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Gerade in den Metallbetrieben ist die Stimmung gut. Eine erste Warnstreikwelle hat
die Kampfbereitschaft gezeigt. Gewerkschaftsaktive berichten, daß die Aktionen
"Selbstläufer" sind. Das Angebot der Kapitalseite - 2 Prozent mehr Lohn und eine
Einmalzahlung, die vom Betriebsergebnis abhängig sein soll - wird als Hohn verstanden. Der der IG-
Metall-Vorsitzende Klaus Zwickel versprach das "Ende der Bescheidenheit". Das wird jetzt von
unten eingeklagt.
Obwohl die Warnstreikbewegung so gut angelaufen ist und es bei unbeugsamer Haltung des Unternehmerlagers
noch in diesem Monat zu Urabstimmung und Arbeitskampf kommen kann, findet sich in der Februar-Ausgabe
des Metall-Magazins erst auf Seite 10 ein magerer Artikel zum Tarifkonflikt. Weiter vorne geht es unter der
Rubrik "Zur Sache" nicht zur Sache, sondern da äußert sich Zwickel zum
"Bündnis für Arbeit" und preist es an. Es sei bereits "konkret geworden",
weil "die ersten arbeitslosen Jugendlichen schon einen Arbeitsplatz" bekommen haben. Es
dürfe nicht bei den zentralen Gesprächen bleiben, unzählige "Bündnisse
für Arbeit" vor Ort müßten hinzukommen. Gewerkschaften,
Unternehmerverbände und Arbeitsämter sollen Betrieben "helfen",
Ausbildungsplätze zu schaffen - es fehlen bloß noch 463.000.
Auch über dem Artikel zur Tarifpolitik steht "Bündnis für Arbeit". Dort
heißt es, daß die IG Metall das "Angebot" von Gesamtmetall ablehnt: "Die
Arbeitnehmer müßten dann nicht nur das Arbeitsplatzrisiko, sondern zusätzlich auch einen
Teil des unternehmerischen Risikos tragen." Sodann wird Klaus Zwickel mit den Worten zitiert, er dulde
nicht, daß "die Tarifpolitik ins Bündnis für Arbeit getragen wird. Ich jedenfalls
würde dann aufstehen und gehen." Ja, aber direkt im Anschluß wird Walter Riester, der IGM-
Vorständler als Arbeitsminister, mit der gegenteiligen Auffassung zitiert, Tarifpolitik könne bei den
Bündnis-Gesprächen "eine Rolle spielen", wenn sich alle darauf einigen. Haben nun die
Gewerkschaften einen Partisanen in der Regierung oder hat die Regierung Partisanen in den
Gewerkschaftsvorständen?
Die Unabhängigkeit auch von der neuen Regierung ist ein kostbares Gut. Es darf nicht für ein
Linsengericht verscherbelt werden. Die Fähigkeit zur massiven Aktion, auch zu Erzwingungsstreiks gegen
die nun schon Jahre anhaltende Offensive der Bosse, ist nicht nur Voraussetzung dafür, etwas für
die gebeutelten Portemonnaies der Kolleginnen und Kollegen herauszuholen. Es geht auch darum, das
Kräfteverhältnis in der Gesellschaft zu verändern. Die Erfahrung mit sozialdemokratisch
geführten Regierungen hat gezeigt: Auch sie müssen von unten gezwungen werden, etwas für
die abhängig Beschäftigten und die Ausgegrenzten zu tun. Als Verhandlungsgegner im
öffentlichen Dienst unterscheidet sich Schily (SPD) nicht von Kanther (CDU). Aber ob die
Schröder-Regierung es sich leisten könnnte, wie ihre Vorgängerin frontal gegen
Hunderttausende streikende Metallerinnen und Metaller anzugehen, das wäre einen praktischen Test
wert.