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SoZ SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 03 vom 04.02.1999, Seite 11

Athen-Köln-Express

Mit dem Balkanzug zum EU-Gipfel

Auf der europäischen Konferenz in Köln sprach Wolfgang Pomrehn mit Nikolas Babassis, dem Sekretär für internationale Angelegenheiten der griechischen Eisenbahnergewerkschaft, über grenzüberschreitende Streikbewegungen und dem zum EU-Gipfel geplanten "Balkanzug".
 
  Wie verlief der europäische Eisenbahnerstreik im Ende des vergangenen Jahres in Griechenland?
  Nikolas Babassis: Der europäische Transportarbeiterverband in Brüssel hatte die Aktion Ende November koordiniert. Wir hatten bereits einen Tag vor dem 23.November mit der Besetzung einiger wichtiger Punkte, wie der Bahndirektion begonnen. Insgesamt dauerte bei uns der Streik drei Tage. 90% der Bahnangestellten haben sich beteiligt.
 
  Worum ging es?
  1991 hat die EU-Kommission eine Richtlinie verabschiedet, nach der die Bahnen keine staatliche Unterstützung mehr erhalten sollen. Wir sehen darin eine Benachteiligung gegenüber dem Autoverkehr, für den schließlich auch Straßen gebaut werden. In Griechenland sollen innerhalb von fünf Jahren die staatlichen Zuschüsse auslaufen. Damit verbunden ist ein Entlassungsplan für 3000 der 11.000 Angestellten. Die Bahn wird allerdings ohne die Zuschüsse ihre soziale Aufgabe nicht mehr wahrnehmen können, d.h., es wird keine Ermäßigungen für Studenten oder Rentner mehr geben. Außerdem werden unrentable Strecken geschlossen werden. In anderen EU-Staaten sehen die Auswirkungen der Richtlinie ähnlich aus. Gegen all das haben wir gestreikt.
 
  Sind die Vertreter der griechischen Eisenbahnergewerkschaft darüber verärgert, daß sich einige Gewerkschaften der Branche in Europa nicht beteiligt haben?
  Vor allem die deutschen Eisenbahnergewerkschaft GdED hat sich aus allem herausgehalten. Ihre Vertreter meinten nicht streiken zu können, weil ihre Mitglieder Beamte seien. Schon 1995 hatten sie sich nicht an einem einstündigen Warnstreik beteiligt.
 
  Die Entlassungspläne werden in Athen geschrieben, doch die Rahmenbedingungen setzt Brüssel, d.h. die EU. Die griechische Eisenbahnergewerkschaft wird sich deshalb an der Mobilisierung gegen den EU-Gipfel in Köln beteiligen. Was werden die Gewerkschaft von den Regierungschefs fordern?
  Die Arbeitslosigkeit ist für uns die wichtigste Frage. Die offizielle Statistik sagt, daß die Arbeitslosenrate 10 oder 11% beträgt. Wir gehen eher von 13-14% aus, denn mit den Zahlen wird viel getrickst. Die Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit, nach einer 35-Stunden-Woche steht für uns daher ganz oben auf der Tagesordnung.
 
  Geplant ist u.a. eine große internationale Demonstration gegen den EU-Gipfel. Es heißt, die griechischen KollegInnen wollen mit einem Sonderzug über den Balkan kommen.
  Ja, wir rechnen mit 400 bis 450 Teilnehmern aus Griechenland. Wir würden gerne mit einem Zug auch Menschen aus anderen Balkanstaaten, auch aus der Türkei, mitnehmen. Aber wir suchen noch nach Wegen. In Slowenien und Kroatien sind die Schienen nicht benutzbar, sodaß wir eventuell den Weg über Ungarn nehmen müssen. Dann gäbe es aber ein finanzielles Problem, weil wir teure Visa bräuchten. Es kann daher auch sein, daß wir mit dem Schiff nach Italien übersetzen und uns dort den Italienern anschließen.