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Entgegen mancher Vorurteile beschränkt sich die politische Positionierung der
EuroMärsche nicht auf europazentrierte Forderungen. Das würde diese Bewegung ins politische Abseits stellen
und zu Recht könnten ihr Kritiker eine langfristige Perspektive absprechen.
Im Rahmen der globalen Arbeitsteilung werden mehr und mehr "Freie Produktionszonen", vorzugsweise in
Ländern der Dritten Welt, installiert. Dort unterlaufen Konzerne und ihre formal unabhängigen Vertragsfirmen
sämtliche Bestimmungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): Gewerkschaften sind verboten, es gibt keine
ausreichenden Mindestlöhne, geschweige denn eine geregelte Arbeitszeit. Kurzum: Menschenrechte werden in diesen
Sonderzonen mit Füßen getreten.
Die Manager und Großaktionäre vieler transnationaler Konzerne reiben sich die Hände und verlegen schon
seit Jahren arbeitsintensive Produktionszweige von den Ländern des Nordens in die "Freien
Produktionszonen". Das Lohnverhältnis zu den Ländern des Nordens beträgt 1:10. Der Faktor
Arbeit ist also billig, die Profite der Konzerne steigen.
Für die, die in den Sonderzonen arbeiten müssen, sind die Produktionsbedingungen zum Teil mörderisch:
Die Wochen haben sieben Tage und diese zwölf Stunden bei gleichzeitiger Kasernierung in Vielbetträumen, die
in unmittelbarer Nähe der Produktionsstätte angesiedelt sind.
In den Ländern des Nordens führt diese Konzernpolitik zum Anstieg der Erwerbslosenquote und bei vielen
dazu, Billiglohnjobs zu völlig ungesicherten Bedingungen anzunehmen. Diejenigen, die noch über einen
Normalarbeitsplatz verfügen, haben in der Vergangenheit oft stillschweigende reale Einkommensverluste
hingenommen.
Die EuroMärsche setzen sich für eine "globale Umverteilung der Reichtümer" ein und wollen
mit ihren Forderungen nach radikaler Arbeitszeitverkürzung und garantiertem Mindesteinkommen nicht an den
Grenzen der EU stehenbleiben.
Allerdings gehören diese Einsichten, die sich hoffentlich auch Gewerkschaften in Europa und den USA bald erarbeiten,
umgekehrt für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den "Freien Produktionszonen" in Mexiko schon
längst zu den politischen Essentials. Sie wissen, daß jeder Streik gegen Lohnkürzungen im Norden auch
ihre Position im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen stärkt.
Gerhard Klas