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Die Kämpfe und Forderungen werden europäisch - diese Feststellung der Europäischen Konferenz gegen Erwerbslosigkeit, Ausgrenzung und Rassismus, die am 23. und 24.Januar in Köln stattfand hat inzwischen eine materielle Grundlage bekommen. In den beiden Jahren, die
auf die Europäischen Märsche nach Amsterdam im Juni 1997 folgten, haben sich die Märsche
zu einem soliden Netzwerk konsolidiert, das fest in den sozialen Bewegungen vor Ort verankert ist. Das
Bewegungsprinzip der Märsche ist einfach: In jedem Halbjahr, wenn der EU-Vorsitz wechselt, bereiten die
Erwerbsloseninitiativen und Gewerkschaften des jeweiligen Gastlands die Protestaktionen gegen das offizielle
Gipfeltreffen vor - unter der Beteiligung von mehr oder weniger starken Gastdelegationen aus anderen
Ländern. Auf Amsterdam folgte im zweiten Halbjahr 1997 Luxemburg und sein
Beschäftigungsgipfel; danach Cardiff und Wien; im Juni 1999 ist Köln dran, danach wird es Helsinki
sein. Nicht immer sind die Mobilisierungen gleich stark. Die Tatsache aber, daß es immer eine
europäische Mobilisierung ist, bedeutet für die Kräfte vor Ort einen nicht zu
unterschätzenden Ansporn.
Die Kölner Konferenz war ein gutes Beispiel dafür: Gerechnet hatten die Organisatoren mit 550
Teilnehmenden, es kamen dann weit über 600. Die Ausweitung der Erwerbslosenbewegung in den letzten
beiden Jahren - die Fortsetzung der Aktionen in Frankreich, die Protesttage in Deutschland im vergangenen Jahr,
der Aufschwung der Erwerbslosenproteste in Italien und Griechenland haben eine große Rolle dabei
gespielt.
Aber die Euromärsche erfüllen inzwischen noch eine ganz andere Funktion. Sie sind der einzige
Zusammenhang von AktivistInnen, der auf europäischer Ebene in größerem Umfang
handlungsfähig ist. Dieser Tatbestand macht sie zu einem Bezugspunkt auch für andere
Bewegungen, die sich dem zentralen Anliegen der Märsche - die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit -
verbunden fühlen.
Das gilt z.B. für Gewerkschaftslinke: gemessen an früheren Konferenzen waren diesmal deutlich
mehr Funktionsträger und Vertreter gewerkschaftlicher Vorstände anwesend - Griechenland hatte
den stellvertretenden Vorsitzenden des dortigen Pendants zum DGB geschickt; aus Italien waren offizielle
Vertreter linker Strömungen in der CGIL anwesend; aus der Bundesrepublik erstmals ein offizieller
Vertreter der Gewerkschaft NGG, die auf ihrem Gewerkschaftstag die Euromärsche unterstützt hat.
Sie verständigten sich über einen europäischen Gewerkschafteraufruf zu den Aktionen
anläßlich des EU-Gipfels - unabhängig von den Entscheidungen des EGB.
Auch andere Initiativen nutzten die Konferenz für die Vorbereitung ihrer Aktivitäten, so der
Frauenmarsch 2000, die Tour der indischen und brasilianischen LandarbeiterInnen etc. Erstmals wurde auch
versucht, eine praktische Verbindung zur Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und
MigrantInnen herzustellen. Nun sind gemeinsame Märsche in Deutschland geplant.
Bislang sieht es nicht danach aus, als würden die Beteuerungen der Bundesregierung, die den EU-Gipfel in
Köln für einen europäischen Beschäftigungspakt nutzen will, konkret werden. Mit
einem nennenswerten Rückgang der Erwerbslosenzahlen in diesem Jahr rechnet sie nicht; wirtschaftliche
Krisen, technologische Entwicklung und Unternehmenskonzentrationen werden eher zu weiteren zehntausenden
Entlassungen führen.
Trotz einer "linken" Mehrheit in der EU sind die Europäischen Märsche also weit davon
entfernt, eines ihrer Ziele erreicht zu haben. Die Kölner Konferenz war ein Mobilisierungserfolg - nun
muß alles daran gesetzt werden, daß er sich am 29.Mai wiederholt.