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Was die neue Regierung von SPD und Grünen in ihrer
Außenpolitik vor allem auszeichnet, ist "Kontinuität". Sie setzt die
Außenpolitik von Kohl und Kinkel fort und schrieb sich dies von Anfang an auf ihre Fahnen.
Kontinuität bedeutet allerdings nicht, daß sich nichts ändert. Zentraler Bestandteil der
Außenpolitik der Kohlregierung war es, die Öffentlichkeit Zug um Zug an eine neue
angebliche "Normalität" zu gewöhnen, die darauf hinausläuft, daß die
deutsche Armee wieder in aller Welt intervenieren kann. Die neue Bundesregierung hat auf diesem Weg
jetzt ein weiteres "Tabu" gebrochen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat eine Teilnahme der Bundeswehr an einem Einsatz von
Nato-Bodentruppen "nicht ausgeschlossen". Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hat
am vergangenen Wochenende anläßlich eines Besuchs der in Mazedonien stationierten
Bundeswehrsoldaten erklärt, "Deutschland" werde "auf jeden Fall seine
Verantwortung übernehmen" und an einem Einsatz von Nato-Bodentruppen im Kosovo mit
einem Anteil von ca. 10 Prozent beteiligt sein. Solche Truppen sind in einer Größenordnung
von 30.000 bis 40.000 Mann vorgesehen. Die Beteiligung an Luftangriffen gegen serbische Ziele ist
sowieso bereits Konsens.
Selbstverständlich wird der geplante Einsatz wieder einmal mit der Verteidigung der
"Menschenrechte" gerechtfertigt. Die wirklich dahinter stehenden Interessen werden damit
verschleiert. Die Hintergründe des Massakers von Racak, das sowohl der Chef der Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) William Walker als auch US-Präsident
Clinton alsbald zur Eskalation der Drohungen gegenüber dem Staatspräsidenten von (Rest-
)Jugoslawien Slobodan Milosevic nutzten, sind bislang nicht aufgeklärt.
Die Angelegenheit riecht hundert Meter gegen den Wind nach einem Vorwand. Und darum handelt es sich:
Der UNO ist die Entscheidung über den Kriegseinsatz aus der Hand genommen worden. Der
Kriegseinsatz gegen "Serbien" ist jetzt nur noch von der Entscheidung des Nato-
Generalsekretärs Javier Solana abhängig. Laut Auskunft hochrangiger Diplomaten in
Brüssel hat nun keine Regierung der Welt in dieser Sache mehr ein Vetorecht, auch nicht die
Regierungen der Länder der "Balkan-Kontaktgruppe" (USA, Rußland,
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien), und damit vor allem die russische Regierung nicht
mehr.
Ein "weiteres Massaker" (im weitergehenden Bürgerkrieg kann jeden Tag eins gefunden
werden) würde die Nato-Intervention auslösen, aber auch die Weigerung der Kriegsparteien,
an der für den 6.Februar in der Nähe von Paris vorgesehenen Friedenskonferenz teilzunehmen.
Milosevic hat gesagt, er sei nicht bereit, außerhalb Serbiens und direkt mit der UCK zu verhandeln.
Ibrahim Rugova, "gemäßigter" Präsident der informellen kosovo-
albanischen Republik, hat seine Bereitschaft zur Teilnahme erklärt. UCK-Sprecher Adem Demaci
hingegen will sich die Sache noch überlegen.
Die Interventionsdrohung besteht also darin, die Kriegsparteien, und vor allem die serbische Seite, mit
Gewalt zu Friedensverhandlungen unter der Schirmherrschaft der reichsten und mächtigsten
Industrieländer zu drängen.
Natürlich ist es möglich, daß Milosevic in letzter Minute dem Druck nachgibt.
Spekuliert wird auch darüber, daß er vielleicht Nato-Bomben sogar herbeiwünscht, um
ein Nachgeben innenpolitisch besser durchsetzen zu können. Im Fall eines Einsatzes von Nato-
Bodentruppen droht jedenfalls ein jahrelanger Kleinkrieg, der die bisherigen Grausamkeiten in den Schatten
stellen würde.
Die "rechtliche" Grundlage ist denkbar dünn. Im Grunde handelt es sich um eine
"Selbstmandatierung", denn es gibt dafür keinen Beschluß von UNO-Gremien,
nicht einmal vom exklusiven Klub des UNO-Sicherheitsrats. Das "Verteidigungs"-
Bündnis Nato wird offensichtlich zum Angriffspakt.
Was Deutschland betrifft, so legt das Grundgesetz ausdrücklich die Rolle der Bundeswehr auf die
"Landesverteidigung" fest. Wer aber bedroht Deutschland auf dem Balkan? Niemand. Die
Schröder-Regierung bereitet einen Verfassungsbruch vor.
Bemerkenswert ist, daß der von Haus aus "pazifistische" grüne Koalitionspartner
kein Hindernis für die fortschreitende Militarisierung der deutschen Außenpolitik ist. Der
grüne Außenminister Joschka Fischer betonte gleich zu Beginn seiner Amtszeit die
"Kontinutität" zu Kohl und Kinkel. Er erklärte, es gebe keine
"grüne", nur eine "deutsche" Außenpolitik. Das ist eine bewußte
Anspielung auf ein Wort von Kaiser Wilhelm, als dieser zum Ersten Weltkrieg hetzte: Auch er kannte
"keine Parteien" mehr, "nur noch Deutsche"!
Die Grausamkeiten der deutschen Wehrmacht unter Hitler im Balkan sollten jeden Gedanken an ein
Eingreifen der Bundeswehr verbieten. "Menschenrechte" verteidigen zu wollen, dazu
gäbe es in vielen Ländern Anlaß - angefangen beim "Partner" Türkei
wegen der Verfolgung der kurdischen Bevölkerung.
Deutschland hat den Zerfall Jugoslawiens durch die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens
begünstigt. Als Milosevic dem Kosovo im Jahr 1990 den Autonomiestatus aberkannte, krähte
aber kein westlicher Hahn danach, auch kein deutscher. Der Westen ist auch heute strikt gegen die
Unabhängigkeit des Kosovo.
Außenpolitik und Innenpolitik hängen eng miteinander zusammen. Ständige
militärische Präsenz des Westens im Armenhaus Kosovo, das mit seinen zahlreichen
Erwerbslosen in die schöne neue globale Welt und das Bild einer wohlhabenden EU nicht
"paßt", bedeutet letztlich die Bewachung potentieller Flüchtlinge. Derzeit sorgen
das Schengener Abkommen und die deutschnationale Ideologie vom "vollen Boot" dafür,
daß sie abgeschoben werden, wenn sie die Außengrenzen der EU überwinden. Nun sollen
sie präventiv eingesperrt werden, damit sie gar nicht erst rauskommen. Militärpolitik als Anti-
Flüchtlingspolitik: von den Problemen der im Kosovo lebenden Menschen wird damit keines
gelöst.
Bruno Becker