum überlebenswichtigen Handels-, aber auch Streitobjekt. Der Angriff Japans auf Pearl Harbour war auch die Antwort auf das Schrottembargo der USA.
  Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verschrotteten die wiedererstarkenden Eisen- und Stahlindustrien von England, Deutschland, Spanien, Portugal und Italien sowie von Japan und den USA die Alttonnagen in großem Stil. Noch in den 50er Jahren landeten mehr als 50 Prozent der Altschiffe auf englischen Abwrackwerften. Ende der 60er Jahre verschob sich das Geschäft in die asiatische Region.
  Neben der traditionellen Abwrackindustrie Japans entstanden in Taiwan, Südkorea und etwas später in China Abwrackwerften, die die Schiffe im großen Stil auseinanderbrannten. 1972 hielten Taiwan, Spanien und die USA 70 Prozent des Weltmarkts, 1982 Taiwan, Südkorea und Pakistan 90 Prozent.
  Ein besonderes Problem bildet das Abwracken der großen Tanker. Einige Länder (wie z.B. Taiwan, Südkorea, China und Vietnam) spezialisierten sich auf darauf, indem sie besondere Abwrackanlagen als Docks oder Kais mit Entgasungsanlagen für die Tanks bauten.
  Am Beispiel Spaniens zeigt sich allerdings, das letztlich nicht die Qualität der Abwrackanlagen entscheidet, sondern das sich immer weiter internationalisierende Schrottgeschäft und die Absatzmöglichkeit vor allem von Baustahl aus neugewalzten Schiffsplatten auf heimischen oder angrenzenden Märkten. Trotz technischer Aufrüstung der Anlagen in Barcelona, Gijon, Castellon und Cadiz für das Abwracken von Großtankern ergab sich für Spanien aufgrund des Beitritts zur EU und dem Fall von Zollgrenzen ein ganz anderer Zugang zum europäischen Schrottmarkt und damit auch das Ende des Tankergeschäfts. In den zurückliegenden Jahren wrackte Spanien nur noch kleinere Einheiten ab.
  Seit Ende der 80er Jahre sind die Schiffsabwracker sowohl in Taiwan als auch in Südkorea verschwunden. Übrig sind Abwrackwerften in China, Japan, in den USA und in der Türkei, die eine starke staatliche Unterstützung erhalten. Wegen der erheblichen Preiseinbrüche spielt sich die Masse des Abwrackgeschäfts mittlerweile auf wesentlich niedrigerem Niveau und unter unsäglichen Umwelt- und Arbeitsschutzbedingungen an den Sandstränden von Indien, Pakistan und Bangladesh ab. Lediglich aus China stammen Meldungen, wonach die dortige Stahlindustrie das Geschäft noch in diesem Jahr wieder aufnehmen will. Seit Ende der 60er Jahre wrackt China ab. 1991 entstanden mit Hilfe japanischer Partner relativ hochwertige Anlagen, auf denen jahrelang im großen Stil Tanker verschrottet wurden. 1996 und 1997 stoppte die chinesische Regierung über eine Verschärfung der Bauvorschriften sowie eine erhöhte Importsteuer das Abwrackgeschäft.
  Kein Verfallsdatum
  Eine Niederlassung in Shanghai soll in naher Zukunft über die technische Zusammenarbeit mit einer japanischen Stahlfirma vor allem Bulker und Tanker zum Abwracken auf chinesischen Anlagen einkaufen. Für Zentralvietnam (Danang) und Indien (Pipavav) gibt es kühne Pläne japanischer Schrottfirmen, ab der Jahrtausendwende ebenfalls Großtanker in eigens dafür ausgerüsteten Anlagen abzuwracken und auf in der Nähe errichteten Walzwerken die Schiffbauplatten für Baustähle zu verarbeiten.
  Altschiffe besitzen kein Verfallsdatum wie Kosmetika, Medikamente oder Lebensmittel. Sie werden auch nicht nach festen Regeln zum Abwracken verkauft. Steigende und fallende Frachtraten, Stillegungs- und Abwrackprogramme der Reeder, steigende oder fallende Treibstoffpreise, Nachfragespitzen und regionale Wirtschaftskrisen haben in den vergangenen Jahrzehnten entschieden, ob ein Schiff abgewrackt oder generalüberholt wird. Das Inkrafttreten neuer internationaler und regionaler Umwelt- und Sicherheitsstandards für Neubau und laufenden Betrieb von Seeschiffen läßt oft größere Tonnagemengen "über Nacht" zu Substandardschiffen werden - weil die Reeder die meist 10- oder gar 20jährigen Umrüstungsfristen des jeweiligen Standards aus Kostengründen ignoriert haben.
  Auch das stets wechselnde Preisgefüge für Neubauten, Reparaturen und Gebrauchtschiffe kann das Angebot an Alttonnage zum Abwracken von heute auf morgen anschwellen oder auf fast Null sacken lassen. Zu unberechenbar ist das Faktorenbündel aus den Kosten für eine erneute Instandhaltung (im Rhythmus der Inspektionen der Klassifizierungsgesellschaften), den mit Alttonnagen zusätzlich zu erzielenden Frachtratengewinnen und der Marge des Schrottverkaufswert des alten Schiffs, die sich aus der Lage an den regionalen Schrottmärkten in den Abwrackländern ergibt. Da diese Faktoren mehr oder weniger voneinander unabhängig sind, ist eine Aussage zum weltweit tasächlich anfallenden Abwrackvolumen äußerst spekulativ.
  Eine Reihe von Reederkonsortien haben angekündigt, sie würden für jede Indienstnahme einer Neubestellung ein altes Containerschiff zum Abwracken geben. Grund: Vielfach werden von den Großen ausgemusterte und verkaufte Containerschiffe von den neuen Besitzern als Billigkonkurrenz auf denselben Linien wieder eingesetzt.
  Auch in den anderen Sparten der Schiffahrt, wie z.B. Froster und Autotransporter, hat sich ein Überangebot durch alternde Tonnage und steten Neubau ergeben, der in den nächsten Jahren zur Verschrottung kommen wird.
  Exemplarisch hat sich das Basel-Aktions-Netzwerk (BAN) zusammen mit Greenpeace International Anfang dieses Jahres des geplanten Exports von alten, mit Asbest, PCB, kontaminierten Ölen und Schwermetallen überladenen Schiffen aus den USA nach Indien sowie des Verkaufs alter Fährschiffe der dänischen Reederei Scandlines an den Indischen Ozean angenommen.
  Die indische Regierung veranlaßte eine Untersuchung der Arbeits- und Umweltbedingungen an den Abwrackstränden. Das Ergebnis - Strände hochgradig verseucht, Trinkwasser schwer belastet - wird jedoch nicht weiter diskutiert.
  Regierungsvertreter betonten die Notwendigkeit weiterer Importe von Schiffen zum Abwracken, um der aufstrebenden heimischen Industrie Rohstoffe und den Menschen in Indien Arbeit zu bringen. Immerhin stellte die Regierung Verbesserungen der Umwelt- und Arbeitsschutzbedingungen an den Abwrackstränden in Aussicht. Neu-Delhi verabschiedete etwa ein Gesetz, wonach nur gasfreie Schiffe auf den Stränden abgewrackt werden dürften, um die ständigen Gasexplosionen abzustellen. Auch unterzeichnete Indien den letzten Baseler Beschluß und verbot die Einfuhr von mit Asbest, Blei, PCB und giftigen Ölgemischen beladenen Schiffen. Nach Beobachtungen von Greenpeace sind in jüngster Zeit an einigen Abwrackstränden zumindest Gummistiefel, Plastikhelme, Schweißbrillen und Arbeitshandschuhe aufgetaucht.
  Fortschritte...
  In Dänemark, das im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieländern ebenfalls alle Ergänzungen zum Baseler Abkommen ratifiziert hat, schloß sich der dortige Umweltminister nach einer Presse- und Fernsehkampagne über die Zustände am indischen Strand von Alang der Definition der Umweltschützer an und verbot im Juni 1998 den Export der Fähren. In einer Presseerklärung unterstrich er die Position Dänemarks, daß alte, unter anderem mit Asbest und PCB verseuchte Schiffe als Sondermüll unter das seit 1.Januar 1998 verschärfte Exportverbot der Baseler Konvention fallen und auch nach der Anpassung des EU-Abfallrechts nicht nach Indien oder andere Nicht-OECD-Staaten zur Verschrottung exportiert werden können. Mittlerweile interessieren sich einige Firmen für ein Abwracken der Fähren in Dänemark, auch wenn dies allein wegen der Asbestisolierungen erhebliche Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen erfordert.
  Die Reaktion der USA (die Regierung Clinton hat bisher nur Teile der Baseler Konvention unterzeichnet) auf die öffentlichen Proteste gegen den Export von "Giftschiffen" nach Indien entsprach in keiner Weise der Dänemarks. Die US-Behörden haben ungefähr 180 zivile und militärische Altschiffe zum Abwracken "auf Halde". Die Wracks sind im Besitz der US- Schiffahrtsverwaltung. Sie können auf den noch verbliebenen Abwrackwerften nur mit Hilfe hoher Subventionen auseinandergebaut werden.
  Ein Blick auf die Schiffbauszene der USA zeigt, daß die wenigen übrig gebliebenen Kriegs- und Spezialschiffswerften sich mehr oder weniger völlig in Staatsregie befinden. Der Handelsschiffbau liegt trotz aller Wiederbelebungsversuche weiterhin am Boden. Über die 80er Jahre hinaus hat sich eine kleinere Anzahl von Abwrackfirmen halten können.
  Über Subsubunternehmensstrukturen wurden die ersteigerten Schiffe aus Staatsbesitz - an behördlichen Auflagen vorbei oder auch unter Mißachtung von Verwarnungen wegen gravierender Verstöße gegen Umwelt- und Arbeitsschutz - unter meist dubiosen Umständen abgewrackt. Die jeweils Beschäftigten wurden dabei rücksichtslos aus dem Einwanderermilieu rekrutiert, verängstigte Menschen oft ohne existentielle Alternative, die sich ohne ausreichende Schutzmaßnahmen in Wolken von Asbest und giftigen Metall- sowie Anstrichstäuben schicken ließen.
  Als sich in den vergangenen drei Jahren Zeitungsberichte über Betroffene zu häufen begannen und das US-Umweltamt EPA verstärkte Kontrollen durchführte, wurden die Tätigkeiten auf den verbliebenen Abwrackplätzen Zug um Zug eingestellt. Angesichts der noch zur Verschrottung anstehenden Schiffe versuchten die US-Behörden daraufhin, die in höchstem Maße schadstoffhaltigen Wracks ins Ausland zu verkaufen, um nicht die heimischen Abwrackplätze per Subvention an notwendige Arbeits- und Umweltschutzvorschriften anpassen zu müssen.
  ...und Abwiegelei
  Nach Einmischung von Greenpeace und einigen indischen Umweltgruppen gegen den Verkauf von US- Giftschiffen sah sich die US-Schiffahrtsbehörde gezwungen, einen Expertenbericht zur Problematik des Exports von Altschiffen zu erstellen. Im April 1998 wurde der Bericht vorgelegt, mit dem eindeutigen Ergebnis: Der Export ist möglich, sinnvoll und entspricht internationalen Vorschriften.
  Eingespannt in diese Linie wurde auch die EPA, die nach US-Gesetz beim Export von Abfällen zu beteiligen ist. Ähnlich lasch, wie sich die EPA gegenüber anderen Sondermüll- und Schrottexporten aus den USA nach Asien verhält, war auch die Reaktion auf das Exportansinnen der US-Schiffahrtsbehörde: Mit ein paar Auflagen zur Entfernung von PCB-haltigen Flüssigkeiten - "soweit entfernbar" (!) - war für die EPA die Sache erledigt.
  Die Gegenposition in den USA sowohl zum Export alter Schiffe als auch zur Ausfuhr giftiger Abfälle allgemein ist eher patriotisch gestimmt. Schließlich habe man die Technik, um solche Schiffe auch umweltgerecht und unter annehmbaren Arbeitsbedingungen "at home" auseinander zu nehmen (die Vergangenheit der Abwrackpraxis bewies genau das Gegenteil!). Da müsse man doch den armen Menschen in Indien diese Schiffe nicht überlassen.
  Über eine endgültige Position der US-Regierung wurde noch nicht entschieden. Zum Jahreswechsel stehen öffentliche Ausschreibungen zum Verkauf (sprich Verschrotten) an. Somit könnte erwartet werden, daß zwar innerhalb von US-Bundesstaaten niedergelassene Abwrackgesellschaften den Zuschlag in den Bietrunden bekommen, die Schiffe selber aber über verschiedene Liegeplätze und Unterfirmen solange verschoben werden, bis sie dann doch am Strand irgendeines Abwrackplatzes in Indien, Pakistan oder Bangaladesh bei Springflut wieder auftauchen.
  Im November 1998 richtete Greenpeace das Interesse der Öffentlichkeit auf die Container-Reederei P&O-N. Das britisch-niederländische Konsortium hat seit März dieses Jahres sieben Schiffe zum Verschrotten nach Indien, Bangladesh sowie China verkauft, allerdings ohne die Schiffe in irgendeiner Weise von giftigen und stark gesundheitsgefährdenden Schadstoffen zu befreien. Am 16.November besetzte Greenpeace in Barcelona das P&O-N-Containerschiff Encounter Bay (gebaut mit vier Schwesterschiffen 1969 in Hamburg) und hißte die wohlbekannten Banner. Gleichzeitig wurde in der Presse die zum Himmel schreiende Situation an den indischen Abwrackstränden dargestellt.
  Nach Auskunft von Greenpeace gerieten übrigens auch Schiffe deutscher Reedereien in diesem Jahr an den Strand von Alang. Das Traditionsunternehmen Hamburg-Süd bspw. verkaufte das Containerschiff Columbus New Zealand mit der Option, zwei weitere Schwesterschiffe ebenfalls zum Abwracken nach Indien zu schicken. Eine weitere Hamburger Reederei, Trans-Ocean-Shipment, schickte in diesem Jahr zwei Containerschiffe nach Indien, nämlich die Barbican Star sowie die Barbican Spirit. Eine öffentliche Stellungnahme der Bundesregierung zu diesen Verschrottungsverkäufen gab es bisher nicht.
  Die Diskussion um das Abwracken alter Schiffe ist nicht neu. Bereits in den 80 Jahren hatte das International Maritime Forum der EU den Bau einer große Abwrackwerft in Liberia ins Gespräch gebracht. Als Anfang der 90er Jahre die Einführung einer generellen Rücknahmepflicht für alle in der EU hergestellten Produkte durch die Hersteller (oder durch sog. Dritte) diskutiert wurde, schlug das Forum die Finanzierung einer "vernünftigen" Abwrackwerft im nichteuropäischen Ausland über EU-Mittel vor. Konkreter wurde das Maritime Forum allerdings nicht, statt dessen geriet die Diskussion über EU-weite Rücknahmeverordnungen ins Stocken, und die Rückkehr in der EU gebauter Schiffe zur Demontage war wieder vom Tisch.
  Hausaufgaben für Trittin
  In Asien sind es die großen Schiffbaukonzerne, die über ihre Einbettung in nationale Stahlfirmen die Abwrackszene in Indien, Pakistan, Bangladesh und China kontrollieren. Angesichts der Mengen an unrentablen Altschiffen (vor allem Tanker, Bulker und auch Container) und der damit vorhandenen Überkapazitäten auf dem weltweiten Frachtmarkt versuchen die Japaner zur Zeit in Indien, China und Vietnam neue (und technisch etwas besser ausgerüstete) Plätze zum Abwracken ihrer alten Tankerflotte zu errichten.
  Hier wie dort besteht - solange der Export alter Schiffe zum Abwracken in Billiglohnländer uneingeschränkt vonstatten gehen kann - keinerlei Bereitschaft, die Dinge an der Wurzel zu packen und vor allem Schiffe in Zukunft so zu bauen, daß eine geordnete Demontage und Weiter- beziehungsweise Wiederverwendung von Einzelteilen sowie Materialien ohne ernsthafte Folgen für Gesundheit und Umwelt überhaupt möglich ist. Zwar schlägt die in der Fachwelt reichlich gefeierte Studie der Delfter Universitätsabteilung für Schiffbau einschneidende Verbesserungen beim Neubau von Schiffen vor, das Abwracken selber möchten die Niederländer aber weiterhin (unter dem Tenor "Entwicklungshilfe") in lohn- und vorschriftengünstigeren Ländern außerhalb der OECD durchführen.
  Deshalb scheint es notwendiger denn je, internationale Kampagnen wie die von Greenpeace zur Baseler Konvention kräftig zu unterstützen. Nur so läßt sich der öffentliche Druck erhöhen, daß endlich schon bei der Konstruktion und Materialauswahl von Schiffen ihre Rückkehr zur geordneten Demontage in die Bauländer und zu den Bauwerften entscheidend berücksichtigt wird.
  Ein Weg wäre - wie es der maritime IG-Metall-Arbeitskreis "Andere Nützliche Produkte" aus Bremen vorgeschlagen hat - die zwingende nationale beziehungsweise EU-weite Vorschrift, für jedes Neubauschiff auch ein Schadstoffkataster zu erstellen, in dem alle verwendeten Materialien mit ihren jeweiligen gesundheits- und umweltschädigenden Auswirkungen aufgelistet werden müssen, und das im Schiff fest angebracht sein muß. Dies hätte den Vorteil für Werftarbeiter und Seeleute, daß sie wissen, mit welchen Schadstoffen sie bei Bau, Reparatur und Betrieb in Kontakt kommen. Auch beim Abwracken Beschäftigten wären zumindest gewarnt, was sie alles erwartet.
  Ein weites und wichtiges Aufgabenfeld für den neuen grünen Umweltminister, der immerhin aus dem ehemaligen Großwerftzentrum Bremen-Vegesack stammt: Erstens wäre eine deutliche Position gegen den Verkauf von Schrottschiffen deutscher Reeder an die Abwrackstrände Indiens fällig. Zweitens wichtig wäre die Übernahme der Forderung von Werftarbeitern, endlich weniger Schadstoffe beim Bau von Schiffen zu verwenden. Drittens könnte Trittin im Kabinett durchsetzen, daß für Neubauten unverzüglich Schadstoffkataster vorgeschrieben werden. Dann könnte er publikumswirksam ein "grüneres Deutschland mit grüneren Schiffen" propagieren und zugleich der heimischen Werftindustrie einen neuen internationalen Wettbewerbsvorteil verschaffen...
  Peter Ullrich
  Aus Waterkant. Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseregion, Nr.4/98, Zeitschrift der Aktionskonferenz Nordsee (AKN), Redaktionsanschrift: Offenwardener Straße 6, 27628 Sandstedt/
  Unterweser, E-Mail: . Der Beitrag wurde aus Platzgründen gekürzt. Der Autor ist Mitglied des Arbeitskreises "Andere nützliche Produkte" der IG Metall in Bremen.