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Am 16.und 17.Januar entschied sich die LCR auf ihrer nationalen Konferenz für die Bildung
einer gemeinsamen Liste mit Lutte Ouvriere (LO). Wer die "Ligue" kennt, weiß, daß die Zustimmung
von fast 80 Prozent der Delegierten zu diesem Vorhaben ungewöhnlich hoch ist. Auch die Beteiligung an den
örtlichen Versammlungen zur Vorbereitung der Konferenz war groß. Die Mitglieder drückten damit ihr
Bestreben aus, verstärkt auf die politische Willensbildung Einfluß zu nehmen.
Bislang versuchte die LCR bei Wahlen breite Linksbündnisse aufzubauen und kooperierte dafür mit
verschiedenen politischen Kräften z.B. aus dem linksalternativen und linkssozialdemokratischen Bereich oder auch mit
kritisch eingestellten Strömungen aus dem Umfeld der KP. Dies führte von Fall zu Fall örtlich und regional
zu verschiedenen Konstellationen. Es war schwierig, dies auf eine landesweite Ebene zu übertragen. Die LO lehnte
ihrerseits die Teilnahme an solchen Bündnissen ab, konnte aber im Alleingang und mit der Kandidatur ihrer Sprecherin
Arlette Laguiller beachtliche Wahlerfolge erzielen. Die LCR gibt ihre Orientierung für den Aufbau einer breiten linken
Formierung nicht auf, aber in der gegenwärtigen Situation bietet es sich an, die Kräfte der beiden
revolutionären Organisationen - zwischen denen durchaus Meinungsverschiedenheiten und Unterschiede im politischen
Stil fortbestehen - für die Europawahlen zu bündeln. Es gelang, eine gemeinsame inhaltliche Plattform
auszuarbeiten. Neben dem gemeinsamen Wahlkampf werden beide Organisationen auch ihre eigenständigen Akzente
setzen.
Nachdem LO und die Wahlbündnisse, an denen die LCR teilnahm, bei den letzten Regionalwahlen getrennt die 5%-
Hürde überschreiten oder nahe an sie herankommen konnten, ist es nicht ausgeschlossen, daß die
gemeinsame Liste LO/LCR bei den Europaparlamentswahlen die 5%-Hürde nimmt. So sehen es die politischen
Beobachter, und daher war das mediale Echo auf die Ankündigung der gemeinsamen Wahlkandidatur groß. Die
traditionelle Linke an der Regierung - Sozialdemokratie, KP und Grüne - haben dem Maastricht-Europa, dem Europa der
Bosse und Banken und der Ausgrenzung der Armen dieser Welt nichts entgegenzusetzen. Sie haben sich zum Teil davon
gemacht. Die wachsenden sozialen Bewegungen gegen Erwerbslosigkeit und Ausgrenzung finden kein Gehör im
traditionellen politischen Spektrum. Es ist Zeit, daß ihren Forderungen politischer Ausdruck verliehen wird. Das ist nur
möglich mit einer klaren antikapitalistischen Perspektive.
Auf der Pressekonferenz unmittelbar nach unserer Entscheidung erklärte unser Sprecher Alain Krivine: "Wenn wir
die 5% überschreiten, ändern wir die Kräfteverhältnisse innerhalb der Linken und kommen so dem
Aufbau einer antikapitalistischen, feministischen und ökologischen politischen Kraft ein Stück näher. Ein
Erfolg unserer gemeinsamen Liste wäre eine Ermutigung für den Kampf von Millionen von Unterdrückten,
Ausgebeuteten und Ausgegrenzten, die sich in einer verzweifelten Lage befinden. Manche werden uns vorwerfen, daß wir
träumen. Doch allzu lange hat die Linke keine Träume mehr ausgelöst, weil sie sich damit begnügt,
die bestehenden Verhältnisse zu verwalten."
Unsere gemeinsame Kandidatur steht für den Traum von einer anderen Gesellschaft, einer Gesellschaft der Gleichheit
und der Gerechtigkeit, ohne Erwerbslosigkeit, ohne Rassismus, ohne Elend. Es geht uns darum, die Hoffnung neu zu
erfinden.