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Wer sich für den Verbleib alter und ausgedienter Handels- und
Kriegsschiffe interessiert, muß seinen Blick auf die Strände von Indien, Pakistan und Bangladesh
richten. Dort brennen, reißen und sortieren Tausende bis Zehntausende oft nur mit T-Shirt,
Lendenschurz, Turban und Sandalen ausgerüstete Arbeiter die auf den Strand gesetzten Schiffe
auseinander und tragen die Einzelteile auf ihren Schultern zum Abtransport per Lkw. Alles ist
verkäuflich oder verwendbar, eine Folge der bitteren Armut in diesen drei Ländern. Die
Wanderarbeiter riskieren ohne jeden Gesundheits- oder Arbeitsschutz und ohne soziale Absicherung
täglich neu ihr Leben für die wenigen Rupien, mit denen sie meist noch die in weiter Ferne
lebenden Familien miternähren müssen.
Die Arbeitsbedingungen auf den asiatischen Abwrackstränden trotzen jeder Beschreibung. Ohne
Gerüste turnen die Arbeiter an und auf den Schiffen herum, schutzlos den mannigfaltigen giftigen
Materialien wie etwa Asbest und PCB ausgesetzt, ständig in der Sorge, daß Ölleitungen
und Tanks beim Auseinanderbrennen explodieren, oder in Angst, von herunterfallenden Teilen erschlagen zu
werden.
Da die Schiffe nur auf ihrem Kiel liegen, müssen die Demontagearbeiten immer so ausgeführt
werden, daß das Gleichgewicht des Schiffs sich nicht plötzlich dramatisch verändert.
Täglich kommt es zu schweren, oft tödlichen Unfällen, eine medizinische Versorgung vor
Ort findet so gut wie nicht statt. Es gibt an diesen Stränden weder Anlagen zur Entgasung von
Leitungen und Tanks noch zur Reinigung der verschiedenen ölhaltigen Gemische. Brennbare
Abfälle werden gleich an Ort und Stelle ins Feuer geworfen, der Rest fliegt in Landschaft und
Meer.
Zwar haben sich in den vergangenen Jahren dank öffentlichen Drucks die internationalen Vorschriften
für Betrieb und Bau von Schiffen in bezug auf Umwelt- und Arbeitsschutz verbessert (wenn auch
keinesfalls zufriedenstellend oder weltübergreifend mit gleich hohen Standards). Ausgeklammert blieb
das Abwrackgeschäft. Dies könnte sich bald ändern.
Seit Anfang 1998 verbietet ein Zusatz zum Baseler Giftmüllabkommen den Export von
"gefährlichen Sonderabfällen" aus den Mitgliedstaaten der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, die 29 reichsten Länder) in
Nichtmitgliedstaaten, und zwar sowohl zur direkten Endlagerung als auch zur Wiederverwertung.
Hochgiftig
Nun tobt hinter den Kulissen der schiffahrtstreibenden Länder der Streit, ob auch alte, mit hochgiftigen
Schadstoffen belastete Schiffe als "gefährlicher Sonderabfall" unter die Baseler
Giftmüllkonvention fallen - oder ob als Teil eines "freien" globalen Schrotthandels von
allen Beschränkungen befreit sind.
Trotz vieler hochgiftiger Schadstoffe, aus denen Schiffe bestehen, wurde mancher schöne alte Dampfer
allein aufgrund seines Messinganteils auf dem Schrottmarkt als kleine Kostbarkeit gehandelt. Die heutigen
Handels- und Kriegsschiffe bestehen aber auch aus gefährlicheren Materialien wie Asbest, PCBs,
krebserregenden Stahllegierungen oder hochgiftigen Anstrichen. Nach wie vor wird kein Schiff der Welt so
gebaut, daß die Materialien ohne größere Gesundheits- und Umweltprobleme weiter- und
wiederverwertbar sind.
Die heutigen Hauptabwrackländer bieten einen schier unerschöpflichen Pool an
Arbeitskräften sowie einen immensen Bedarf an billigem Schrott. In diesen Ländern boomt ein
entsprechender regionaler Gebrauchtmarkt für Großmotorteile, elektronische Aggregate,
Krananlagen, Winden, Pumpen- und Rohrleitungssysteme, wie sie in alten Schiffen reichlich zu finden sind.
Neben dem Einschmelzen von Edelmetallen wie Kupfer und Messing werden vor allem Teile aus Eisen
entweder zurechtgeschnitten und als Baustahl neu gewalzt oder als Schrott in die Verhüttung
gegeben.
Diese Abwrackpraxis ist immer nur ein Geschäft auf Zeit. Zum einen lassen steigende Löhne und
durch öffentlichen Druck verbesserte Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen die Profite schrumpfen.
Zum anderen sind der Wiederverwendung der Altmaterialien Grenzen gesetzt, denn mit der Entwicklung der
Infrastruktur steigen auch die Ansprüche an deren Qualität: Technische Normen für
Brücken, Tunnel, Straßen und Häuser führen über kurz oder lang zu
behördlichen Verboten der Verwendung von erneut gewalztem Schiffsschrott, denn dieses Material ist
wesentlich geringer belastbar als neue Baustähle.
Der Anteil von Schiffsschrott am internationalen Schrotthandel ist dementsprechend gering. Lediglich dort, wo
aufgrund von Devisenmangel kein hochwertigerer Schrott für die Industrie zur Verfügung steht,
kann sich überhaupt ein Markt für den Schiffsschrott entwickeln. Selbst im derzeitigen
Hauptabwrackland Indien (mit etwa 300 bis 500 abgewrackten Schiffen im Jahr) macht der Handel mit
Schiffsschrott nur 10-15 Prozent des gesamten Schrottbedarfs aus.
Neue Minderwertigkeit
Alle Abwrackländer haben im Laufe der vergangenen Jahrzehnte eine eigene Schiffsneubauindustrie
entwickelt. Japan, Taiwan, Korea, China sind mittlerweile weltführende Schiffbaunationen. Ihre
Erfahrungen mit großtechnischer Produktion auf den Werften kommt ihrem industriellen Aufbau zugute.
Diesen Weg beschreitet nun auch Indien. In der Nähe der Abwrackstrände von Alang wurde
mittlerweile eine Neubau-Werftindustrie aufgebaut, die zu einem großen Teil die beim Abwracken
ausgebauten Aggregate weiter verwendet.
Der Bau von Schiffen hat sich in den 70er und 80er Jahren stark verändert. Neue Konstruktionen und
Legierungen haben den Schiffsstahl in Gewicht und Qualität entscheidend reduziert (die Bearbeitung
hinterläßt im übrigen hochgiftige Stäube und Schweißrauche). Hinzu kommen
lange Fahrzeiten und mangelnde Instandhaltung. Damit hat sich der Anteil an Rost drastisch erhöht, die
Verwendung minderwertiger Legierungen im Rohrbau haben Kupfer- und Messing weitestgehend ersetzt. Die
neu zur Verschrottung anstehenden Schiffsgenerationen weisen daher erheblich weniger Masse an
verkaufbarem Metallschrott auf.
Bereits Ende des 19.Jahrhunderts begann in Europa mit der Umstellung auf Dampfschiffe das
Schiffsabwracken im industriellen Maßstab. Die gewonnenen Materialien wanderten in die aufstrebende
Metallwirtschaft und bildeten eine feste Quelle von Sekundärschrott.
Nach den Weltkriegen waren die nationalen Schrottmärkte leergefegt. Baustahl und Eisenerzersatz
waren Mangelware. Das Abwracken gewann damit an Bedeutung. In Zeiten der Hochrüstung wurde
Schrott zum überlebenswichtigen Handels-, aber auch Streitobjekt. Der Angriff Japans auf Pearl
Harbour war auch die Antwort auf das Schrottembargo der USA.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verschrotteten die wiedererstarkenden Eisen- und Stahlindustrien
von England, Deutschland, Spanien, Portugal und Italien sowie von Japan und den USA die Alttonnagen in
großem Stil. Noch in den 50er Jahren landeten mehr als 50 Prozent der Altschiffe auf englischen
Abwrackwerften. Ende der 60er Jahre verschob sich das Geschäft in die asiatische Region.
Neben der traditionellen Abwrackindustrie Japans entstanden in Taiwan, Südkorea und etwas
später in China Abwrackwerften, die die Schiffe im großen Stil auseinanderbrannten. 1972 hielten
Taiwan, Spanien und die USA 70 Prozent des Weltmarkts, 1982 Taiwan, Südkorea und Pakistan 90
Prozent.
Ein besonderes Problem bildet das Abwracken der großen Tanker. Einige Länder (wie z.B.
Taiwan, Südkorea, China und Vietnam) spezialisierten sich auf darauf, indem sie besondere
Abwrackanlagen als Docks oder Kais mit Entgasungsanlagen für die Tanks bauten.
Am Beispiel Spaniens zeigt sich allerdings, das letztlich nicht die Qualität der Abwrackanlagen
entscheidet, sondern das sich immer weiter internationalisierende Schrottgeschäft und die
Absatzmöglichkeit vor allem von Baustahl aus neugewalzten Schiffsplatten auf heimischen oder
angrenzenden Märkten. Trotz technischer Aufrüstung der Anlagen in Barcelona, Gijon, Castellon
und Cadiz für das Abwracken von Großtankern ergab sich für Spanien aufgrund des
Beitritts zur EU und dem Fall von Zollgrenzen ein ganz anderer Zugang zum europäischen
Schrottmarkt und damit auch das Ende des Tankergeschäfts. In den zurückliegenden Jahren
wrackte Spanien nur noch kleinere Einheiten ab.
Seit Ende der 80er Jahre sind die Schiffsabwracker sowohl in Taiwan als auch in Südkorea
verschwunden. Übrig sind Abwrackwerften in China, Japan, in den USA und in der Türkei, die
eine starke staatliche Unterstützung erhalten. Wegen der erheblichen Preiseinbrüche spielt sich
die Masse des Abwrackgeschäfts mittlerweile auf wesentlich niedrigerem Niveau und unter
unsäglichen Umwelt- und Arbeitsschutzbedingungen an den Sandstränden von Indien, Pakistan
und Bangladesh ab. Lediglich aus China stammen Meldungen, wonach die dortige Stahlindustrie das
Geschäft noch in diesem Jahr wieder aufnehmen will. Seit Ende der 60er Jahre wrackt China ab. 1991
entstanden mit Hilfe japanischer Partner relativ hochwertige Anlagen, auf denen jahrelang im großen Stil
Tanker verschrottet wurden. 1996 und 1997 stoppte die chinesische Regierung über eine
Verschärfung der Bauvorschriften sowie eine erhöhte Importsteuer das
Abwrackgeschäft.
Kein Verfallsdatum
Eine Niederlassung in Shanghai soll in naher Zukunft über die technische Zusammenarbeit mit einer
japanischen Stahlfirma vor allem Bulker und Tanker zum Abwracken auf chinesischen Anlagen einkaufen.
Für Zentralvietnam (Danang) und Indien (Pipavav) gibt es kühne Pläne japanischer
Schrottfirmen, ab der Jahrtausendwende ebenfalls Großtanker in eigens dafür ausgerüsteten
Anlagen abzuwracken und auf in der Nähe errichteten Walzwerken die Schiffbauplatten für
Baustähle zu verarbeiten.
Altschiffe besitzen kein Verfallsdatum wie Kosmetika, Medikamente oder Lebensmittel. Sie werden auch nicht
nach festen Regeln zum Abwracken verkauft. Steigende und fallende Frachtraten, Stillegungs- und
Abwrackprogramme der Reeder, steigende oder fallende Treibstoffpreise, Nachfragespitzen und regionale
Wirtschaftskrisen haben in den vergangenen Jahrzehnten entschieden, ob ein Schiff abgewrackt oder
generalüberholt wird. Das Inkrafttreten neuer internationaler und regionaler Umwelt- und
Sicherheitsstandards für Neubau und laufenden Betrieb von Seeschiffen läßt oft
größere Tonnagemengen "über Nacht" zu Substandardschiffen werden - weil
die Reeder die meist 10- oder gar 20jährigen Umrüstungsfristen des jeweiligen Standards aus
Kostengründen ignoriert haben.
Auch das stets wechselnde Preisgefüge für Neubauten, Reparaturen und Gebrauchtschiffe kann
das Angebot an Alttonnage zum Abwracken von heute auf morgen anschwellen oder auf fast Null sacken
lassen. Zu unberechenbar ist das Faktorenbündel aus den Kosten für eine erneute Instandhaltung
(im Rhythmus der Inspektionen der Klassifizierungsgesellschaften), den mit Alttonnagen zusätzlich zu
erzielenden Frachtratengewinnen und der Marge des Schrottverkaufswert des alten Schiffs, die sich aus der
Lage an den regionalen Schrottmärkten in den Abwrackländern ergibt. Da diese Faktoren mehr
oder weniger voneinander unabhängig sind, ist eine Aussage zum weltweit tasächlich anfallenden
Abwrackvolumen äußerst spekulativ.
Eine Reihe von Reederkonsortien haben angekündigt, sie würden für jede Indienstnahme
einer Neubestellung ein altes Containerschiff zum Abwracken geben. Grund: Vielfach werden von den
Großen ausgemusterte und verkaufte Containerschiffe von den neuen Besitzern als Billigkonkurrenz auf
denselben Linien wieder eingesetzt.
Auch in den anderen Sparten der Schiffahrt, wie z.B. Froster und Autotransporter, hat sich ein
Überangebot durch alternde Tonnage und steten Neubau ergeben, der in den nächsten Jahren zur
Verschrottung kommen wird.
Exemplarisch hat sich das Basel-Aktions-Netzwerk (BAN) zusammen mit Greenpeace International Anfang
dieses Jahres des geplanten Exports von alten, mit Asbest, PCB, kontaminierten Ölen und
Schwermetallen überladenen Schiffen aus den USA nach Indien sowie des Verkaufs alter
Fährschiffe der dänischen Reederei Scandlines an den Indischen Ozean angenommen.
Die indische Regierung veranlaßte eine Untersuchung der Arbeits- und Umweltbedingungen an den
Abwrackstränden. Das Ergebnis - Strände hochgradig verseucht, Trinkwasser schwer belastet -
wird jedoch nicht weiter diskutiert.
Regierungsvertreter betonten die Notwendigkeit weiterer Importe von Schiffen zum Abwracken, um der
aufstrebenden heimischen Industrie Rohstoffe und den Menschen in Indien Arbeit zu bringen. Immerhin stellte
die Regierung Verbesserungen der Umwelt- und Arbeitsschutzbedingungen an den Abwrackstränden in
Aussicht. Neu-Delhi verabschiedete etwa ein Gesetz, wonach nur gasfreie Schiffe auf den Stränden
abgewrackt werden dürften, um die ständigen Gasexplosionen abzustellen. Auch unterzeichnete
Indien den letzten Baseler Beschluß und verbot die Einfuhr von mit Asbest, Blei, PCB und giftigen
Ölgemischen beladenen Schiffen. Nach Beobachtungen von Greenpeace sind in jüngster Zeit an
einigen Abwrackstränden zumindest Gummistiefel, Plastikhelme, Schweißbrillen und
Arbeitshandschuhe aufgetaucht.
Fortschritte...
In Dänemark, das im Gegensatz zu den meisten anderen Industrieländern ebenfalls alle
Ergänzungen zum Baseler Abkommen ratifiziert hat, schloß sich der dortige Umweltminister nach
einer Presse- und Fernsehkampagne über die Zustände am indischen Strand von Alang der
Definition der Umweltschützer an und verbot im Juni 1998 den Export der Fähren. In einer
Presseerklärung unterstrich er die Position Dänemarks, daß alte, unter anderem mit Asbest
und PCB verseuchte Schiffe als Sondermüll unter das seit 1.Januar 1998 verschärfte
Exportverbot der Baseler Konvention fallen und auch nach der Anpassung des EU-Abfallrechts nicht nach
Indien oder andere Nicht-OECD-Staaten zur Verschrottung exportiert werden können. Mittlerweile
interessieren sich einige Firmen für ein Abwracken der Fähren in Dänemark, auch wenn
dies allein wegen der Asbestisolierungen erhebliche Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen
erfordert.
Die Reaktion der USA (die Regierung Clinton hat bisher nur Teile der Baseler Konvention unterzeichnet) auf
die öffentlichen Proteste gegen den Export von "Giftschiffen" nach Indien entsprach in
keiner Weise der Dänemarks. Die US-Behörden haben ungefähr 180 zivile und
militärische Altschiffe zum Abwracken "auf Halde". Die Wracks sind im Besitz der US-
Schiffahrtsverwaltung. Sie können auf den noch verbliebenen Abwrackwerften nur mit Hilfe hoher
Subventionen auseinandergebaut werden.
Ein Blick auf die Schiffbauszene der USA zeigt, daß die wenigen übrig gebliebenen Kriegs- und
Spezialschiffswerften sich mehr oder weniger völlig in Staatsregie befinden. Der Handelsschiffbau liegt
trotz aller Wiederbelebungsversuche weiterhin am Boden. Über die 80er Jahre hinaus hat sich eine
kleinere Anzahl von Abwrackfirmen halten können.
Über Subsubunternehmensstrukturen wurden die ersteigerten Schiffe aus Staatsbesitz - an
behördlichen Auflagen vorbei oder auch unter Mißachtung von Verwarnungen wegen
gravierender Verstöße gegen Umwelt- und Arbeitsschutz - unter meist dubiosen Umständen
abgewrackt. Die jeweils Beschäftigten wurden dabei rücksichtslos aus dem Einwanderermilieu
rekrutiert, verängstigte Menschen oft ohne existentielle Alternative, die sich ohne ausreichende
Schutzmaßnahmen in Wolken von Asbest und giftigen Metall- sowie Anstrichstäuben schicken
ließen.
Als sich in den vergangenen drei Jahren Zeitungsberichte über Betroffene zu häufen begannen
und das US-Umweltamt EPA verstärkte Kontrollen durchführte, wurden die Tätigkeiten
auf den verbliebenen Abwrackplätzen Zug um Zug eingestellt. Angesichts der noch zur Verschrottung
anstehenden Schiffe versuchten die US-Behörden daraufhin, die in höchstem Maße
schadstoffhaltigen Wracks ins Ausland zu verkaufen, um nicht die heimischen Abwrackplätze per
Subvention an notwendige Arbeits- und Umweltschutzvorschriften anpassen zu müssen.
...und Abwiegelei
Nach Einmischung von Greenpeace und einigen indischen Umweltgruppen gegen den Verkauf von US-
Giftschiffen sah sich die US-Schiffahrtsbehörde gezwungen, einen Expertenbericht zur Problematik des
Exports von Altschiffen zu erstellen. Im April 1998 wurde der Bericht vorgelegt, mit dem eindeutigen
Ergebnis: Der Export ist möglich, sinnvoll und entspricht internationalen Vorschriften.
Eingespannt in diese Linie wurde auch die EPA, die nach US-Gesetz beim Export von Abfällen zu
beteiligen ist. Ähnlich lasch, wie sich die EPA gegenüber anderen Sondermüll- und
Schrottexporten aus den USA nach Asien verhält, war auch die Reaktion auf das Exportansinnen der
US-Schiffahrtsbehörde: Mit ein paar Auflagen zur Entfernung von PCB-haltigen Flüssigkeiten -
"soweit entfernbar" (!) - war für die EPA die Sache erledigt.
Die Gegenposition in den USA sowohl zum Export alter Schiffe als auch zur Ausfuhr giftiger Abfälle
allgemein ist eher patriotisch gestimmt. Schließlich habe man die Technik, um solche Schiffe auch
umweltgerecht und unter annehmbaren Arbeitsbedingungen "at home" auseinander zu nehmen
(die Vergangenheit der Abwrackpraxis bewies genau das Gegenteil!). Da müsse man doch den armen
Menschen in Indien diese Schiffe nicht überlassen.
Über eine endgültige Position der US-Regierung wurde noch nicht entschieden. Zum
Jahreswechsel stehen öffentliche Ausschreibungen zum Verkauf (sprich Verschrotten) an. Somit
könnte erwartet werden, daß zwar innerhalb von US-Bundesstaaten niedergelassene
Abwrackgesellschaften den Zuschlag in den Bietrunden bekommen, die Schiffe selber aber über
verschiedene Liegeplätze und Unterfirmen solange verschoben werden, bis sie dann doch am Strand
irgendeines Abwrackplatzes in Indien, Pakistan oder Bangaladesh bei Springflut wieder auftauchen.
Im November 1998 richtete Greenpeace das Interesse der Öffentlichkeit auf die Container-Reederei
P&O-N. Das britisch-niederländische Konsortium hat seit März dieses Jahres sieben Schiffe
zum Verschrotten nach Indien, Bangladesh sowie China verkauft, allerdings ohne die Schiffe in irgendeiner
Weise von giftigen und stark gesundheitsgefährdenden Schadstoffen zu befreien. Am 16.November
besetzte Greenpeace in Barcelona das P&O-N-Containerschiff Encounter Bay (gebaut mit vier
Schwesterschiffen 1969 in Hamburg) und hißte die wohlbekannten Banner. Gleichzeitig wurde in der
Presse die zum Himmel schreiende Situation an den indischen Abwrackstränden dargestellt.
Nach Auskunft von Greenpeace gerieten übrigens auch Schiffe deutscher Reedereien in diesem Jahr an
den Strand von Alang. Das Traditionsunternehmen Hamburg-Süd bspw. verkaufte das Containerschiff
Columbus New Zealand mit der Option, zwei weitere Schwesterschiffe ebenfalls zum Abwracken nach Indien
zu schicken. Eine weitere Hamburger Reederei, Trans-Ocean-Shipment, schickte in diesem Jahr zwei
Containerschiffe nach Indien, nämlich die Barbican Star sowie die Barbican Spirit. Eine
öffentliche Stellungnahme der Bundesregierung zu diesen Verschrottungsverkäufen gab es bisher
nicht.
Die Diskussion um das Abwracken alter Schiffe ist nicht neu. Bereits in den 80 Jahren hatte das International
Maritime Forum der EU den Bau einer große Abwrackwerft in Liberia ins Gespräch gebracht. Als
Anfang der 90er Jahre die Einführung einer generellen Rücknahmepflicht für alle in der
EU hergestellten Produkte durch die Hersteller (oder durch sog. Dritte) diskutiert wurde, schlug das Forum die
Finanzierung einer "vernünftigen" Abwrackwerft im nichteuropäischen Ausland
über EU-Mittel vor. Konkreter wurde das Maritime Forum allerdings nicht, statt dessen geriet die
Diskussion über EU-weite Rücknahmeverordnungen ins Stocken, und die Rückkehr in der
EU gebauter Schiffe zur Demontage war wieder vom Tisch.
Hausaufgaben für Trittin
In Asien sind es die großen Schiffbaukonzerne, die über ihre Einbettung in nationale Stahlfirmen
die Abwrackszene in Indien, Pakistan, Bangladesh und China kontrollieren. Angesichts der Mengen an
unrentablen Altschiffen (vor allem Tanker, Bulker und auch Container) und der damit vorhandenen
Überkapazitäten auf dem weltweiten Frachtmarkt versuchen die Japaner zur Zeit in Indien, China
und Vietnam neue (und technisch etwas besser ausgerüstete) Plätze zum Abwracken ihrer alten
Tankerflotte zu errichten.
Hier wie dort besteht - solange der Export alter Schiffe zum Abwracken in Billiglohnländer
uneingeschränkt vonstatten gehen kann - keinerlei Bereitschaft, die Dinge an der Wurzel zu packen und
vor allem Schiffe in Zukunft so zu bauen, daß eine geordnete Demontage und Weiter- beziehungsweise
Wiederverwendung von Einzelteilen sowie Materialien ohne ernsthafte Folgen für Gesundheit und
Umwelt überhaupt möglich ist. Zwar schlägt die in der Fachwelt reichlich gefeierte Studie
der Delfter Universitätsabteilung für Schiffbau einschneidende Verbesserungen beim Neubau von
Schiffen vor, das Abwracken selber möchten die Niederländer aber weiterhin (unter dem Tenor
"Entwicklungshilfe") in lohn- und vorschriftengünstigeren Ländern außerhalb
der OECD durchführen.
Deshalb scheint es notwendiger denn je, internationale Kampagnen wie die von Greenpeace zur Baseler
Konvention kräftig zu unterstützen. Nur so läßt sich der öffentliche Druck
erhöhen, daß endlich schon bei der Konstruktion und Materialauswahl von Schiffen ihre
Rückkehr zur geordneten Demontage in die Bauländer und zu den Bauwerften entscheidend
berücksichtigt wird.
Ein Weg wäre - wie es der maritime IG-Metall-Arbeitskreis "Andere Nützliche
Produkte" aus Bremen vorgeschlagen hat - die zwingende nationale beziehungsweise EU-weite
Vorschrift, für jedes Neubauschiff auch ein Schadstoffkataster zu erstellen, in dem alle verwendeten
Materialien mit ihren jeweiligen gesundheits- und umweltschädigenden Auswirkungen aufgelistet
werden müssen, und das im Schiff fest angebracht sein muß. Dies hätte den Vorteil
für Werftarbeiter und Seeleute, daß sie wissen, mit welchen Schadstoffen sie bei Bau, Reparatur
und Betrieb in Kontakt kommen. Auch beim Abwracken Beschäftigten wären zumindest
gewarnt, was sie alles erwartet.
Ein weites und wichtiges Aufgabenfeld für den neuen grünen Umweltminister, der immerhin aus
dem ehemaligen Großwerftzentrum Bremen-Vegesack stammt: Erstens wäre eine deutliche
Position gegen den Verkauf von Schrottschiffen deutscher Reeder an die Abwrackstrände Indiens
fällig. Zweitens wichtig wäre die Übernahme der Forderung von Werftarbeitern, endlich
weniger Schadstoffe beim Bau von Schiffen zu verwenden. Drittens könnte Trittin im Kabinett
durchsetzen, daß für Neubauten unverzüglich Schadstoffkataster vorgeschrieben werden.
Dann könnte er publikumswirksam ein "grüneres Deutschland mit grüneren
Schiffen" propagieren und zugleich der heimischen Werftindustrie einen neuen internationalen
Wettbewerbsvorteil verschaffen...
Peter Ullrich
Aus Waterkant. Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseregion, Nr.4/98, Zeitschrift der Aktionskonferenz
Nordsee (AKN), Redaktionsanschrift: Offenwardener Straße 6, 27628 Sandstedt/
Unterweser, E-Mail: