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Auf der europäischen Konferenz in Köln sprach Wolfgang Pomrehn mit Nikolas
Babassis, dem Sekretär für internationale Angelegenheiten der griechischen Eisenbahnergewerkschaft, über
grenzüberschreitende Streikbewegungen und dem zum EU-Gipfel geplanten "Balkanzug".
Wie verlief der europäische Eisenbahnerstreik im Ende des vergangenen Jahres in Griechenland?
Nikolas Babassis: Der europäische Transportarbeiterverband in Brüssel hatte die Aktion Ende November
koordiniert. Wir hatten bereits einen Tag vor dem 23.November mit der Besetzung einiger wichtiger Punkte, wie der
Bahndirektion begonnen. Insgesamt dauerte bei uns der Streik drei Tage. 90% der Bahnangestellten haben sich
beteiligt.
Worum ging es?
1991 hat die EU-Kommission eine Richtlinie verabschiedet, nach der die Bahnen keine staatliche Unterstützung mehr
erhalten sollen. Wir sehen darin eine Benachteiligung gegenüber dem Autoverkehr, für den schließlich auch
Straßen gebaut werden. In Griechenland sollen innerhalb von fünf Jahren die staatlichen Zuschüsse auslaufen.
Damit verbunden ist ein Entlassungsplan für 3000 der 11.000 Angestellten. Die Bahn wird allerdings ohne die
Zuschüsse ihre soziale Aufgabe nicht mehr wahrnehmen können, d.h., es wird keine Ermäßigungen
für Studenten oder Rentner mehr geben. Außerdem werden unrentable Strecken geschlossen werden. In anderen
EU-Staaten sehen die Auswirkungen der Richtlinie ähnlich aus. Gegen all das haben wir gestreikt.
Sind die Vertreter der griechischen Eisenbahnergewerkschaft darüber verärgert, daß sich einige
Gewerkschaften der Branche in Europa nicht beteiligt haben?
Vor allem die deutschen Eisenbahnergewerkschaft GdED hat sich aus allem herausgehalten. Ihre Vertreter meinten nicht streiken
zu können, weil ihre Mitglieder Beamte seien. Schon 1995 hatten sie sich nicht an einem einstündigen Warnstreik
beteiligt.
Die Entlassungspläne werden in Athen geschrieben, doch die Rahmenbedingungen setzt Brüssel, d.h. die EU. Die
griechische Eisenbahnergewerkschaft wird sich deshalb an der Mobilisierung gegen den EU-Gipfel in Köln beteiligen. Was
werden die Gewerkschaft von den Regierungschefs fordern?
Die Arbeitslosigkeit ist für uns die wichtigste Frage. Die offizielle Statistik sagt, daß die Arbeitslosenrate 10 oder 11%
beträgt. Wir gehen eher von 13-14% aus, denn mit den Zahlen wird viel getrickst. Die Forderung nach Verkürzung
der Arbeitszeit, nach einer 35-Stunden-Woche steht für uns daher ganz oben auf der Tagesordnung.
Geplant ist u.a. eine große internationale Demonstration gegen den EU-Gipfel. Es heißt, die griechischen KollegInnen
wollen mit einem Sonderzug über den Balkan kommen.
Ja, wir rechnen mit 400 bis 450 Teilnehmern aus Griechenland. Wir würden gerne mit einem Zug auch Menschen aus
anderen Balkanstaaten, auch aus der Türkei, mitnehmen. Aber wir suchen noch nach Wegen. In Slowenien und Kroatien
sind die Schienen nicht benutzbar, sodaß wir eventuell den Weg über Ungarn nehmen müssen. Dann
gäbe es aber ein finanzielles Problem, weil wir teure Visa bräuchten. Es kann daher auch sein, daß wir mit dem
Schiff nach Italien übersetzen und uns dort den Italienern anschließen.